Nestlé-Chef Peter Brabeck
Es gibt kein Menschenrecht auf Wasser für Swimmingpool

Nestlé-Verwaltungsratspräsident Peter Brabeck wies am World Economic Forum in Davos die Kritik an seiner Wasserpolitik zurück. Und erklärte, warum er den Euro für die stärkste und den Dollar für eine schwache, kranke Währung hält.
Publiziert: 29.01.2012 um 14:11 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2019 um 07:12 Uhr
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Peter Brabeck (69) ist Verwaltungsratspräsident von Nestlé.
Foto: Adrian Bretscher
Interview: Claudia Gnehm und Roman Seiler

Herr Brabeck, Sie wollen nicht nur mit Produkten punkten, sondern auch mit den Werten von Nestlé. Die verletzen Sie mit ­Ihrer Mineralwasserproduktion, kritisieren die Autoren des Dokumentarfilms «Bottled Life». Peter Brabeck: Wie gross die Kritik ist, wird man sehen. Wir sind gerade jetzt mit Stockholm Wasserpreis ausgezeichnet worden, den «Nobelpreis des Wassers», für unser vorbildliches, weltweit anerkanntes Wassermanagement. Als erste Firma überhaupt. Zudem haben wir in Frankreich einen Umweltpreis erhalten für unseren Einsatz beim Wasser. Der Filmautor hätte mal fragen können, wieso man solchen «Ausnützern» eine Umwelt- Auszeichnung geben kann. Das hat er nicht gemacht.

Trotzdem ist das Bild, das der Film von Ihrer Mineralwasserproduktion zeigt, trübe. Es ist gut, dass wir in unserer Gesellschaft verschiedene Ansichten haben dürfen. Aber wer das als grosse Kritik bezeichnet, welche die Welt erschüttert, der tut dem Film zu viel Ehre an. Er ist ideologisch eingefärbt und geht völlig am Problem vorbei. Der Inhalt des Films wird als Wahrheit dargestellt. Die Wahrheit ist es nicht.

Schockierend ist, dass Sie den Film massgeblich mitfinanziert hätten, wenn er für Sie PR gemacht hätte. Mir ist nicht bekannt, dass wir für irgendetwas Geld angeboten haben – das ist das erste Mal, dass ich das höre. Ich hätte mir ein gemeinsames, von uns mitfinanziertes Filmprojekt vorstellen können. Wir sind sehr interessiert daran, die Thematik des Wassers an die Öffentlichkeit zu bringen.

Wenn sich wegen Wassermangels die Getreideproduktion um einen Drittel verringert, wie Sie sagen, und das soziale Unruhen nach sich zieht, ist das auch schlecht fürs Geschäft. Ja, sicher. Beim 140. Geburtstag von Nestlé vor sechs Jahren habe ich mir überlegt, auf was wir achten müssen, damit wir dereinst 280 Jahre Nestlé feiern können. Nach einer langen Analyse habe ich Wasser als Kernpunkt  unserer künftigen Strategie bezeichnet.

Warum? Ohne Wasser geht gar nichts. Wasser ist das Leben. Damals gab es beim WEF und in den Medien nur das Thema Klima und CO2. Darum bat ich WEF-Gründer Klaus Schwab, mir die Möglichkeit zu geben, hier in Davos über Wasser zu sprechen. Daraus entstanden eine Koalition und die bekannten Studien über die drohende Wasserknappheit.

Sie provozierten mit der Aussage, Wasser brauche einen Preis. Ich habe nie gesagt, Wasser brauche einen Preis. Ich habe gesagt, Wasser habe keinen Wert – so wie wir es benutzen. Daraufhin haben die Leute gesagt, es gebe ein Menschenrecht auf Wasser und deshalb müsse es gratis sein.

Was ja nicht falsch ist. Die fünf Liter, die wir für unseren täglichen Verbrauch benötigen sowie die 20 Liter für die tägliche Mindesthygiene, sind ein Menschenrecht. Jede Regierung sollte verantwortlich dafür gemacht werden, dass ihre Bevölkerung Zugang zu diesem Menschenrecht hat. Wenn die Menschen das nicht bezahlen können, dann soll die Regierung dafür sorgen, dass sie diesen Zugang gratis erhalten.

Wofür soll dann bezahlt werden? Dieses Menschenrecht macht genau 1,5 Prozent des internationalen Wasserverbauchs aus – dieser sollte frei sein. Aber für die restlichen 98,5 Prozent sehe ich kein Menschenrecht. Es gibt kein Menschenrecht auf Wasser für Swimmingpools und Golfplätze.

Und auch nicht für Biotreibstoff?… Das wär ja noch schlimmer. Wer mit 9100 Liter Wasser einen Liter Biodiesel produziert, kennt den Wert des Wassers nicht.

