Menschenrechtsverletzung bei Nestlé
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Palmöl aus Malaysia:Menschenrechtsverletzung bei Nestlé

NGO prangert Veveyer Multi an
Bezieht Nestlé Palmöl von Plantagen mit Kinderarbeit?

Nestlé verarbeitet jährlich 420'000 Tonnen Palmöl für die Herstellung von Fertiggerichten, Saucen, Glaces, Margarine und Süsswaren. Was viele nicht wissen: Der begehrte Rohstoff stammt aus einer «dreckigen Produktion».
Publiziert: 17.09.2019 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2019 um 09:27 Uhr
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Auf den untersuchten Palmölplantagen in Malyasias Region Sabah auf Borneo erhalten die Arbeiter weniger als den Mindestlohn.
Foto: Solidar Suisse
Sven Zaugg

Palmöl ist das weltweit am häufigsten verwendete Pflanzenöl und steckt unter anderem in Brotaufstrichen, Tiefkühlpizza und Schokolade. Doch Palmöl hat einen schlechten Ruf. Kommt es doch bei Anbau und Herstellung oft zu Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen.

Da das Pflanzenfett für Lebensmittelhersteller wie Nestlé ein unverzichtbarer Rohstoff bleibt, tut der Schweizer Multi alles, um seine Bemühungen für sauber hergestelltes Palmöl zu dokumentieren. Zuletzt stellte Nestlé eine Drohnenüberwachung von Plantagen in Malaysia vor.

Aus diesem Land kommt ein Drittel der Schweizer Palmöl-Importe.

Doch offenbar genügen die Efforts der Genfer nicht. Obwohl Nestlé angibt, hohe Umwelt- und Sozialstandards zu erfüllen, bezieht das Unternehmen aus der malayischen Region Sabah von Plantagen, wo Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.

Dies zeigen Recherchen der Schweizer Nichtregierungsorganisation (NGO) Solidar Suisse vor Ort, die BLICK vorliegen.

Nicht wie Menschen behandelt

Die meisten Arbeitskräfte im Nordosten der Insel Borneo sind illegale Migranten aus Indonesien – insgesamt 840'000 arbeiten in den Plantagen der Region. Auf zwei untersuchten Grossplantagen erhalten die Arbeiter weniger als den lokalen Mindestlohn. Mangels Papieren sind sie ihren Arbeitgeber recht- und schutzlos ausgeliefert. Viele Kinder helfen bei der Arbeit mit. Ohne Geburtsurkunde können sie die Schule nicht besuchen.

Obwohl sie giftige Pestizide versprühen müssen, erhalten die Arbeiter keine geeignete Schutzkleidung, geschweige denn eine Schulung, geht aus den NGO-Recherchen hervor. «Wir werden nicht als Menschen wahrgenommen – ohne Papiere sind wir komplett abhängig von den Arbeitgebern», sagt ein Arbeiter in einem Video von Solidar Suisse.

«Die in den Plantagen festgestellten Missstände sind charakteristisch für Zwangsarbeit», schreibt die NGO. Die Ausbeutung der Arbeiter ermögliche den tiefen Preis des äusserst arbeitsintensiven Produkts Palmöl.

Nestlé kennt die Menschenrechtsprobleme

Die zwei untersuchten Plantagen* (die Namen sind BLICK bekannt, dürfen aber nicht publik gemacht werden, um die Arbeiter zu schützen) liefern ihre Ernte an zwei Mühlen, die beide auf der Liste der Palmölmühlen 2018 von Nestlé aufgeführt sind.

Eigentlich hat sich Nestlé verpflichtet, dass das Palmöl bis 2020 grundsätzlich nur noch unter strengen Umwelt- und Arbeitsbedingungen produziert werden darf, und dass bis 2023 nur noch RSPO-zertifiziertes Palmöl eingekauft wird. RSPO steht für die Standards der internationalen Roundtable on Sustainable Palm Oil mit Sitz in Zürich.

Mit der Untersuchung konfrontiert, sagt ein Nestlé-Sprecher, dass der Multi Probleme wie Pass-Entnahme und Kinderarbeit vor Ort bereits angehe. Die Vorwürfe von Solidar Suisse würden untersucht. «Falls sie zutreffen, werden wir Massnahmen ergreifen», verspricht der Nestlé-Sprecher. Menschenrechtsverletzungen würden nicht toleriert.

Mangelnde Transparenz

Trotz dieser hohen Ziele hat Nestlé seine Palmöl-Lieferkette offenbar nicht im Griff. Nestlé kann nach eigenen Angaben bislang nur 54 Prozent des verwendeten Palmöls durchgehend bis zur Plantage zurückverfolgen.

Kann Nestlé also nur bei der Hälfte des Palmöls garantieren, dass dahinter keine Kinderarbeit und Ausbeutung steht?

Der Nestlé-Sprecher verweist bei dieser Frage von BLICK nochmals auf die Zahlen der Lieferkette: Vom verwendeten Palmöl könnten 91 Prozent bis auf die Mühle zurückverfolgt werden, bis zur Plantage aber nur 54 Prozent.

Die NGO, die die Plantagenarbeiter unter schwierigen Konditionen befragt hat, anerkennt zwar die Bemühungen von Nestlé für eine saubere Lieferkette. Allerdings sei Nestlés Verständnis von Transparenz problematisch, weil bei den kontrollierten 54 Prozent der Plantagen öffentlich zugängliche Informationen fehlten.

Als weltweit führender Nahrungsmittelkonzern müsse Nestlé deutliche mehr Anstrengungen unternehmen und Einfluss auf seine Handelspartner und Behörden der Provinz Sabah ausüben. Kinder- und Zwangsarbeit in der Lieferkette müssten eliminiert werden, fordert die NGO. Die Einhaltung der gesetzlichen Mindestlöhne sowie die Legalisierung der Arbeiter seien dringlich.

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