Neuausrichtung im Skigebiet Andermatt
Die Ära der One-Man-Show von Samih Sawiris ist vorbei

Der Andermatt-Investor übergibt an den Nachwuchs: Sohn Naguib Sawiris sorgt für eine Neuausrichtung des Familienimperiums Andermatt Swiss Alps.
Publiziert: 09.02.2025 um 15:45 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2025 um 19:47 Uhr
Stabübergabe: Beim Immobilienentwickler Orascom hat Naguib Sawiris (vorne) als Präsident bereits das Sagen. Auch in Andermatt gibt der Sohn von Samih Sawiris zunehmend den Ton an.
Foto: Gian-Marco Castelberg für BILANZ

Auf einen Blick

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Erich Bürgler
Bilanz

Wenn Samih und Naguib Sawiris in Andermatt unterwegs sind, bleibt das nicht lange unbemerkt. Eine Gruppe von Urnerinnen und Urnern entdeckt die beiden, als sie durch die kürzlich eröffnete Einkaufsmeile Furkagasse schlendern. Eine Frau bittet um Fotos. «Schau, das ist der Sohn», sagt sie, während sie zwischen der Prominenz für die Smartphone-Kamera posiert.

Samih Sawiris hat noch den höheren Bekanntheitsgrad als sein Sohn Naguib. Das ist dem 33-Jährigen recht so. Bilder gab es bislang nur wenige von ihm. Doch im Imperium, das sein Vater gegründet hat, lenkt der Sohn immer mehr die Richtung – auch in Andermatt. Bei Orascom Development hat Naguib seit 2022 als Präsident des Verwaltungsrats das Sagen. «Es war wichtig, dass ich meine Orascom-Aktien an Naguib übergebe, damit klar ist, wer für das Unternehmen verantwortlich ist», sagt Samih. Die Gesellschaft, die in Ländern wie Ägypten, Oman und Montenegro Resorts oder ganze Ferienorte entwickelt hat, ist mit einem Anteil von 49 Prozent auch Grossinvestor von Andermatt Swiss Alps (ASA). Die Mehrheit von ASA, die im Urner Dorf Hotels betreibt und Luxusimmobilien verkauft, gehört weiterhin Samih Sawiris. Doch der Sohn gibt auch in diesem Bereich verstärkt den Ton an und übernimmt Verantwortung.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

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Dieser Tage wurde Samih 68 Jahre alt. Auf eine grosse Feier hat er keine Lust. «Es gibt keinen Grund, die Leute daran zu erinnern, dass ich bald 70 bin», sagt der Ägypter, der perfekt Deutsch spricht, trocken. «Ich führe ja auch nicht das Leben eines 68-Jährigen.» 

Keine Angst vor den Urnern: Noch ist Samih Sawiris (l.) in Andermatt prominenter als sein Sohn Naguib Sawiris.
Foto: Gian-Marco Castelberg für BILANZ

Derzeit brennt er vor allem für das jüngste Vorhaben «The Alpinist». Es ist nach dem «Chedi» und dem «Radisson Blu» das dritte Hotel der Sawiris. 66 Zimmer und 164 Wohnungen entstehen im Fünfsternhaus. Naguib ist eng in das Projekt eingebunden. Anfangs waren sich Vater und Sohn bei wichtigen Fragen uneinig. «Ich war der Meinung, dass wir das Projekt finanziell allein stemmen sollten. Samih wollte ursprünglich Dritte daran beteiligen, um das Risiko zu teilen», sagt Naguib. Der Junior setzte sich durch. «Wir machen es nun allein, weil Naguib sagte, er übernehme die Verantwortung. Das passt so», kommentiert Samih. Der Sohn sieht sich bestätigt: «Die Nachfrage für den Kauf von Apartments im ‹The Alpinist› entwickelt sich sehr erfreulich.»

