Der Zürcher Gewerkschaftsfürst Roman Burger (39) hat wegen sexueller Belästigung einer Mitarbeiterin seinen Rücktritt eingereicht. Die Unia fasst ihn mit Samthandschuhen an, obwohl sie von Firmen bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Nulltoleranz fordert. Im Fall Burger bedeutet Nulltoleranz die Suche nach einem neuen Jöbli und Rückendeckung von Chef Nico Lutz (45). Der verteidigt Burger noch immer.
In der Medienmitteilung zum Abgang seines Zöglings schrieb Lutz in der vergangenen Woche verharmlosend von einem «wechselseitigen SMS-Austausch» zwischen Burger und einer Mitarbeiterin (BLICK berichtete).
Schlechtes Zeugnis für die Unia-Führung
Damit stösst die Unia linke Frauen vor den Kopf. Die Zürcher SP-Nationalrätin Mattea Meyer (28), selber Unia-Mitglied, ist erzürnt: «Der Unia-Führung muss man ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Sie hat einige Fehler gemacht.» Dem Krisenmanagement der Unia-Spitze gibt sie im Fall Burger schlechte Noten. Für Meyer ist eines glasklar: «Es geht nicht an, dass man in einer Medienmitteilung den Frauen eine Mitschuld zuschreibt. Das ist mehr als fragwürdig.» Meyer erwartet jetzt vor allem eines: «Dass die nationale Unia-Führung die Sache gründlich aufarbeitet, denn die Vorwürfe sind massiv.»
Auch Juso-Präsidentin und Unia-Mitglied Tamara Funiciello (26) sagt: «Ich wünsche mir eine genaue Aufklärung und interne Abklärungen, damit solches nicht mehr vorkommen kann.»
Ebenfalls empört sind die Frauen der feministischen Organisation Aktivistin.ch. Die Bewegung will auf Themen wie Lohnungleichheit und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz aufmerksam machen. Sie wird finanziell und ideell durch die Unia Zürich-Schaffhausen unterstützt – die Sektion, welche Burger bis vor kurzem führte. «Wir sind masslos enttäuscht», sagt Sprecherin Carmen Schoder zu BLICK. «Wir erwarten, dass die Unia-Spitze endlich Stellung bezieht und den Fall vollständig aufklärt.» Kommt es zum Bruch zwischen der Unia und der feministischen Organisation? «Dazu können wir nichts sagen», so Schoder. Die Aktivistinnen trafen sich aber zu einer Krisensitzung.
Hintergrund für den Aufruhr ist ein Artikel in der «Wochenzeitung» (WoZ), der schildert, wie selbstherrlich Burger die Unia Zürich-Schaffhausen regierte. Burger habe sich im Umgang mit Frauen wie ein mittelalterlicher Fürst aufgeführt. Innerhalb der Unia Zürich-Schaffhausen fragten sich die Frauen laut der Zeitung, ob sie mit Burger ins Bett müssten, um Karriere zu machen.
Burgers Vorgesetzter Nico Lutz, Chef Sektor Bau und Mitglied der Unia-Geschäftsleitung, habe alles getan, um seinen Kumpel zu schützen. Er liess es zu, dass Burger ihm unterstellte Teams über die Vorwürfe gegen sich selbst informierte, während die Frauen suspendiert waren.
Interne E-Mails belegen laut der Zeitung, dass man Druck aufgebaut habe, um den Mantel des Schweigens über der Affäre auszubreiten und um Burger eine ehrenvolle Rückkehr zu ermöglichen. Zudem habe man die Schuld für die Affäre immer mehr auf die Frauen geschoben – obschon die Untersuchung Burger klar als Täter identifiziert habe.
«Es wurde dann etwas sektenhaft bei der Arbeit»
Laut WoZ baute Roman Burger seine Machtposition mit fiesen Psychomethoden aus. Unia-Leute mussten voreinander intime Informationen über ihr Privatleben ausbreiten. Diese sollten vertraulich bleiben – später hätten sie aber Einfluss auf Beförderungen gehabt. Eine Teilnehmerin sagte der Zeitung: «Es wurde dann etwas sektenhaft bei der Arbeit. Wenn du die Geschichte der Leute so gut kennst, kannst du heikle Punkte gegen sie verwenden.»
Was aber sagt Vania Alleva (47), oberste Chefin der Unia, zu diesen Vorwürfen?
Was sagt sie dazu, dass die Unia mit unterschiedlichen Ellen misst – bei Firmen Nulltoleranz bei sexueller Belästigung einfordert, im eigenen Haus aber beide Augen zudrückt? Warum darf Burger bleiben? Warum schaute die Unia-Führung dem Treiben so lange zu?
Alles sei in bester Ordnung
Diese Fragen hat BLICK gestern Vania Alleva schriftlich gestellt. Zwei Stunden später kam die Antwort. Aber nicht von Alleva, sondern von Burgers Verbündetem Nico Lutz. Er wiederholte, was er schon mehrfach gesagt hatte: dass alles in bester Ordnung sei. Alleva selber will sich heute um 14 Uhr erstmals äussern. BLICK wird die Pressekonferenz live übertragen.
Doch dass Lutz für seine Chefin antwortet, ohne Gründe zu nennen, zeigt nur eines: Bei der Unia ist nichts in Ordnung.