Ausgerechnet Qaasim Illi. Der Sprecher des Islamischen Zentralrats der Schweiz (IZRS) und Scharia-Befürworter brauchte die Schweizer Behörden, um ein Bildungsreisli in den Libanon wohlbehalten zu überstehen.
Als die Schweizer Stimmbevölkerung am 29. November 2009 die Minarettinitiative annahm, steckte Qaasim Illi in einem Foltergefängnis im Nahen Osten. Dass er dort gelandet war, hatte er seiner Naivität zu verdanken, wie die «Wochenzeitung» (WoZ) heute in einer Sonderbeilage publik macht.
Illi hatte Lust verspürt, ein palästinensisches Flüchtlingslager zu besuchen. Er reiste nach Beirut und klopfte an die Tore des Lagers al-Beddawi. Die palästinensischen Sicherheitskräfte hielten Illi allerdings für einen Agenten von Al Kaida.
Illi landet in einem Folterkeller
Der «WoZ» sagte Illi dazu: «Ich weiss nicht mehr, was ich mir dabei dachte.» Er landete im Büro des Sicherheitschefs. Bald darauf sass er gefesselt und mit verbundenen Augen in einem Militärjeep und wurde in einen Keller des Innenministeriums nach Beirut verfrachtet. Dort warf man ihn in eine Tag und Nacht hell erleuchtete Zelle.
Dem ersten Verhör folgten Dutzende weitere. «Er sass zehn Tage in Einzelhaft. Der Hofgang wurde ihm verweigert, zum Essen gab es verfaulte Kartoffeln. Tagsüber betete Illi, nachts hörte er Schreie aus dem Zellentrakt.»
Die Rettung nahte schliesslich in der Person einer Engländerin. Sie war IKRK-Delegierte und besuchte ihn in seiner Zelle. Illi flehte die Frau an, die Schweizer Botschaft zu verständigen. Er werde hier ohne Gerichtsbeschluss festgehalten. «Doch die Frau ging nicht darauf ein. Zu tun, was er von ihr verlange, sei ihr nicht gestattet. Sie dürfe nur die Situation der Gefangenen protokollieren.»
EDA rettet ihn mit einer Intervention
Schliesslich informierte die Frau doch die Schweizer Botschaft in Beirut, worauf Illi konsularischen Schutz erhielt. Ein Quelle im EDA, das damals unter Führung von Micheline Calmy-Rey stand, bestätigt der «WoZ» die Intervention.
Nachdem sich die Schweizer Botschaft eingeschaltet hatte, sprach ihn ein Richter vom Vorwurf der Spionage frei. Zwei Wochen später, am 19. Dezember 2009, sass Qaasim Illi laut der «WoZ» an Bord einer Nachtmaschine der Middle East Airlines nach Genf.
Die Recherche der Zeitung über das abenteuerliche Leben von Illi umfasst insgesamt 32 Seiten und liegt der Ausgabe dieser Woche als Beilage bei.
Illi reagierte heute auf Facebook auf das Werk: «Ich weiss nun gar nicht, ob ich das darin aufgebaute Narrativ als stellenweise amüsante Karikatur so zur Kenntnis nehmen und stehenlassen soll oder ob es Grund gibt, sich ob dem Mix teils detailtreuer, teils phantastischer bis falscher Inhalte zu nerven.»
Er entscheide sich für Ersteres, «auch weil der letzte Abschnitt so lehrbuchartig aufzeigt, wie schwierig es scheinbar selbst der modernen Linken fällt, Differenziertheit ihren nötigen Raum einzugestehen». Es sei ein Versuch gewesen – «er endete in einer stereotyp anmutenden Karikatur». Als solche gelesen sei die Schrift aber durchaus unterhaltsam. (hlm)