Oswald Grübel blickt auf die dramatische Börsen-Woche zurück
«Für Zukäufe ist es zu früh»

Oswald Grübel im Interview zu der dramatischen Börsenwoche - und was das alles für Privatanleger und Hypo-Schuldner in der Schweiz bedeutet.
Publiziert: 11.02.2018 um 00:30 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:20 Uhr
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Täglich an den Märkten: der ehemalige CEO von CS und UBS Oswald Grübel (74)
Foto: Sabine Wunderlin
Christian Kolbe

Die Aktienmärkte blicken weltweit auf eine äusserst bewegte Woche zurück. Was erleben wir im Moment, nur eine Korrektur oder einen Crash auf Raten?
Oswald Grübel: Was wir sehen, ist eine scharfe Korrektur. Im Januar haben die Aktienmärkte sämtliche Rekorde gebrochen, das wird nun etwas berichtigt. Im Moment liegen die Märkte etwa zehn Prozent unter diesen Rekordmarken. Technisch gesehen lassen sich hier sogenannte Unterstützungslinien ausmachen. Sollten diese nicht halten, könnte die Korrektur noch schärfer ausfallen.

Was fehlt noch zum Börsencrash?
Von einem Crash spricht man erst dann, wenn ein langjähriger Trend komplett ausgelöscht wird. So weit ist es noch nicht. Die Zinsen sind immer noch rekordtief und es ist immer noch sehr viel billiges Notenbank-Geld im Markt. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass auf diesem Rekordniveau ein Minus von 1000 Punkten – zum Beispiel im Dow Jones – schnell passiert ist. Das muss man relativieren, in Prozenten ausgedrückt ist der Absturz dann gar nicht mehr so dramatisch.

Berg- und Talfahrt an den Börsen: SMI und Dow Jones.
Foto: Infografik

Es war ein ständiges Auf und Ab an den Märkten. Wird die Nervosität dieser Woche anhalten?
Die Volatilität war im letzten Jahr sehr tief, damit ist es nun vorbei. Die Bewegungen an den Aktienmärkten – nach unten wie nach oben – werden künftig schneller und heftiger ausfallen. Doch das ist gar nicht so schlecht. Etwas mehr Volatilität schadet nicht, das macht den Markt glaubwürdiger.

Welche Rolle haben Gewinnmitnahmen bei der Korrektur gespielt?
Wenn Anleger ihre Gewinne realisieren wollen, also ihre Aktien verkaufen, die in den letzten Monaten stark an Wert gewonnen haben, dann braucht es auf der anderen Seite auch Käufer, die bereit sind, diese Titel zu übernehmen. Weil aber neue Käufer gefehlt haben, sind die Korrekturen in dieser Woche schärfer ausgefallen als üblich. Es gab nicht genug Käufer, die bereit gewesen wären, den Markt zu stützen.

Wie soll sich ein Privatanleger da verhalten?
Wer sich als langfristiger Investor versteht, der sollte zunächst etwas zuwarten. Für Zukäufe ist es vielleicht zu früh. Es ist durchaus möglich, dass sich die Korrektur der Märkte weiter nach unten bewegt. Denn insgesamt sind die Aktienmärkte immer noch sehr hoch bewertet.

Oswald Grübel: «Die Korrektur könnte noch schärfer ausfallen.»
Foto: Sabine Wunderlin

Als einer der Auslöser für die Börsenverluste gilt eine Meldung über Löhne, die in den USA im Januar überraschend stark gestiegen sind. Was ist denn so schlecht an steigenden Löhnen?
Steigende Löhne sind grundsätzlich etwas Positives. Sie zeigen, dass die Wirtschaft wächst. Aktienmärkte sind allerdings besorgt über die Folgen steigender Löhne. Das löst Ängste über Zinserhöhungen aus, möglicherweise sogar stärker als allgemein erwartet. Steigende Zinsen sind nun mal schlecht für die Börse.

Trotzdem: Die Wirtschaft läuft gut. Wieso stützt die Realwirtschaft die Aktienmärkte nicht stärker?
Die Weltwirtschaft wächst derzeit durchaus ansehnlich, vier Prozent globales Wachstum liegen in diesem Jahr drin. Zu den guten Wachstumsaussichten tragen derzeit allerdings auch die tiefen Zinsen bei. Die entscheidende Frage lautet: Ist das Wachstum so stark, dass es auch Zinserhöhungen verkraften kann?

Können Notenbanken die Zinsen überhaupt erhöhen, ohne das Wachstum abzuwürgen?
Die Märkte schauen auf das, was in Zukunft geschehen könnte. Diese Erwartung bestimmt den Preis von Aktien. Wenn die Zinsen nur leicht ansteigen, dann macht das keinen grossen Unterschied zur aktuellen Tiefzins-Situation. Und wenn das Wirtschaftswachstum vor allem auf einer erhöhten Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen beruht, dann kann die Wirtschaft kleine Zinsschritte verkraften.

Alles spricht von der bevorstehenden Zinswende. Ist die in den USA bereits Realität?
Absolut, ja! In den USA ist die Zinswende eingeleitet, interessant wird nun zu beobachten sein, wie stark die US-Notenbank die Zinsen in diesem Jahr noch anheben wird. Ich rechne mit drei kleinen Zinsschritten von je einem Viertelprozent.

Wie sieht es in Europa aus, werden auch hier die Zinsen steigen? Das hätte ja einen starken Einfluss auf die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB).
Nein, in diesem Jahr rechne ich nicht mit einer Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB). Europas Wirtschaft wächst langsamer als die amerikanische, der Euro wurde stark aufgewertet und die Staatsverschuldung steigt wieder an. Würde die EZB von der Nullzinspolitik abrücken, könnte dies das Wachstum bedrohen, den Euro weiter stärken und die Staatsschulden-Problematik verschärfen.

«Die SNB hat in den letzten zwölf Monaten immer wieder betont, sie werde erst nach der EZB einen Zinsschritt machen», sagt Oswald Grübel.
Foto: Sabine Wunderlin

Der SNB sind also die Hände gebunden?
Sie hat in den letzten zwölf Monaten immer wieder betont, sie werde erst nach der EZB einen Zinsschritt machen. Von dieser Politik dürfte sie auch in diesem Jahr nicht abrücken.

Was heisst das alles fürHypothekarschuldner in der Schweiz?
Die Zinssätze für Hypotheken sind nach wie vor tief. Viele haben auch ihre Hypotheken schon verlängert. Deshalb besteht in der Schweiz im Moment kein grosser Handlungsbedarf.

Oswald Grübel

Oswald Grübel (74) ist der Einzige, der es je an die Spitze beider Schweizer Grossbanken geschafft hat – erst bei Credit Suisse, später bei der UBS. Seit seinem Rücktritt dort ist Grübel sozusagen im Unruhestand. Täglich beobachtet er weiterhin die Märkte. Mit Erfolg. Die «Bilanz» zählt den gebürtigen Deutschen zu den 300 Reichsten der Schweiz.

Oswald Grübel (74) ist der Einzige, der es je an die Spitze beider Schweizer Grossbanken geschafft hat – erst bei Credit Suisse, später bei der UBS. Seit seinem Rücktritt dort ist Grübel sozusagen im Unruhestand. Täglich beobachtet er weiterhin die Märkte. Mit Erfolg. Die «Bilanz» zählt den gebürtigen Deutschen zu den 300 Reichsten der Schweiz.

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