Naguib wohnt in Andermatt

Sein Vater zeigt sich selbst überrascht darüber, wie wenig Reibung die Zusammenarbeit der beiden verursacht. «Ich habe eigentlich gedacht, wir würden mehr Auseinandersetzungen haben», so Samih. Warum? «Ich bin nicht sehr gut organisiert, und ich kümmere mich nicht um Details, die mich nicht interessieren.» Dafür könne er lange über die Farbe einer Fassade diskutieren. «Naguib hält das eher für eine Zeitverschwendung. Er konzentriert sich mehr auf Zahlen und Excel-Sheets. Das war nie mein Ding.»

Naguib Sawiris studierte an der kalifornischen Universität Stanford Wirtschaftsingenieurwesen und gründete nebenbei ein im Bildungssektor aktives Start-up. Ausserdem sitzt er im Verwaltungsrat des Partnervermittlers Tawkify und ist Mitgründer des Investmentfirma Anchor. Im Urner Skigebiet kennen ihn die Verantwortlichen bereits bestens. Personen aus Andermatt bezeichnen ihn als «smarten und kompetenten Typ», der immer für einen Schwatz zu haben sei. «Er ist sehr zugänglich und kommt mit seiner offenen Art wie ein typischer Amerikaner rüber», sagt eine Stimme. Dabei gefällt es Naguib im Urserental besser als in Kalifornien. «Die Leute in Andermatt sind authentisch. Das schätze ich sehr. In Kalifornien war dagegen vieles fake», sagt er. Naguib ist viel auf Reisen und verbringt rund fünf Monate im Jahr in Uri – sein Ziel ist es, dass es mindestens sieben Monate werden. Er sieht Andermatt nicht nur als Zwischenstation. Im Gegensatz zu seinem Vater, der sein Domizil im Oman hat, ist Naguib in Uri gemeldet. «Ich habe meinen Wohnsitz in Andermatt und zahle auch meine Steuern hier. Ich könnte mir vorstellen, hier alt zu werden.»

Neue Angebote in Andermatt für eine jüngere Kundschaft tragen seine Handschrift. Mitte April wird das High Peak Festival Premiere feiern. Bekannte Namen aus der Hip-Hop-, Rap- und Reggae-Szene wie Busta Rhymes, Eve und Timbaland werden dann auf der Bühne in der Nähe des Bahnhofs am zweitägigen Event auftreten. Hauptpartner ist Andermatt Swiss Alps. Im Dezember fand zum wiederholten Mal das Technofestival Verve statt, das jeweils 4000 Besucherinnen und Besucher in die Urner Alpen lockt. Für die Sommersaison gibt es neu Padel-Tennis-Plätze, ein Beachvolleyballfeld und einen Kletterfelsen. Naguib will nicht den Eindruck erwecken, dass die Neuerungen nur von ihm stammen. «Wir haben Leute eingestellt, die frische Ideen vorantreiben», sagt er und ergänzt: «Ich bin gegenüber neuen Angeboten für jüngere Gäste wohl etwas aufgeschlossener als mein Vater.»

Neue Angebote für Junge: Naguib Sawiris sorgt dafür, dass Andermatt auch für junge Gäste attraktiv wird. Im April findet erstmals ein Hip-Hop-Festival im Bergdorf statt.
Foto: PR

