«Ich könnte heulen!»
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Swiss-Retail-Präsidentin:«Die Läden sind kein Ansteckungsort»

Nicht alle Händler sind frustriert
Freude im Blumenladen, Frust im Spielwarenladen

Ein Lockdown mit einigen Ausnahmen: Entsprechend geteilt fallen die Reaktionen auf die Ladenschliessungen des Bundesrats aus. Des einen Freud, des andern Leid.
Publiziert: 13.01.2021 um 21:01 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2021 um 18:09 Uhr
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Dagmar Jenni (52) von der Swiss Retail Federation weiss: Der erneute Lockdown ist ein «schwerer Schlag» für den Detailhandel.
Foto: Swiss Retail Federation
Christian Kolbe und Franziska Scheven

Was die einen gehofft, die anderen befürchtet haben, ist eingetreten: Der Bundesrat schickt die Schweiz in einen zweiten Lockdown. Das Ziel: eine dritte Welle möglichst zu verhindern, denn diese droht wegen der raschen Ausbreitung der hochansteckenden Virus-Varianten auch in der Schweiz.

Allerdings gibt es einige Ausnahmen im Vergleich zum Frühling 2020. Der Lockdown 2.0 ist nicht mehr ganz so strikt. Dabei gibt es auch Ausnahmen, die nicht überall verstanden werden. Das gilt etwa für Blumenläden, die – so die Kritik – zwar schön, aber nicht notwendig für den täglichen Bedarf seien. Auf die entsprechende Frage an der Medienkonferenz wies der Bund auf den grossen Nachholbedarf im letzten Frühling hin.

Dem kann Paul Fleischli (53), Präsident des Floristenverbands, beipflichten: «Wir sind dankbar, dass wir weiter offen haben dürfen. Der letzte Lockdown hat gezeigt, dass Blumen eine emotionale Ware sind, bei vielen Menschen wichtig fürs Gemüt.» Zudem bleibt die private Nachfrage nach Blumen hoch. Diese kann allerdings den fehlenden Blumenschmuck für Feste und Bankette nicht ersetzen. «Die Menschen verschönern mit Blumen das Homeoffice» so Fleischli.

Papeterie und Spielwarengeschäfte hoffen bis zuletzt

Papeterien und die Spielwarenbranche dagegen zeigen sich enttäuscht. Während des letzten Lockdowns durften einige Papeterien mit einer Auswahl bestimmter Produkte offen bleiben. Obwohl schon damals kaum ein Laden diese Option wahrnahm. Bei der geringen Auswahl an «erlaubten Produkten» habe sich eine Öffnung damals nicht gelohnt, sagt der Präsident des Verbands für Schweizer Papeterien (VSP), Thomas Köhler (58).

Trotzdem fordert er diesmal wieder: «Wir erwarten, dass wir noch in die Ausnahmeliste aufgenommen werden», sagt er. Neben der Papeterie repräsentiert er auch die Spielwarenhändler in der Schweiz als deren Präsident. «Auch sind Spielwarengeschäfte vom Lockdown auszunehmen, da diese jetzt erst recht benötigte Artikel verkaufen, die die Kinder zu Hause sinnvoll beschäftigen», fordert er.

Mit dem Lockdown bestraft

Dagmar Jenni (52) vertritt als Geschäftsführerin der Swiss Retail Federation die meisten Non-Food-Läden in der Schweiz. Deren vom Bundesrat verfügte Schliessung sei für den Detailhandel «ein schwerer Schlag», schrieb der Verband. Dies werde viele Geschäfte in eine existenzbedrohende Lage manövrieren.

Der Detailhandel sei kein Ansteckungsherd. Man habe sich im «Lockdown light» anpassungsfähig, proaktiv und vorbildlich gezeigt und werde nun unverhältnismässig mit einem Lockdown bestraft.

Der Schaden durch die erneute Schliessung führe zu einem monatlichen Umsatzverlust von rund 3,2 Milliarden Franken. Deshalb fordert der Verband vom Bund umgehend eine «moderate» Fixkosten-Beteiligung.

Schutzkonzepte hätten sich bewährt

Economiesuisse geht der erneute Lockdown ebenfalls zu weit. «Die zusätzliche Schliessung vieler Läden trotz funktionierender Schutzkonzepte schafft grosse Probleme», schrieb der Wirtschaftsdachverband in einem Communiqué. Die Detailhändler würden die Schutzkonzepte seit Monaten konsequent und erfolgreich anwenden und seien nicht Grund für die Schliessungsverordnung.

Ebenfalls kritisch beurteilt Economiesuisse die verschärfte Homeoffice-Pflicht. Die betrieblichen Schutzkonzepte hätten sich weitgehend bewährt. Unterstützung gibt es dagegen für die Verschärfung der Maskenpflicht am Arbeitsplatz in Innenräumen.

Coiffeure freuen sich

Die Coiffeure dagegen dürfen während des kommenden Lockdowns offen bleiben. «Wir sind sehr zufrieden mit der Situation», sagt Damien Ojetti (55), Zentralpräsident des Verbands Schweizer Coiffeurgeschäfte. «Wir hatten seit der Wiedereröffnung im April 2020 kein einziges Problem mit Infektionen beim Coiffeur. Unser Schutzkonzept funktioniert», sagt er.

Trotzdem gibt Ojetti zu: Die Zeit bis hin zur heutigen Entscheidung war eine Zitterpartie. «Wir haben einen offenen Brief an den Bundesrat geschrieben und unsere Situation erklärt», sagt er. «Aber ob uns am Ende jemand tatsächlich zuhört, kann man ja nie wissen.»

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Schönheit ist systemrelevant

Natürlich könne die Ausnahme der Coiffeure im kommenden Lockdown den Ärger und die Eifersucht anderer Branchen auf sich ziehen, weiss Ojetti. Aber sie seien nun mal systemrelevant. «Wir sind für die Moral der Menschen zuständig», sagt er mit einem Schmunzeln. «Wenn die Leute morgens in den Spiegel schauen, sollten sie mögen, was sie sehen.»

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