Ökonom Klaus Wellershoff über die Konjunkturlage der Schweiz
«Unsere Angst ist schuld an der Krise»

Der starke Franken macht der Schweiz mehr und mehr zu schaffen. Ökonom Klaus Wellershoff fordert einen entspannteren Umgang mit dem Euro.
Publiziert: 16.06.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:26 Uhr
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Klaus Wellershoff (51) glaubt, dass 2015 der Beschäftigungsgrad in der Schweiz steigen wird.
Foto: www.wellershoff.ch
Interview: Moritz Kaufmann

Herr Wellershoff, kommt im Herbst die grosse Rezession?
Klaus Wellershoff: Der Tourismus ist schon drin. Die Industrie steht am Rande einer Rezession.

Werden diese Branchen die Schweizer Wirtschaft hinunterreissen?
Beide sind eine Belastung für die Gesamtwirtschaft. Wir werden sicher Arbeitsplätze verlieren.

Manche sagen voraus, dass 30 000 Arbeitsplätze in der Industrie gestrichen werden.
Die restlichen Branchen werden in diesem Jahr wahrscheinlich 40 000 neue Stellen schaffen. Ich rechne damit, dass die Beschäftigung in der Schweiz steigen wird.

Sie beraten Unternehmen. Was sagen Sie denen jetzt?
Sie müssen kühlen Kopf bewahren. Der Euro wird nicht dort bleiben, wo er ist. Die Richtung heisst: 1.20 Franken in den nächsten zwei bis drei Jahren.

Viele Unternehmen stecken aber heute in der Krise.
Im Augenblick geht dies zulasten der Margen. Die Nachfrage ist aber befriedigend. Das liegt daran, dass es der Weltwirtschaft besser geht. Insbeson­dere in Europa, unserem wichtigsten Handelspartner. Wenn Unternehmen investieren, dann schauen sie aber in die Zukunft. Da dürfen wir zuversichtlich sein.

Schon im Januar beim Mindestkurs-Aus hiess es: Der Franken wird wieder schwächer. Bisher ist aber nicht viel passiert.
Es braucht natürlich etwas Zeit. Von 85 Rappen auf 1.20 Franken – das passiert nicht von heute auf morgen.

Wir müssen nicht mit einem Kurs von 1.03 Franken leben lernen?
Das wäre historisch betrachtet absolut aussergewöhnlich. Im Moment ist der Franken so stark überbewertet wie noch nie. Das hat sich in der Vergangenheit immer korrigiert. Und wird sich auch jetzt wieder korrigieren.

Sie sagen, der Franken sei so stark, weil wir Angst vor dem Euro haben. Wie meinen Sie das?
Seit der Eurokrise haben die Schweizer aufgehört, ihre im Handel mit Europa erwirtschafteten Überschüsse in Europa zu investieren. Stattdessen haben wir Euro in Franken getauscht.

Die Minuszinsen wirken nicht, und die Politiker sind ratlos. Sind wir den Märkten ausgeliefert?
Nochmals: Die Märkte sind in erster Linie die Schweizer. Wir müssen aufhören, panische Angst vor Europa zu haben. Bis zur Finanzkrise haben die Schweizer jährlich Milliarden in den Euroraum investiert. Das hat nahezu aufgehört.

Dann sind die Schweizer selber schuld an der Krise?
Unsere Angst vor dem Euro ist schuld an der Krise. Wenn sich das Verhältnis zu Europa wieder normalisiert, dann wird auch die Wechselkurskrise vorbei sein. Das ist sonnenklar.

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