Zuletzt beschäftigte ihn als Orascom-Development-Präsident auch weniger Erfreuliches: die Dekotierung der Gesellschaft, die seit 2020 operativ von CEO Omar El Hamamsy geleitet wird. Für Anlegerinnen und Anleger, die beim Börsengang im Jahr 2008 zugelangt hatten, war der Kursverlauf ein Debakel. Die Orascom-Aktien kamen seinerzeit zu 152 Franken an die Börse und gerieten kurz danach wie andere Immobilientitel in den Strudel der Finanzkrise. Noch im selben Jahr sackten sie auf 30 Franken ab. Nach einem kurzen Aufbäumen ein Jahr später kannte der Kurs seither vor allem eine Richtung – nach unten. Die Research-Abteilung der Zürcher Kantonalbank führt dies zuletzt vor allem auf das Umfeld im Hauptmarkt Ägypten zurück, mit Problemen wie hoher Inflation und geopolitischen sowie wirtschaftlichen Unsicherheiten. Das Mitte Dezember publizierte Angebot der Sawiris-Familienholding für die Minderheitsaktionäre liegt bei 5.60 Franken. Das Beratungsunternehmen IFBC kommt in seiner Analyse auf einen fairen Wert der Aktie von 3.76 bis 5.26 Franken. Das Kaufangebot entspreche einer Prämie von 40,7 Prozent zum Durchschnittskurs des Handels in den 60 Tagen vor Veröffentlichung der Offerte, so Orascom. Für langjährige Investoren bleibt das ein schwacher Trost.

Börsenflop Orascom

Es gab Stimmen, die sagten, der Angebotspreis sei zu niedrig. Naguib Sawiris zeigt Verständnis für die Frustration der Aktionäre, verweist aber auf die Bewertung am Markt. «Obwohl wir die Landreserven über all die Jahre immer transparent offenlegten, haben die Analysten, die unsere Aktien immer wieder herabstuften, und der Kapitalmarkt deren Wert nicht anerkannt», sagt er. Wer möchte, könne Aktionär bleiben. «Wir beabsichtigen derzeit nicht, einen Squeeze-out durchzuführen, es sei denn, es wird eine Beteiligung von über 98 Prozent erreicht.» Die Kritik an der Dekotierung ist für ihn weniger nachvollziehbar. Der breite Markt habe bei jeder Gelegenheit signalisiert, dass Orascom nicht mehr lohnenswert sei. «Dass sich an unserer Kapitalerhöhung vom Frühling 2023 weniger als fünf Prozent der öffentlichen Aktionäre beteiligten, zeigte das Desinteresse des Marktes.»

Die Beziehung zwischen den Finanzexperten der Banken und den Sawiris war nie eine innige. «Analysten haben mir wiederholt geraten, mehr Leverage zu schaffen. Wir sollten unsere Hotels verkaufen, zurückleasen und das so gewonnene Geld investieren», erzählt Samih Sawiris. Das bringe zwar kurzfristig Geld. «Aber für langfristig ausgerichtete Immobilienprojekte wie unsere birgt das grosse Risiken. Bei einer Krise sind auf diese Art finanzierte Immobilienunternehmen schnell in ihrer Existenz gefährdet, und Krisen gibt es alle paar Jahre.» Deshalb hat der Unternehmer stets darauf verzichtet.

Schadenfreude gewohnt

Langfristig denken Vater und Sohn Sawiris auch mit der Furkagasse im Dorfteil Andermatt-Reuss, wo das Hotel Radisson Blu steht. Dass die Besucherzahlen der neu eröffneten Shops und Restaurants bislang eher tief sind, räumen die beiden offen ein. «Natürlich sind die Frequenzen noch nicht sehr hoch. Das ist aber auch völlig normal. Der Erfolg braucht Zeit, und die geben wir den Betreibern», sagt Samih. Zum Angebot gehören ein Pop-up-Store des Sportmodeanbieters Kjus und das Restaurant Igniv des bekannten Schweizer Sternekochs Andreas Caminada. «Wir unterstützen die Ladenbetreiber und Restaurants und übernehmen einen Teil ihrer Kosten. Ausserdem halten wir die Mieten niedrig», sagt Naguib. «Wir sorgen dafür, dass die guten Geschäfte und Restaurants überleben, bis die Besucherzahlen steigen.» Das hat sein Vater schon bei der von ihm erschaffenen ägyptischen Ferienstadt El Gouna so gemacht. Ladenbetreiber, die er anfangs unterstützen musste, bezahlen heute Topmieten.

