Das IMD in Lausanne ist eine weltweit renommierte Ausbildungsstätte für Manager. Am «International Institute for Management Development», wie es ausgeschrieben heisst, ist Christos Cabolis Chefökonom, unter anderem verantwortlich für die Rangliste der digital wettbewerbsfähigsten Nationen. Am Digitaltag, dem 25. Oktober, wird er darüber ein Referat halten. (Das Programm des Digitaltags entnehmen Sie der Beilage in diesem SonntagsBlick.)
Die USA, wo Cabolis lange gearbeitet hat, sind in seinem Ranking die Nummer eins. Die Schweiz, wo er heute wirkt, steht auf Rang fünf, sein Geburtsland Griechenland ist die 53. von 63 ausgewerteten Nationen. Den letzten Platz belegt Venezuela.
SonntagsBlick: Was muss die Schweiz tun, um im Ranking noch weiter nach oben zu kommen?
Christos Cabolis: Die Lebensqualität hier ist sehr hoch. Die Wirtschaft ist sehr wettbewerbsfähig und steht in allen Rankings seit Jahren weit oben. Die Schweiz macht also sehr viel richtig.
Trotzdem: Die Internet-Giganten sitzen alle in den USA – Facebook, Google, Amazon, Netflix ...
Das sind ganz spezifische Firmen, die ein digitales Geschäft im engeren Sinn verfolgen. So etwas fehlt hier tatsächlich. Aber die Schweiz ist sehr stark in anderen Bereichen.
Etwa in der Pharma- und Maschinenindustrie.
Ja, das sind nicht direkt digitale Firmen, aber sie setzen in der Herstellung ihrer Produkte digitale Aspekte ein. Dadurch generieren sie Waren, die sehr schwierig zu kopieren sind.
Die Schweiz ist auch unter den Internet-Usern nur Nummer 22. Das heisst, hier nutzen prozentual weniger Leute das Internet als in 21 anderen Ländern.
Ja, das sind harte Zahlen, Internetnutzung pro 1000 Einwohner.
Mir fällt auf, dass die Schweiz auf einem Gebiet besonders schlecht abschneidet und nur Rang 51 von 63 belegt – in der sogenannten E-Partizipation. Sind wir digital zu wenig aktiv?
Ja, die Menschen in der Schweiz nutzen vergleichsweise wenig von dem, was vom Staat und den Unternehmen an digitalen Instrumenten zur Verfügung gestellt wird.
Woran liegt das?
Unter anderem daran, dass die Schweizer ihre Privatsphäre in hohem Mass schätzen.
... und daher stärker als andere befürchten, dass ihre Daten in falsche Hände geraten?
Ja, das kann sein. Als ich vor drei Jahren in die Schweiz kam, war ich überrascht, wie viele Geschäfte hier noch auf Papier abgewickelt werden. Wenn ich etwas von meiner Gemeinde will, muss ich sogar fast jedes Mal persönlich dorthin.
So lässt sich einfach sicherstellen, dass Sie auch wirklich Sie selber sind ...
Elektronisch ginge das auch!
Im vergangenen Jahr wurde die Schweizer E-Identität vorgestellt, die genau das ermöglichen würde. Ich kenne allerdings in meinem privaten Umfeld niemanden, der dies nutzt.
Das stimmt mit dem Ranking der Schweiz in der E-Partizipation überein!
Tatsächlich waren in der Öffentlichkeit bald skeptische Stimmen zu vernehmen, weil es unter anderem Privatunternehmen sind, welche die E-Identität lanciert hatten.
Interessant, denn wir haben im Rahmen des Rankings auch festgestellt, dass die Unternehmen in der Schweiz deutlich agiler sind, schneller und flexibler auf Veränderungen reagieren als die einzelnen Bürger.
Wir vermuten, Sie messen das an der E-Partizipation, aber etwa auch an der Einstellung gegenüber der Globalisierung. Bei Letzterer liegt die Schweiz auf Rang 25.
Ja, der Wert stammt aus einer Studie, in der wir das höhere und mittlere Management in Unternehmen befragt haben. Konkret lautete unsere Frage: Verhindern die Einwanderungsgesetze, dass Sie in Ihrem Unternehmen ausländische Arbeitnehmer anstellen können?
Dass es sich dabei um die Einschätzung der Unternehmen handelt, gilt auch für den Faktor Einwanderungsgesetze, bei dem die Schweiz auf Rang 39 liegt?
Ja, die Manager finden, dass die Einwanderungsgesetze es ihren Unternehmen relativ schwierig machen, qualifizierte ausländische Arbeitnehmer einzustellen.