Zurück zum Film: Was halten Sie für falsch? Die Botschaft ist: Nestlé darf nicht im Bottled-Wasser-Geschäft tätig sein. Doch wenn ich das Wasser mit ein bisschen Zucker und Farbstoffe durchmische, dann hat der Autor kein Problem mit dem Wert.

Sie meinen Coca-Cola? Ich sehe nicht ein, wieso es schlecht sein soll, wenn ich das edelste Wasserprodukt herstelle. Wir sollten glücklich sein, wenn Kinder von ­einer Flasche Limonade auf ein Mineralwasser umsteigen angesichts der Gesundheitsproblematik Übergewicht. Mineralwasser hat keinen Wert, Zuckerwasser schon.

Im Film macht eine Szene Schlagzeilen: Ein pakistanischer Bürgermeister sagt, Nestlé bohre Hunderte Meter in die Tiefe und sauge das Wasser der Dorfbevölkerung ab. Diese könnten nicht genug tief bohren, um Wasser finden. Rund um Lahore im Punjab gibt es 680'000 Bohrstellen, um Wasser hochzupumpen. Nestlé benutzt zwei. Die Nutzung dieser beiden Bohrstellen wird von der Regierung gemessen und kontrolliert. Wir bezahlen zudem dafür. Aber die anderen Bohrstellen werden ohne irgendwelche Kontrolle genutzt.

Dann sehen Sie sich als nicht verantwortlich für den tiefen Wasserstand? Als wir in den Punjab einzogen, lag die Wassertiefe bei 1,5 Meter. Dann ist der Punjab zur Kornkammer der Welt geworden. Wieso? Weil die Regierung den Bauern im Zuge der grünen Revolution gratis Pumpen und Strom zur Verfügung stellte – bis heute. Natürlich haben die Bauern viel gepumpt. Heute sind wir im Punjab bei einem Wasserstand von 105 Metern Tiefe.

Das heisst, der tiefe Grundwasserstand hat überhaupt nichts mit Nestlé zu tun? Jemand, der nur ein bisschen etwas von der Thematik versteht, weiss, dass eine Quelle keine Exklusivität hat. Das Gleiche gilt etwa für einen Wasserlauf.

Sie halten die Kritik des Films also für völlig unberechtigt? Ich hätte schon erwartet, dass jemand, der eine Filmkritik schreibt, sich zwei Minuten hinsetzt und nachdenkt. Da gibt es doch diese wunderbare Filmszene in Maine, USA: Ein Bewohner sagt, Nestlé nütze verantwortungslos Quellen aus – und das seit 150 Jahren. Wie soll denn das gehen? Der liebe Herr Regisseur hat nicht ein Mal unsere Quelle in Henniez besucht, um zu zeigen, wie wir Schweizer uns um die Qualität des Wassers kümmern. Die Dörfer um Henniez haben das beste Trinkwasser, weil wir die Bauern zahlen, damit sie keine Düngemittel benutzen.

Wir reden mit Ihnen am Rande des WEF. Was unterscheidet das Jahrestreffen von anderen? Als das WEF startete, war die Stimmung wegen der Wirtschaftslage sehr negativ. Über die Tage hinweg hat sich das verbessert. Die Leute sehen jetzt, dass die europäischen Politiker tiefschneidende Entscheidungen getroffen haben.

Sie sprechen den Gipfel vom ­Dezember an. Reicht das? Wir werden sehen, was am Euro-Gipfel von morgen rauskommt. Wichtig ist, dass jetzt besser verstanden wird, dass Europa nicht paralysiert ist. Es ist hier am WEF auch ganz klar durchgedrungen: wir wollen ein starkes Europa...

...und eine starke Währung? Die haben wir ja. Alle reden von der Euro-Währungskrise. Wir haben keine Euro-Währungskrise. Der Euro ist die stärkste Währung.

Über welche Krise reden wir? Die Krise liegt in der wirtschaftlichen Governance, der Führung der Eurozone. Das ist etwas ganz anderes.

Liegt das Problem bei den Politikern, die sich nicht einigen können, oder an den Finanzmärkten, welche die Politiker zu Getriebenen macht? Es stimmt, dass die Finanzmärkte die Situation sehr kritisch betrachten und den Euro hart angreifen. In Tat und Wahrheit geht es nur um die Frage, welches Europa wir wollen.

Es braucht also einen europä­ischen Wirtschaftsraum und ­Euro-Bonds, Anleihen, die nicht einzelne Staaten zeichnen, sondern der Euroraum? Ich sehe die Euro-Bonds als eine Folge einer Governance-Entscheidung – und nicht umgekehrt. Ich glaube, zuerst braucht es den europäischen Wirtschaftsraum.