Während sich der Sohn über erste negative Schlagzeilen zur Furkagasse wundert, zeigt sich der Senior gelassen. «Es ist immer das gleiche Muster: In jedem Land, in dem ich tätig bin, und bei jedem Projekt, das ich umgesetzt habe, gibt es immer einige, die nur darauf warten, dass ich scheitere.» Er erklärt bei dieser Gelegenheit seinem Sohn auch gleich das deutsche Sprichwort: Schadenfreude ist die schönste Freude.

Samih Sawiris ist in Andermatt dafür bekannt, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Exemplarisch zeigte er seine Beharrlichkeit, als es darum ging, die Bahnfahrt zwischen Andermatt und Disentis etwas geselliger zu gestalten. Seine Idee: Ein Zugabteil soll mit einer Bar ausgestattet werden und sich so in einen Après-Ski-Wagon verwandeln. Unmöglich, dass die Bahnbetreiber mitmachen, und sowieso sei das zu teuer, waren die ersten Reaktionen. «Ein Nein als Antwort habe ich noch nie akzeptiert», sagt er und zeigt auf seinem Smartphone stolz ein Video feiernder Skisportler im fahrenden Zug.

Heute fahren die Gäste im Winter weniger mit dem Zug. Seit der Saison 2018/19 sind Andermatt, der Oberalppass und Dieni bei Sedrun durchgehend mit Liften und Abfahrten zu einem Wintersportgebiet verbunden. 2022 übernahm der US-Konzern Vail Resorts unter CEO Kirsten Lynch die Mehrheit am Skigebiet Andermatt-Sedrun von den Sawiris. Auch Crans-Montana gehört mittlerweile den Amerikanern, die weltweit über 40 Resorts, darunter Beaver Creek im US-Bundesstaat Colorado und Whistler in Kanada, besitzen.

Hohe Investitionen: Der US-Konzern Vail Resorts übernahm die Mehrheit am Skigebiet Andermatt-Sedrun und verpflichtete sich, 110 Millionen Franken für die Verbesserung der Infrastruktur einzusetzen.
Foto: Gian-Marco Castelberg für BILANZ

Die Sawiris sind froh über den Deal. «Ein Skigebiet zu betreiben, gehört nicht zu unserer Kernkompetenz», sagt Naguib. Sein Vater formuliert es weniger diplomatisch: «Wir hatten ehrlich gesagt überhaupt keine Erfahrungen damit.» Er habe seinerzeit die Skianlagen kaufen müssen, um den Ausbau des Gebiets voranzutreiben. Der Plan sei aber immer gewesen, einen Käufer und Betreiber zu finden. Die Verhandlungen mit Vail führte Naguib. «Sie dauerten ein Jahr lang. Ich hätte die Geduld dazu nicht gehabt», sagt Samih. Im Heimmarkt ist der Konzern allerdings umstritten. «Wie Vail Resorts der mächtigste – und am meisten gehasste – Name im Skisport wurde», titelte jüngst die US-Plattform «Business Insider». Für Unbehagen sorgen demnach der Übernahmehunger des Konzerns in den USA und die bis zu 300 Dollar teuren Tagespässe.

Mehr Gäste aus den USA

Andermatt Swiss Alps bleibt mit 40 Prozent am Skigebiet, das sich von Uri bis Graubünden erstreckt, beteiligt. Laut Naguib hätte er finanziell mehr herausholen können. «Wir haben ein besseres Kaufangebot als das von Vail ausgeschlagen. Der Bieter wollte 100 Prozent übernehmen, aber es war unklar, ob er in das Skigebiet investieren würde.» Als Teil des Deals verpflichtete sich Vail, 110 Millionen Franken für die Verbesserung von Beschneiungsanlagen, Gastronomie und Infrastruktur im Schneesportgebiet einzusetzen.

