«Panama Papers», «Paradise Papers» und jetzt «Pandora Papers». So heisst das jüngste Datenleck, mit dem ein internationales Recherchenetzwerk die heimlichen Geschäfte hunderter Politiker mit Briefkastenfirmen enthüllt. Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlichte am Sonntag einen Teil der Recherchen. Die von 600 Journalisten weltweit recherchierten sogenannten Pandora Papers decken eine globale Schattenwirtschaft auf, von der die Wohlhabenden und gut Vernetzten auf Kosten aller anderen profitieren. Viele der Geschäfte laufen über Schweizer Berater.
Die Recherchen umfassen Verstrickungen von mehr als 330 Politikern und Amtsträgern aus 91 Ländern. Die geheimen Dokumente von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern reichen bis ins Jahr 2021. Die Pandora Papers gelten damit als das bislang grösste Datenleck zu Geschäften in Steueroasen in einer Dimension von rund 2,9 Terabyte, bestehend aus 11,9 Millionen Dokumenten. In den vertraulichen Unterlagen finden sich unter anderem auch Namen von prominenten Spitzensportlern und Firmenvorständen.
Schwere Vorwürfe gegen Schweizer Vermögensberater
Nach Angaben des «Tages-Anzeigers», der in der Schweiz zum ICIJ gehört, haben «Schweizer Anwälte, Treuhänder und Beraterinnen alleine bei einer grossen Kanzlei in der Karibik 7000 Offshore-Firmen betreut». Zu den Kunden der Schweizer gehören Autokraten und sogar Personen, die inzwischen rechtskräftig verurteilt wurden wegen Geldwäscherei oder Korruption.
ICIJ erhebt dabei schwere Vorwürfe gegen Schweizer Vermögensberater. Die Datenleaks würden enthüllen, dass «Schweizer Vermögensberater weltweit Verdächtige schützen», titelt ein ICIJ-Sonderbericht. «Geheime Akten zeigen, dass eine ausgedehnte Industrie von Mittelsmännern Lücken in den Anti-Geldwäsche-Gesetzen ausnutzt.»
Die durchgesickerten Dokumente enthalten demnach Informationen über mehr als 90 Schweizer Berater – Anwalts-, Notar- und Beratungsfirmen. Einige Schweizer Parlamentarier hätten unlängst einen Versuch unternommen, strengere Regeln für solche Berater einzuführen. Der Vorstoss wurde abgeschmettert. Die Gegner argumentierten, dass die bestehenden Gesetze ausreichen, um Geldwäsche zu bekämpfen. «Die Schweiz ist ein Piratenhafen», wird der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth (68) zitiert. «Sie finden alles, was sie brauchen, um Geld zu verstecken.»
Putins Palast
Eine von der Schweiz aus betreute Briefkastenfirmen in Belize überwies im Jahr 2009 fast 50 Millionen Dollar für ein «grosses Bauprojekt in der Region von Novorossisk» am Schwarzen Meer. Anfang dieses Jahres erklärte der in einem Straflager inhaftierte russische Oppositionsführer Alexei Nawalny (45), dieses Bauprojekt sei ein milliardenteurer Palast für den russischen Präsidenten Wladimir Putin (68), mutmasslich bezahlt mit unrechtmässig erlangten Geldern.
Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis (67) soll über Offshore-Angebote weitgehend anonym ein Landschloss in Südfrankreich für mehr als 15 Millionen Euro erstanden haben. Der Zeitpunkt dieser Veröffentlichung ist für Babis besonders brisant. Tschechien wählt kommende Woche ein neues Parlament. Babis hatte sich oft selbst als Anti-Korruptionskämpfer dargestellt.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (43), zahlreiche Vertraute des russischen Präsidenten Putin, Jordaniens König Abdullah II. (59) und viele Prominente wie etwa das Model Claudia Schiffer (51) sind oder waren Kunden bei Offshore-Firmen. Der Präsident des EU-Landes Zypern, Nikos Anastasiadis (75), war demnach selbst aktiv im Offshore-Geschäft tätig mit seiner Kanzlei, die mittlerweile von seinen Töchtern geführt wird.
Nachbeben der Panama Papers
Bereits 2016 hatte der Recherchenverbund mit der Veröffentlichung der Panama Papers für Aufregung gesorgt. Dabei handelte es sich um Unterlagen der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die von Journalisten weltweit ausgewertet wurden. Aus ihnen ging hervor, dass zahlreiche Politiker, Sportler und andere Prominente Vermögen in Offshore-Firmen hielten. Auch in den Panama Papers tauchten die Namen vieler Schweizer Firmen auf.
Durch die Enthüllungen gerieten Politiker, Geschäftsleute und Prominente unter Druck. So verlor der pakistanische Regierungschef Nawaz Sharif (71) wegen Korruptionsvorwürfen sein Amt. In Malta gab es im Juni 2017 wegen der Panama Papers Neuwahlen, in Island führte die Veröffentlichung zum Rücktritt des Ministerpräsidenten Sigmundur Gunnlaugsson (46).
Der internationalen Medien zugespielte Datenberg zeigte grosse Geldströme nach Panama, wo Tausende Briefkastenfirmen angesiedelt sind. Ob es sich dabei auch um strafbare Geschäfte handelt, prüften weltweit Staatsanwälte. Die 11,5 Millionen Dateien umfassten E-Mails, Urkunden und Kontoauszüge zu 214'000 Gesellschaften vor allem in der Karibik. Dabei fielen die Namen von 140 Politikern oder Politikervertrauten. (SDA/kes)