Kaum vorstellbar: die Schweizerische Nationalbank ohne Thomas Jordan (61). Doch bald ist Schluss. Ab Oktober heisst der neue Präsident Martin Schlegel (47).
Mit der Ernennung des Zürchers setzt der Bundesrat auf maximale Kontinuität. Schlegel arbeitet seit 2003 als Währungshüter, zuletzt als Vizepräsident des Direktoriums.
Nach SNB-Massstäben ist diese Treue jedoch nichts Aussergewöhnliches. Im siebenköpfigen Führungsgremium, das sich aus den drei Mitgliedern des Direktoriums sowie ihren vier Stellvertreterinnen und Stellvertretern zusammensetzt, ist Schlegel nicht der Dienstälteste.
Viele Alteingesessene, zwei Neulinge
Attilio Zanetti (55) stiess vor 30 Jahren zur SNB, Thomas Moser (57) vor 25 Jahren, Sébastien Kraenzlin (45) vor 17 Jahren. Alle sind stellvertretende Mitglieder des Direktoriums.
15 Jahren SNB-Erfahrung hat Petra Tschudin (48), die ab Oktober, nach Jordans Abgang, zum dreiköpfigen Führungsgremium gehören wird. Zusammen kommen die genannten Topkader auf 108 Jahre bei der Nationalbank – ohne Langzeit-Chef Jordan, der nach 27 Jahren ausscheidet.
Da scheint es auch zwei Neulinge zu vertragen: Der designierte Vizepräsident Antoine Martin (54) ist erst seit Januar an Bord, Rosmarie Schlup (47) wird im September neu zur Organisation stossen, als zusätzliche Stellvertreterin in Schlegels Departement I.
Ex-Vize findet «normale» Banker überflüssig
«Die neue Führung der SNB kann enorm viel Erfahrung vorweisen – auch bei der Breite des Tätigkeitsgebiets», sagt Jean-Pierre Danthine (74), von 2010 bis 2015 Direktoriumsmitglied der Nationalbank.
Schlegel zum Beispiel habe den Devisenhandel verantwortet und danach Auslandserfahrung in Singapur gesammelt. In den vergangenen Jahren fokussierte er sich auf volkswirtschaftliche Aspekte der Geldpolitik sowie die Finanzstabilität.
Der neue Vizepräsident Antoine Martin habe lange bei der Zentralbank Fed in den USA gearbeitet. Petra Tschudin wiederum, die neue Nummer drei, sei makroökonomisch top. «Diese Mischung stimmt», ist Danthine überzeugt.
Dass niemand im Direktorium sitzt, der lange bei einer internationalen Grossbank gearbeitet hat, sieht Danthine – im Gegensatz zu anderen Ökonomen – nicht als Problem: «Die Anforderungen an Notenbanker sind völlig anders als jene im Privatsektor. Hier arbeitet man viel stärker mit ökonomischen Modellen, was für normale Banker fast Neuland wäre.»
In den USA sei es üblich, dass zwischen Fed und privater Finanzindustrie hin- und hergewechselt werde. In Europa, insbesondere in der Schweiz, habe das weniger Tradition. «Es ist aber auch nicht so, dass sich das Personal von Schweizer Grossbanken um SNB-Jobs reissen würde – was wohl auch damit zusammenhängt, dass die Toplöhne bei den Grossbanken deutlich höher sind.»
Hoffnung auf mehr Offenheit
Vom neuen Präsidenten hält Danthine viel, nicht nur fachlich: «Ich habe Martin Schlegel als offene, neugierige Person kennengelernt. Er wird als Nationalbankpräsident seinen eigenen Stil finden.»
Danthine würde es nicht überraschen, wenn Schlegel die SNB etwas offener machen würde, zum Beispiel bezüglich Kommunikation. «In den vergangenen Jahren war die Institution sehr verschlossen. Meines Erachtens würde es nicht schaden, der Öffentlichkeit etwas mehr Einblick zu gewähren.»
Der ehemalige Notenbanker ist überzeugt: Dadurch könnte die Bevölkerung noch besser sehen, dass bei der SNB Menschen arbeiteten, die das Beste wollen für das Land.