Eigentlich hat Alessia C.* (42) in der Corona-Krise gute Bedingungen. Sie ist zu 60 Prozent angestellt, ihr Mann zu 100 Prozent. Beide können flexibel im Homeoffice arbeiten und haben verständnisvolle Vorgesetzte. «Trotzdem ist die Situation mit den Kindern sehr schwierig», erzählt sie. Dass die Schulen am 11. Mai wieder öffnen, ist ein Lichtblick. Trotzdem weiss die Mutter nicht, wie sie die Mehrfachbelastung weitere drei Wochen bewältigen soll.
Tochter Laura ist sieben Jahre alt und geht in die erste Klasse. «Der Unterricht zu Hause belegt jeweils den halben Tag», sagt die Mutter. Daneben braucht auch der dreijährige Sohn Betreuung. «Gleichzeitig Homeschooling und einen Dreijährigen beschäftigen, das geht nicht.»
Daher arbeite ihr Mann momentan auch am Abend und am Wochenende. «Die Belastung für die Familie ist aber gross. In der Krisenzeit ist das doppelt schwierig.» Ab und zu geht Alessia C. darum mit der Tochter ins sonst leere Büro. «Dort kann Laura konzentriert lesen und rechnen lernen, ohne abgelenkt zu werden», sagt sie. Daneben könne sie ein bisschen etwas erledigen.
Eltern fühlen sich alleingelassen
Der Lehrerin gibt sie keine Schuld: «Sie kümmert sich sehr um die Kinder und schickt Videoerklärungen.» Zudem gebe es seit der zweiten Woche nach der Schulschliessung einen guten Plan, was man wann machen solle. «Aber eine Siebenjährige braucht halt noch intensive Begleitung, ich bin die Ersatzlehrerin.» Fernunterricht könnte helfen, das gibts aber im umfassenden Sinne nicht. Von der Schule her gibt es keinen grossen Druck. Aber der Mutter ist auch klar: «Meine Tochter kann nicht einfach wochenlang Ferien machen, sonst verliert sie den Anschluss.»
Alessia C. ärgert es, dass die Situation der Eltern so wenig beachtet wird. «Man fühlt sich schon alleingelassen, niemand hat eine Lösung», sagt sie. Damit ist sie nicht die Einzige: In Zürich haben sich Eltern in einem Eltern-Komitee organisiert.
Organisator Stephan Germann hat über 100 Familien befragt. Sein Fazit: «Viele Eltern sind mit der Situation komplett überfordert.» Kinderbetreuung, Homeschooling und Homeoffice gehen eigentlich nicht zusammen. «Am schlimmsten trifft es Alleinerziehende», sagt Germann.
Die Arbeitgeber schreiben Minusstunden auf
Die Schilderungen sind erschreckend: Eltern arbeiten sieben Tage pro Woche total zerstückelt. Alleinerziehende haben einen 100-Prozent-Job und müssen daneben zwei Kinder unterrichten. Sie haben das Gefühl, dass sie niemandem gerecht werden – weder den Kindern noch der Arbeit. Und für sie selbst bleibt schon gar keine Zeit mehr. «Fremdsprachige Eltern haben zudem grosse Mühe, beim Schulstoff zu helfen», sagt Germann.
Ein weiteres Problem: Viele berufstätige Eltern hätten Minusstunden angehäuft, so Germann. Die Arbeitgeber sollten den Eltern die Fehlzeit erlassen und den Ausfall via Sozialversicherung einfordern. Dass AHV-versicherte Eltern Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz hätten, wissen viele Arbeitgeber nicht. Seit gestern gilt dies nicht nur für berufstätige Eltern mit Kindern bis zu 12 Jahren, sondern auch für jene von Jugendlichen bis zu 20 Jahren, die in eine Sonderschule gehen oder IV-Gelder erhalten.
* Name der Redaktion bekannt
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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Wegen Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus ermöglichten viele Firmen ihren Angestellten, von zu Hause aus zu arbeiten. Im Homeoffice kann man durchaus produktiv sein, wenn man es richtig macht.
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