Niemand gibt mehr Geld fürs Schlafen aus
Wir sind Schlafzimmer-Weltmeister!

1,2 Milliarden sind den Schweizern ihre Schlafzimmer wert. Für die letzten Schweizer Matratzenhersteller ist das Geschäft trotzdem anspruchsvoll.
Publiziert: 14.05.2017 um 12:28 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 09:50 Uhr
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Peter Patrick Roth (47), Geschäftsführer von Roviva: «Heute gehört das Schlafzimmer zu den Vorzeigeobjekten.»
Foto: Keystone
Christian Kolbe

Unser Schlafzimmer ist uns lieb und teuer. «Die Schweizer geben prozentual am meisten Geld aus für Bett- und Bettinhalt – weltweit!» Also für Bettgestell, Matratze und Bettzeug. Das sagt Walter Schnellmann (73), Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer von Riposa – einem der letzten beiden Matratzen-Hersteller, die noch in Schweizer Hand sind.

Der andere Matratzen-Produzent ist Roviva. Peter Patrick Roth leitet das Familienunternehmen in der neunten Generation. Der 47-Jährige weiss, warum die Schweizer immer mehr Geld ins Schlafgemach investieren: «Das Schlafzimmer war früher eher ein vernachlässigter, aber intimer Ort im Haus. Das hat sich geändert, heute gehört auch das Schlafzimmer immer mehr zu den Vorzeigeobjekten.»

1,2 Milliarden Franken pro Jahr fürs Schlafen

Auf fast 1,2 Milliarden Franken pro Jahr schätzt Möbel Pfister, ­einer der grössten Bettenverkäufer in der Schweiz, das Marktvolumen im Bereich Schlafen – Tendenz steigend. Und dabei sind Accessoires wie Lampen und Nachttische noch gar nicht eingerechnet.

Der Schlaf ist also ein Milliarden-Geschäft. Eines, das sich auch für den Käufer langfristig lohnt – denn immerhin verbringen wir ein Drittel unseres Lebens mit Schlafen. Der Durchschnittsschweizer verbringt insgesamt also 27 Jahre im Bett!

Genügend und guter Schlaf gehört zu einem guten Leben ebenso wie gesundes Essen oder ausreichend Bewegung. Diese Erkenntnis hat sich in den letzten Jahren bei vielen Menschen durchgesetzt. «In unserer hektischen Zeit werden die ­Ruhephasen immer kürzer. Da muss man aus dem Schlaf das Optimum herausholen», sagt Matratzen-Produzent Peter Patrick Roth.

Schlaf wird zum Statussymbol

Schlafen ist einer der Megatrends unserer Zeit, stellte das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) in einer grossen Schlafstudie fest. Und erhebt viel Schlaf in den Rang eines neuen Statussymbols.

Davon profitiert der «Sleep-Industrial Complex» – wie die «New York Times» titelte. Auf diesen Zug ist nicht nur die Pharma- (siehe «Zahlen und Fakten», unten), sondern auch die Gadget-Industrie aufgesprungen. Zahlreiche Apps und andere technische Helfer sollen unser Schlaf­verhalten optimieren. Selbst wer mit einem sogenannten Straussen-Kissen in aller Öffentlichkeit ein Nickerchen macht, erntet heute nicht mehr Spott, sondern eher Bewunderung.

«Nur wer gut liegt, bleibt auch bis ins hohe Alter beweglich»

Ganz so euphorisch klingt es bei den Schweizer Matratzen-Herstellern nicht. «Der Markt in der Schweiz ist gesättigt, das Geschäft ist schwieriger geworden», sagt Roth von Roviva. Das hat mit gestiegenen Rohstoffkosten ebenso zu tun, wie mit dem Einkaufstourismus und der Konkurrenz aus dem Internet. Wer also nachts nicht schlafen kann, der nutzt die Zeit für die Onlinesuche nach der richtigen Matratze ...

Roth und Schnellmann sind sich ­einig, dass es auch im Land der Schlafzimmer-Weltmeister noch mehr Aufklärung über den hohen Wert von ausreichend und gutem Schlaf braucht. Die Branche ist gefordert!

Abhilfe verspricht da ausgerechnet ein anderer Trend unserer Zeit: die Überalterung der Gesellschaft! «Wir werden immer älter, darin steckt ein grosses Potenzial für die Betten- und Matratzen-Industrie. Nur wer gut liegt, bleibt auch bis ins hohe Alter beweglich», meint Matratzen-Produzent Schnellmann.