Dank Vail kommen auch mehr US-Gäste ins Urserental. Mit dem Epic-Pass haben sie Zugang zu allen Skigebieten des Betreibers. Für Reisende von der US-Ostküste sind die Kosten eines Flugs in die Schweiz mit Übernachtungen oft niedriger als für Skiferien im eigenen Land. Zusätzliche Besucher kann der Wintersportort gut gebrauchen. So liegt Andermatt-Sedrun laut einer Statistik von Seilbahnen Schweiz mit 418'000 Skitagen pro Saison unter den Schweizer Gebieten lediglich auf Rang 18. Spitzenreiter Zermatt verzeichnet mehr als dreimal so viele Wintersportgäste.

Für einen stetig steigenden Besucherstrom sorgen die Sawiris mit ihren Immobilienprojekten. Neben «The Alpinist», das 2027 den Betrieb aufnehmen soll, sind danach drei weitere Hotels in Andermatt vorgesehen. Auf der Graubündner Seite in Sedrun-Dieni soll zudem bis 2027 ein neuer Dorfteil mit 13 Gebäuden mit insgesamt 1800 Betten entstehen.

Neue Methoden: Es sei an der Zeit, sich von alten Arbeitsweisen zu lösen, sagt Samih. Naguib bringt mehr Struktur ins Business und setzt dabei auf moderne Managementmethoden.
Foto: Gian-Marco Castelberg für BILANZ

Samih Sawiris hat das Potenzial der Region bei einem Besuch vor rund 20 Jahren erkannt, als er im Helikopter über das Urserental flog. Heute akzeptiert er, dass sein Sohn die Businessaktivitäten anders handhabt, als er es während Jahrzehnten gemacht hat. So hatten die Geschäftsleiter seiner Firmen unter Samih wenig Freiheiten. «Die CEOs mussten unter meiner Führung nahezu täglich an mich berichten», erzählt er. «Ich war eine One-Man-Show.» Mit dem Wachstum veränderten sich die Anforderungen. «Es ist an der Zeit, sich von alten Arbeitsweisen zu lösen. Naguib bringt mehr Struktur rein und setzt auf moderne Managementmethoden.» Naguib sind diese Veränderungen wichtig. «Die Geschäftsleitung trägt nun auch bei Andermatt Swiss Alps mehr Verantwortung und berichtet nicht über jedes Detail.» Er vertraue dem Management. «Wäre das nicht der Fall, hätten wir die falschen Leute eingestellt.»

Wo sich Naguib raushält

Bei laufenden Projekten wie «The Alpinist» gibt es Aufgabenbereiche, die zwischen Vater und Sohn klar definiert sind: «Wenn es um die Inneneinrichtung und die Wahl des Architekten geht, mische ich mich nicht ein», sagt Naguib. Für die Häuser der Furkagasse beauftragte Samih verschiedene Architekten. Eine Planung aus einer Hand wäre kostengünstiger gewesen. Doch dem Patron sind Klonhäuser in Retortenstädten ein Greuel.

Kein Einheitsbrei: Die Häuser in Andermatt-Reuss stammen von verschiedenen Architekten, um den Eindruck eines geklonten Retortenorts zu vermeiden.
Foto: Gian-Marco Castelberg für BILANZ

