Nestlé-Guetzli statt Pillen
Dieses Essen spart den Gang zum Arzt

Joghurt gegen Alzheimer und Kiwi-Kaugummi für Nierenkranke? Was wie ein Traum klingt, wird bald Wirklichkeit: Lebensmittelgigant Nestlé will unser Essen revolutionieren - mit Gentechnik und chinesischer Weisheit.
Publiziert: 18.06.2015 um 10:24 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:51 Uhr
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Mit Joghurt gegen Alzheimer? Nestlé glaubt daran.
Foto: Keystone

Seit drei Jahren forschen 150 Wissenschaftler aus 20 Nationen am Nestlé Institute of Health Sciences auf dem Campus der ETH Lausanne. Ihr Ziel: Die grossen Plagen der westlichen Welt ausrotten! Demenz, Diabetes, Fettleibigkeit und Darmentzündungen etwa.

Aber die Forscher setzen nicht auf herkömmliche Arzneimittel. Zumindest nicht nur, denn Nestlé hat die uralte Devise für sich entdeckt «Eure Nahrung sei Eure Medizin.» Mit anderen Worten: In Lausanne werden therapeutische Lebensmittel entwickelt - mit der Expertise von insgesamt 3000 Nestlé-Mitarbeitern auf der ganzen Welt, wie Health Sciences-Chef Greg Behar erläutert.

Ein Guetzli gegen Zucker

Ein Joghurt, das den Ausbruch von Alzheimer verzögert, zum Beispiel. Oder ein Guetzli, das die Zuckerkrankheit verhindert. Aber nicht irgendwie, die Leckerbissen sollen der individuellen genetischen Disposition des Einzelnen angepasst werden. Bei Babys zum Beispiel, die aufgrund ihrer Veranlagung keine Proteine verarbeiten können.

Das ist nicht einfach. Darum gibt es auch noch kein Alzi-Ghurt und keine anderen «alicaments», wie diese neuen Lebensmittel genannt werden. Experten gehen allerdings davon aus, dass der Markt womöglich in 20 oder 30 Jahren 150 Milliarden Dollar gross sein wird, schreibt die «Handelszeitung». Und dass er schon in den nächsten Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten auftrumpfen kann.

Ein Anfang mit mehreren 100 Millionen Franken

Behars Vision: Eine neue Industrie, die Lebensmittelproduktion und Medizintechnik vereint. Die Industrie für die Ernährung des 21. Jahrhunderts. Denn unsere Gesellschaft wird immer älter - und der Lebensstil vieler Menschen wohl auch in Zukunft weit vom Ideal entfernt bleiben. Gleichzeitig lassen sich die molekularen Grundlagen von Krankheiten und Stoffwechselstörungen immer besser erforschen.

Nestlé fördert seinen Anteil daran laut «Handelszeitung» in der ersten Phase mit «mehreren 100 Millionen Franken». Zu den Vorbereitungen des Konzerns gehört vor allem die Übernahme von Pionier-Unternehmen. Bereits 2011, im Jahr der Gründung von Nestlé Health Sciences, wurden die Londoner CM&D Pharma und die neuseeländischen Vital Foods ins Boot geholt. Die haben schon einen Kaugummi, der den Phosphatspiegel im Blut von Nierenkranken senkt - dank einer Kiwi-Substanz.

Von Magen-Darm bis Alzheimer

Im Februar dieses Jahres erfolgte der Einstieg bei der amerikanischen Seres Therapeutics. 65 Millionen Dollar war Nestlé das wert. «Die Investition passt zu unserer Strategie», sagte Behar. Seres Therapeutics sei führend in der Entwicklung von Therapien auf Basis von Mikroorganismen, etwa bei der Behandlung von Entzündungen im Darmtrakt, die im Zusammenhang mit Antibiotika-Einsätzen auftreten.

Weitere Schlüssel-Einkäufe, Beteiligungen und Partnerschaften werden auf der Homepage von Nestlé Health Science vorgestellt. Derzeit sind dort das britische Unternehmen Vitaflo (Schwerpunkt Stoffwechselstörungen) und die US-Firmen Prometheus (Magen-Darm-Störungen), Pamlab (u.a. psychische Erkrankungen) und Accera (Alzheimer) aufgeführt.

50'000 Extrakte von mehr als 1200 Pflanzen

Ein Joint Venture klingt besonders spannend. Gemeinsam mit Chi-Med wurde das Joint Venture Nutrition Science Partners gegründet. Nestlé verspricht sich dadurch mehr Know-How zu Lebensmitteln und Medizin, die aus «botanischen Pflanzen» hergestellt sind - und Zugang zu mehr als 50'000 Extrakten von mehr als 1200 Pflanzen, die in der Chinesischen Medizin genutzt und von Chi-Med angeboten werden.

Nestlé will diese Pflanzen weiter erforschen - und ihre Auswirkungen auf die menschliche Psyche erproben. Vielleicht kommt ja auch etwas Weisheit hinzu. In China wird die Ernährung nämlich schon seit Jahrtausenden nicht mehr von ihren Wirkungen getrennt - um gar nicht erst krank zu werden. (pom)

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