Nicht bestellte Ware zugesendet
Paket-Trickser zocken Senioren ab

Eine Briefkastenfirma horcht Senioren aus, um ihnen unbestellte, überteuerte Ware zu senden. Das hat der «Beobachter» recherchiert.
Publiziert: 20.06.2020 um 11:03 Uhr
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Aktualisiert: 21.08.2020 um 14:12 Uhr
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Unbekannte versuchen momentan, Senioren in der Schweiz ungefragt Ware anzudrehen. (Symbolbild)
Foto: Keystone
Andrea Haefely («Beobachter»)

Der Anrufer nannte sich Silas und gab sich fürsorglich. Er sei Mitglied einer Gruppe von Physiotherapeuten, die sich um Senioren in der Schweiz kümmere, sagte er. Dann fragte er Maria Kämmerling* aus Kriens über ihre Gesundheit aus und empfahl ihr gegen ihre Schmerzen einen «naturmedizinischen» Spray. Doch die 82-Jährige war nicht interessiert: «Selbstverständlich bestellte ich nichts.»

Zwei Wochen später erhielt sie dennoch ein Päckchen. Darin fand sie zwei Sprays – und eine Rechnung über 260 Franken. Sie schickte alles zurück an den Absender: eine Firma namens Vitasana.

Dubiose Briefkastenfirma

Arthur Werner Müller kennt die dubiosen Sendungen. Er ist Inhaber einer Firma namens Vita Sana in Reinach BL und vertreibt über einen Online-Shop seit 15 Jahren Nahrungsergänzungsmittel. «Aber bei uns arbeitet weder ein Silas, noch betreiben wir Telefonmarketing. Und so einen Spray haben wir nicht im Angebot», sagt Müller. Aber immer wieder würden sich Betroffene bei ihm melden, weil sie denken, er stecke dahinter. «Ich sage dann: Schicken Sie das Zeug zurück und bezahlen Sie die Rechnung nicht.»

«Telefonbetrug!» Tatsächlich findet sich im Handelsregister eine Firma mit ähnlich lautendem Namen: Vitasana Praxis für manuelle Therapien in Gossau SG. Eine Website hat die Praxis nicht. Dafür eine Google-Rezension: «Telefonbetrug! Sie rufen ältere Menschen an, um überteuerte Produkte zu verkaufen, und sind telefonisch nicht zu erreichen. Wenn Sie die angegebene Nummer anrufen, werden Sie von einem Anrufbeantworter aufgefordert, eine E-Mail zu schreiben … Ich werde eine Beschwerde einreichen», schreibt eine Frau.

Firmennamen missbraucht

«Name missbraucht.» Betreiberin der Praxis ist Manuela Spirig. Aber auch sie hat nichts mit den Sendungen zu tun: «Jemand missbraucht meinen Firmennamen. Das kann meinem Geschäft massiv Schaden zufügen.» Spirig versuchte daher, bei der Polizei Anzeige wegen Identitätsdiebstahls zu machen. Vergebens. In der Schweiz gibt es diesen Straftatbestand gar nicht, heisst es bei der Kantonspolizei St. Gallen.

Bleibt noch der Absender auf dem Päckchen: Güterbahnhofstrasse 26 in St. Gallen. Dahinter verbirgt sich das St. Galler Logistikzentrum der Post – es handelt sich um ein Postfach. Und wer hat es gemietet? Das darf die Post aus Datenschutzgründen nicht sagen.

Arthur Werner Müllers Rat, die Pakete zurückzuschicken und die Rechnung nicht zu bezahlen, ist goldrichtig. «Es würde sogar reichen, den Absender über das fehlgeleitete Päckchen zu informieren», sagt Beobachter-Expertin Rita Périsset. Mehr brauche man nicht zu tun.

Beobachter
Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

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Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

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