Ein langes Hin und Her bei der Entscheidungsfindung ist grundsätzlich nicht Samih Sawiris’ Ding. «Wenn man seinem Bauchgefühl folgt, liegt man vielleicht zu etwa 60 Prozent richtig, und man fällt Entscheide schneller. Wenn man überlegt und überlegt und noch mal überlegt, kommt man vielleicht auf 75 Prozent, aber verliert viel Zeit.» Naguib dagegen legt auch Wert auf eine gründliche Analyse, etwa wenn es um die Preisgestaltung bei Immobilienverkäufen geht, wie er sagt. Die unterschiedlichen Ansätze sind nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen. «Mein Vater verliert schnell die Geduld. Wenn wir über geschäftliche Themen sprechen, zeigt er nach einer gewissen Zeit erste Anzeichen von Unruhe. Dafür kann er dann eine Stunde am Klavier üben.» Der 68-Jährige hat nicht nur Geschäftliches im Sinn. Vor acht Jahren begann er mit Klavierunterricht. Sechs Jahre lang übte er jeden Tag, mit dem Ziel, gemeinsam mit dem Swiss Orchestra ein Konzert zu geben. Kurz vor seinem 66. Geburtstag erfüllte er sich diesen Wunsch – in seinem Radisson-Hotel, wo sich auch ein moderner Konzertsaal befindet. Im Moment liegt sein Fokus auf etwas anderem. «Derzeit lerne ich Griechisch. Ich nehme jeden Tag Lektionen.» Er sei eben kein Workaholic. «Ich habe eine sehr gute Work-Life-Balance.»

Unterschiedliche Ansätze: Der Sohn setzt auf gründliche Analysen. Der Vater entscheidet mehr aus dem Bauch heraus.
Foto: Gian-Marco Castelberg für BILANZ

Das war schon früher so, zum Ärger seines mittlerweile verstorbenen Vaters Onsi Sawiris. «Mein Vater fand, ich nähme alles etwas zu locker. Wenn ich um 10.30 Uhr im Büro nicht erreichbar war, regte er sich auf.» Es war eine formelle und respektvolle Beziehung. «Ich habe meinen Vater stets mit dem Nachnamen angesprochen.» Das ist im Heimatland der Sawiris heute noch üblich. «In Ägypten finden es die Menschen nach wie vor ungewohnt, dass ich meinen Vater mit Samih anspreche», sagt Naguib. Wenn es um das Thema Arbeitsmoral geht, sind die Rollen zwischen Vater und Sohn heute umgekehrt verteilt. Samih schaut auf die langen Tage seines Sohnes mit leichtem Unbehagen. «Naguib arbeitet vermutlich zehn bis zwölf Stunden am Tag. Zumindest habe ich es geschafft, dass er sich ein wenig Gedanken darüber macht. Weniger zu arbeiten, bedeutet nicht, dass man faul ist.» Naguib winkt ab. Er finde im Winter fast jeden Tag Zeit zum Skifahren.

Die Brüder sind reicher

Samih Sawiris, der neben Naguib vier Töchter aus zwei Ehen hat, ist ein Familienmensch. Er sieht seine beiden Brüder – beides Multimilliardäre – so oft wie möglich. In den Sommerferien trifft man sich jeweils mit allen Kindern und Enkeln. Er scherzt mitunter, dass er der ärmste unter den Geschwistern sei. «Ich weiss wirklich nicht genau, wie gross mein Vermögen ist – es ist mir auch nicht wichtig», sagt er, darauf angesprochen. «Entscheidend ist, dass ich mir ein gutes Leben leisten kann.» Zu seinem Lifestyle gehören eine Yacht und ein Privatflugzeug.

Fragen über die Profitabilität der Aktivitäten in Andermatt langweilen ihn denn auch eher. Der Sohn springt zu diesem Thema ein. Verdient man mit dem Luxushotel Chedi Geld? «Es ist nicht so wichtig, ob das ‹Chedi› für sich allein profitabel ist. Aber dank dem ‹Chedi› steigt der Wert der Immobilien, die wir verkaufen», so Naguib. Andermatt Swiss Alps wies 2023 erstmals seit der Gründung im Jahr 2007 einen Gewinn aus dem ordentlichen Geschäft von 1,3 Millionen Franken aus. 60 Wohnungen wurden verkauft. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis stieg auf 19'000 Franken von 17'000 im Jahr 2022. CEO der Gesellschaft ist der 45-jährige Raphael Krucker. Das Unternehmen profitiert davon, dass das Resort bereits vor der Zweitwohnungsinitiative bewilligt wurde und von Einschränkungen ausgenommen ist. Mit dem Erfolg kommen aber auch Probleme, wie sie andere Skigebiete längst haben. Der Wohnraum für das Personal im Bergdorf wird knapp. 511 Vollzeitstellen generiert allein die ASA mittlerweile im Jahresdurchschnitt. Der positive Trend im operativen Geschäft hält sich laut Naguib Sawiris. «Andermatt Swiss Alps konnte den Gewinn im vergangenen Jahr steigern.»