Der Staat zeigt sich auch darin als Hürde, dass es in der Schweiz relativ schwierig ist, ein Unternehmen zu gründen. In diesem Punkt reicht es nur für Platz 37.
Hier stammen die Daten von der Weltbank. Es geht darum, wie schnell jemand mit einer Idee eine Firma gründen kann.
Am schnellsten geht das in Neuseeland, wo Firmen an einem einzigen Nachmittag gegründet werden können
Während es in der Schweiz laut Weltbank zehn Tage dauert, bis ein Unternehmen gegründet ist.
So lange wie in der Mongolei ...
Aber weniger lang als in Deutschland, Finnland oder Luxemburg.
Okay, reden wir über die Stärken!
Besonders stark ist die Schweiz darin, hoch qualifiziertes Personal aus dem Ausland anzuziehen.
Da sind wir Nummer eins. Steht das nicht im Widerspruch zu den wenig hilfreichen Einwanderungsgesetzen
Nein, dass die Schweiz hoch qualifiziertes Personal anzieht, ist ein Ist-Zustand. Dagegen bezieht sich der Faktor der Einwanderungsgesetze auf eine Umfrage, in der sich die Befürchtungen der befragten Manager über die künftige Entwicklung manifestieren.
Was macht die heutige Anziehungskraft unseres Landes für hoch qualifizierte Ausländer aus?
Es gibt hier attraktive Jobs und eine grosse Lebenszufriedenheit. Zudem sind schon einige hoch qualifizierte Arbeitnehmer hier, die sozialen Anschluss bieten.
In welchen anderen Punkten ist die Schweiz top?
Der Wissenstransfer von den Hochschulen zu den Unternehmen funktioniert sehr gut. Mit der ETH in Zürich und der EPFL in Lausanne besitzt die Schweiz zwei Institute von Weltruf. In Zukunft wird meiner Meinung nach die Zusammenarbeit von Universitäten und Unternehmen noch wichtiger. Wichtiger werden dürfte auch das Thema Cybersecurity.
Da belegt die Schweiz Nummer 15 im Ranking.
Ja, wir fragen Manager, ob die digitale Sicherheit in ihren Staaten und Firmen angemessen thematisiert wird.
Ganz zufrieden scheinen sie nicht.
Nein, da gibt es Raum für Verbesserungen.
Welchen Stellenwert haben in Ihrem Ranking Blockchain-Technologie und Kryptowährungen?
Diese Themen sind extrem wichtig, aber es ist noch schwierig einzuschätzen, auf welche Weise sie die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen werden. Im Ranking sind sie derzeit nur indirekt reflektiert.
Dänemark ist gemäss einem Subranking am besten auf die digitale Zukunft vorbereitet. Dies, obwohl dort die Steuern relativ hoch sind.
Der Steuersatz ist nur die eine Seite der Gleichung ...
... die andere Seite wäre dann, was der Staat aus den Steuergeldern macht?
Ja, in Dänemark und generell in den skandinavischen Ländern glauben die Bürger, dass die Leistungen, die sie in diesem Punkt vom Staat erhalten, mehr wert sind als die Steuern, die sie dafür bezahlen. Deshalb sind auch viele hoch qualifizierte Nicht-Dänen bereit, in Dänemark arbeiten zu gehen.
Auf der Plus-Seite dieser Gleichung steht etwa der Elternschaftsurlaub für Männer und Frauen.
Genau, aber beispielsweise auch Gesundheitsdienstleistungen oder die Sorge um die Umwelt.
Am Donnerstag steht die ganze Schweiz im Zeichen der Digitalisierung. Von St. Gallen bis Genf finden in zwölf Städten Veranstaltungen zum 2. Schweizer Digitaltag statt. Wie muss die Schweiz ihr Bildungssystem anpassen, um die digitale Revolution zu meistern? Wie verändern die neuen Technologien unseren Alltag? Was bedeuten sie für die Wirtschaft, die Demokratie und die Kunst? Mit solchen Fragen können Sie sich am Donnerstag beschäftigen. Die ganze Bevölkerung ist eingeladen zum Digitaltag. Details erfahren Sie unter digital.swiss.
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Davos GR – Am Abend des 19. Januars beginnt in Davos das 46. World Economic Forum (WEF). Hilde und Klaus Schwab begrüssen über 2500 Personen aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft. Ihr hehres Ziel: «Den Zustand der Welt zu verbessern.» Im Zentrum des Treffens steht die vierte industrielle Revolution, die von der Digitalisierung angetrieben wird. Aber auch das Thema Sicherheit.
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