Die Sandmännchen der Pharma

Wer am Abend keinen Schlaf findet, kann es mit Schäfchenzählen versuchen. Wirkungsvoller gegen Schlafstörungen sind Schlafmittel. Der Pharma sei Dank – aber auch Mutter Natur. Hausmittelchen und Pflanzenextrakte sind die rezeptfreie sanfte Hilfe; Pillen und Tabletten mit der wirkungsvolleren Chemiekeule dagegen muss zwingend ein Arzt verschreiben.

Die Mittel enthalten heute meist als Wirkstoff Benzodiazepine mit angstlösenden, krampf­lösenden und schlaffördernden Eigenschaften. Bekannte Marken sind beispielsweise Seresta oder Valium. Der Arzt sollte sie nur im Notfall bei nachweisbarer Notwendigkeit und unter strenger Kontrolle einsetzen, immer nur so kurzzeitig wie möglich. Ihr grosser Nachteil: Der längere Gebrauch ist mit grossen Risiken verbunden, das Erinnerungsvermögen und die psychomotorische Koordination können gestört werden – Letzteres führt zu Sturzgefahr besonders bei älteren Menschen. Besonders gravierend: Zu häufiger Konsum macht abhängig. Nach Daten des Bundesamts für Gesundheit nehmen rund 16 0 000 Personen in der Schweiz im Alter ab 15 fast täglich benzodiazeptinartige Schlaf­mittel ein, und das länger als ein Jahr. Frauen leiden deutlich häufiger unter Schlafstörungen, nur ein Drittel sind Männer. Besonders betroffen sind Frauen über 70.

Nach Angaben der Interpharma verkaufen Ärzte und Apotheken pro Jahr rund 4,5 Millionen Packungen dieser rezeptpflichtigen Medikamente im Wert von über 40 Millionen Franken. Ein Lichtblick: Der Umsatz ist in den letzten Jahren nicht gestiegen.

Zugenommen hat dafür der Absatz von rezeptfreien Mitteln zur Behandlung von Schlafstörungen nach einer Beratung beim Apotheker. Hauptsächlich sind das pflanzliche Schlafmittel mit einem beruhigenden und schlafanregenden Effekt. Hilfreich können auch Antihistaminika sein, die bei Aller­gien angewendet werden. Sie machen schläfrig und haben ebenfalls eine beruhigende Wirkung. Fibo Deutsch

Wer am Abend keinen Schlaf findet, kann es mit Schäfchenzählen versuchen. Wirkungsvoller gegen Schlafstörungen sind Schlafmittel. Der Pharma sei Dank – aber auch Mutter Natur. Hausmittelchen und Pflanzenextrakte sind die rezeptfreie sanfte Hilfe; Pillen und Tabletten mit der wirkungsvolleren Chemiekeule dagegen muss zwingend ein Arzt verschreiben.

Die Mittel enthalten heute meist als Wirkstoff Benzodiazepine mit angstlösenden, krampf­lösenden und schlaffördernden Eigenschaften. Bekannte Marken sind beispielsweise Seresta oder Valium. Der Arzt sollte sie nur im Notfall bei nachweisbarer Notwendigkeit und unter strenger Kontrolle einsetzen, immer nur so kurzzeitig wie möglich. Ihr grosser Nachteil: Der längere Gebrauch ist mit grossen Risiken verbunden, das Erinnerungsvermögen und die psychomotorische Koordination können gestört werden – Letzteres führt zu Sturzgefahr besonders bei älteren Menschen. Besonders gravierend: Zu häufiger Konsum macht abhängig. Nach Daten des Bundesamts für Gesundheit nehmen rund 16 0 000 Personen in der Schweiz im Alter ab 15 fast täglich benzodiazeptinartige Schlaf­mittel ein, und das länger als ein Jahr. Frauen leiden deutlich häufiger unter Schlafstörungen, nur ein Drittel sind Männer. Besonders betroffen sind Frauen über 70.

Nach Angaben der Interpharma verkaufen Ärzte und Apotheken pro Jahr rund 4,5 Millionen Packungen dieser rezeptpflichtigen Medikamente im Wert von über 40 Millionen Franken. Ein Lichtblick: Der Umsatz ist in den letzten Jahren nicht gestiegen.

Zugenommen hat dafür der Absatz von rezeptfreien Mitteln zur Behandlung von Schlafstörungen nach einer Beratung beim Apotheker. Hauptsächlich sind das pflanzliche Schlafmittel mit einem beruhigenden und schlafanregenden Effekt. Hilfreich können auch Antihistaminika sein, die bei Aller­gien angewendet werden. Sie machen schläfrig und haben ebenfalls eine beruhigende Wirkung. Fibo Deutsch

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