Seinen Vater interessieren solche Kennzahlen weniger. «Ich habe genug Geld verdient, und ich habe es genossen. Jetzt geht es mir mehr um die Freude an den Projekten.» Dazu zählt sein eigenes Vorhaben ausserhalb von Andermatt. In Isleten am Urnersee will Samih Sawiris auf dem erworbenen Gelände einer alten Sprengstofffabrik ein Hotel mit Bootshafen bauen. Dabei stiess er auf Widerstand. Den ursprünglichen Plan korrigierte der Unternehmer deshalb und redimensionierte das Projekt auf der Halbinsel. Es soll ein Resort auf 37'000 statt 55'000 Quadratmetern entstehen, das öffentlich zugänglich ist. Es bleibt Platz für 50 Hotelzimmer sowie Apartments und Bungalows. Auch die reduzierte Version kam nicht überall gut an. Eine Volksinitiative der Grünen Uri versuchte es zu verhindern – und erlitt Schiffbruch. Über 66 Prozent stimmten im November dagegen. In Andermatt, wo man Sawiris am besten kennt, sagten sogar über 74 Prozent Nein. «Ich habe mich gefreut über das sehr klare Abstimmungsergebnis», kommentiert Sawiris.

Damit ist der Weg für einen Baustart aber längst noch nicht frei. Das Bewilligungsverfahren befindet sich in der Anfangsphase und muss noch verschiedene Prozesse durchlaufen. Zudem befindet sich das Gelände auf einem geschützten Gebiet. Deshalb redet die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission mit. Samih Sawiris zeigt sich zuversichtlich. «Die Chancen, dass ich das Projekt wie vorgesehen mit einem Hotel und einem Bootshafen realisieren kann, schätze ich auf deutlich über 50 Prozent.» Einen Bootshafen, den Sawiris als Herzstück des Vorhabens bezeichnete, gebe es bereits auf dem Gelände. Man wolle ihn lediglich ins Innere versetzen. «Ich will die schönste Marina der Schweiz bauen mit einem Restaurant, sodass auch die Bevölkerung etwas davon hat.» Laut Sawiris dürften bis dahin aber noch Jahre verstreichen.

Dabei bevorzugt er ja eigentlich rasche Entscheidungen. Er hat sich nach 20 Jahren Erfahrung in Uri daran gewöhnt, dass in der Schweiz vieles etwas länger dauert. «Ich musste lernen, dass man die Schweizer nicht drängen darf. Es gilt als unseriös, Entscheide rasch zu fällen.» Dafür habe man als Investor grösstmögliche Planungssicherheit. Seine Ungeduld zeigt sich dann aber, als wir beim Treffen in Andermatt vor dem Hotel Chedi ein paar Minuten auf einen Wagen warten müssen, der uns nach Andermatt-Reuss fahren soll. Das dauert ihm zu lange. Bei Immobilienprojekten hat er dagegen längst einen langen Atem bewiesen. So wollen er und sein Sohn den alten und den neuen Dorfteil im Projekt «Andermatt-Mitte» verbinden. Auch dort werden noch Jahre vergehen, bis ein Baustart möglich wird. «Diese Art von Geduld habe ich», sagt er. Und Naguib sorgt dafür, dass neben dem Bauchgefühl seines Vaters eine eingehende Analyse inklusive Excel-Sheets bei Entscheidungen den Ausschlag geben.

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