Als Österreicher sind Sie Europäer. Als Manager sind Sie als Chef des Schweizer Nestlé-Konzerns herausgefordert. Wegen des Frankens, der stärker ist als der Euro. Der Euro ist etwas schwächer im Vergleich zum Höchstkurs. Für mich ist er immer noch relativ stark. Als ich in die Schweiz kam, war der Dollar vier Franken wert. Jetzt zahle ich noch rund 90 Rappen. Wenn wir von einer schwachen, kranken Währung sprechen, dann dem Dollar. Das hat einen grossen Einfluss auf unsere konsolidierte Rechnung. Wir hatten noch nie in unserer Geschichte einen so starken negativen Einfluss der Währungen auf unsere konsolidierten Zahlen.

Der Franken war eben noch nie so stark wie heute… Das wirkt sich auf die Produkte aus, die wir aus der Schweiz exportieren. Das ist keine Frage: In diesen Bereichen ist es etwas schwieriger geworden. Aber wir sind weiterhin in der Lage, die Welt mit Nespresso zu beliefern, der hauptsächlich in der Schweiz produziert wird.

Werden Sie auch in Zukunft ­solche Grossinvestitionen in der Schweiz tätigen? Wir haben zurzeit keine grosse Entscheidung ausstehend. Ich war noch verantwortlich für das operative Geschäft, als wir die Entscheidung getroffen haben, Nespresso vorwiegend in der Schweiz zu produzieren und die grossen Investitionen für Nescafé hier zu tätigen. Hergestellt wurde das ja für Europa.

Aus heutiger Sicht war das ­mutig. Würden Sie auch heute so entscheiden? Für mich war damals wichtig: Das Schweizer Volk lehnte die 35-Stunden-Woche ab. Dieses Referendum hat mich davon überzeugt, dass die Schweiz ein guter Produktions­standort bleibt. Das sollte man nicht unterschätzen: Auf die Gesamtbevölkerung umgerechnet arbeitet ein Einwohner in der Schweiz im Schnitt 977 Stunden pro Jahr, in Deutschland 673. In Frankreich sind es 652 Stunden.

Trotzdem macht die Franken­stärke vieles von diesem Vorteil zunichte. Ich bin mir bewusst, dass es in gewissen Bereichen für den Export in der Schweiz nicht leicht wird. Ich  bin aber auch überzeugt, dass die Schweiz aus dieser Währungskrise stärker herauskommen wird.

Eine der positivsten Nestlé-Figuren ist George Clooney. Er sagt, er, wolle nur noch Qualitätsfilme machen, selbst wenn es kein Geld bringt. Er finanziere sich mit Kaffeespots. Eigentlich hätten Sie einen Oscar verdient: Sie ermöglichen Spitzenfilme mit ­einem solchen Schauspieler. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. George Clooney zählt zu den Menschen, die uns am stärksten herausfordern punkto fairem Handel und Umwelt. Um ihn überhaupt als Sprecher erhalten zu können, mussten wir ihn erst davon überzeugen, dass bei den Kaffeeplantagen das AAA des Nespresso kein Marketinggag ist, sondern auch eingelöst wird. Ich schätze sein Engagement sehr. Er hat sich sehr konstruktiv eingesetzt, um Fair Trade und Umweltschutz bei Nespresso sicherzustellen. Er besucht auch persönlich die Plantagen. Wir sind ihm sehr dankbar, er ist ein guter Partner.

Sie sind bis 2013 als Verwaltungsrat gewählt. Stellen Sie sich nochmals zur Verfügung? Ich habe die Möglichkeit, bis zu meinem 72. Altersjahr zu kandidieren. Ich will mich nochmals für eine ganze Amtszeit zu Verfügung stellen. Ob ich gewählt werde, werden wir sehen.

Persönlich

Der Österreicher Peter Brabeck-Lemathé (67) ist seit 1968 für Nestlé tätig. Er war für den Nahrungsmittelhersteller lange in Südamerika. 1987 stiess er zur Zentrale in Vevey. 10 Jahre später beförderte ihn der Verwaltungsrat zum CEO. Von 2005 bis 2008 war der Bergsteiger zugleich auch Verwaltungsratspräsident. Der Ökonom ist verheiratet und Vater dreier Kinder.

Der Österreicher Peter Brabeck-Lemathé (67) ist seit 1968 für Nestlé tätig. Er war für den Nahrungsmittelhersteller lange in Südamerika. 1987 stiess er zur Zentrale in Vevey. 10 Jahre später beförderte ihn der Verwaltungsrat zum CEO. Von 2005 bis 2008 war der Bergsteiger zugleich auch Verwaltungsratspräsident. Der Ökonom ist verheiratet und Vater dreier Kinder.

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