Am St. Galler Hauptsitz von Raiffeisen Schweiz pfeift seit dem Antritt von Guy Lachappelle (57) im November ein scharfer Wind. «In einer Krise muss man hierarchisch führen», rechtfertigt der neue Verwaltungsratspräsident seinen resoluten Führungsstil.
Um zu demonstrieren, wie ernst es ihm ist, hat er den Schlüssel zum grosszügigen Büro seiner Vorgänger am ersten Arbeitstag gleich zurückgegeben. Inzwischen seien dort sechs Mitarbeiter untergebracht. «Das war ein guter Tausch», betont Lachappelle an seinem ersten öffentlichen Auftritt am «Finanz und Wirtschafts»-Forum in Zürich. Der Präsident arbeitet jetzt im Grossraumbüro.
Es herrscht Nulltoleranz
Er lässt keinen Zweifel daran, dass er mit der alten Firmenkultur radikal brechen will, die unter Ex-Chef Pierin Vincenz (62) bodenlose Zukäufe zuliess und die Macht der Zentrale ausbaute. In einer Krise gehörten die Machtsymbole der Vergangenheit entfernt, sagt Lachappelle bestimmt. «In den ersten zwei Jahren ist man mit einer Nulltoleranz unterwegs.» Da liege nichts drin. Mit Machtinsignien wie Autos und Chauffeuren soll der neue Code of Conduct aufräumen.
In der Firmenzentrale in St. Gallen, wo sich über die letzten Jahre gemäss bösen Zungen ein Wasserkopf bildete, lässt der Neue keinen Stein auf dem anderen. Seinem neuen Chef Heinz Huber (54), der am 7. Januar antrat, liess Lachappelle zehn Tage, dann wollte er Nägel mit Köpfen. Das neue Führungsduo habe sich mit einer Liste notwendiger Änderungen konfrontiert.
Sie seien sich einig gewesen, wo der Hebel anzusetzen sei und dass die Zentrale und nicht die 246 genossenschaftlichen Raiffeisenbanken das Hauptproblem sei. Die Folge: Bereits am 22. Januar wurden drei Geschäftsleiter aus der Ära Vincenz und der Generalsekretär per sofort ausgewechselt.
Aufräumen und reduzieren
Dazwischen waren Lachappelle und Huber am Lauberhorn in Wengen BE zusammen auf der Piste – Raiffeisen ist einer der Hauptsponsoren des Skirennens. «Huber habe ich als bodenständigen Macher erlebt», freut sich Lachappelle. Der Basler, der bereits in seiner letzten Funktion als Chef der Basler Kantonalbank ein Unternehmen in der Krise führte, hält Huber offenbar für den richtigen Mann bei der bevorstehenden Aufräumaktion.
Nicht nur plant Lachappelle, die Corporate Governance zu überholen, sondern auch diverse Beteiligungen der letzten Jahre zu durchleuchten und allenfalls zu reduzieren. Von der Zentrale will er, dass sie nur noch neue Geschäfte tätigt, wenn diese den Genossenschaften nützen und nicht wie zuvor nur der Zentrale. Eine Alleinherrschaft des Geschäftsleiters soll künftig unmöglich sein.