Deshalb hat Jordan recht
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Kein Geld für Schuldenabbau:Deshalb hat Jordan recht

Nationalbank will Corona-Schulden nicht schlucken
Deshalb hat Jordan recht

Der Kampf um die Geldtöpfe der Nationalbank ist voll entbrannt. Vor allem die Politik hat einige Begehrlichlichkeiten. Doch die Botschaft der SNB ist klar: Hände weg vom Nationalbankgeld.
Publiziert: 18.06.2020 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 17.11.2020 um 12:58 Uhr
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Eine Kiste 1000er-Noten bei der Schweizerischen Nationalbank. Die Geldtöpfe der SNB ...
Foto: © SNB, 2018
Christian Kolbe

Man kann sich die glänzenden Augen der Herren und Damen Nationalräte geradezu vorstellen, als sie dieser Tage über das Geld der Schweizerischen Nationalbank (SNB) debattierten. In Zeiten leerer Staatskassen ist der Finanzbedarf enorm. Und bei der Nationalbank schlummern zwei riesige Geldtöpfe: die Ausschüttungs- und die Devisenreserven. Her mit den Moneten der Nationalbank!, lautet die Devise bei manchen Politikern.

Doch die SNB bleibt hart. Sie erteilte gestern allen Begehrlichkeiten eine Absage und pocht auf Unabhängigkeit. Nicht ohne Hinweis darauf, dass es Sache der Politik wäre, über eine Neuverwendung der Ausschüttungen zu entscheiden. Konkreten Fragen zu einzelnen Begehrlichkeiten weicht Jordan aus und fordert von der Politik: «Kühlen Kopf bewahren.»

Ausschüttungsreserve kann schnell schrumpfen

Immerhin: Für 2019 und 2020 erhalten Bund und Kantone 4 SNB-Milliarden. 1,3 Milliarden Franken fliessen pro Jahr in die Bundeskasse, den Rest teilen sich die Kantone auf. Die Ausschüttungsreserve lag Ende 2019 bei 88 Milliarden Franken. Doch das kann sich schnell ändern: Im ersten Quartal 2020 verbuchte die SNB einen Verlust von 38 Milliarden Franken – wegen des Corona-Crashes an der Börse. Jordan warnt: «Die Märkte sind sehr volatil, Verluste in der gleichen Grössenordnung in einem der nächsten Quartale sind nicht auszuschliessen.»

Seit der Finanzkrise kämpft die Nationalbank gegen die Franken-Aufwertung. Eine der wichtigsten Instrumente ist der Kauf von Devisen. Doch der Franken bleibt trotzdem knüppelhart. Die SNB pumpt Milliarden in die Märkte, oft nur, um eine noch raschere Aufwertung zu verhindern. Seit 2008 sind die Fremdwährungsreserven von fast 50 Milliarden Franken auf 800 Milliarden Franken angestiegen – mehr als das jährliche Bruttoinlandprodukt (BIP)! Ein riesiger Geldtopf, auf den die Politik schielt. Das Problem: Wird der Topf angezapft, steigt der Franken noch mehr und die SNB verliert ihren letzten Spielraum.

Geld fürs Kreditprogramm

Die Nationalbank weiss, wie schlecht es wegen Corona um die Wirtschaft steht, für 2020 rechnet sie mit einem BIP-Einbruch von 6 Prozent. Bei den Zinsen hat die SNB fast keinen Spielraum mehr, um der von der Corona-Krise gebeutelten Wirtschaft zu helfen. Den Leitzins lässt sie bei minus 0,75 Prozent. Das sind die tiefsten Zinsen weltweit!

Immerhin: Den Banken stellt die Nationalbank 10 Milliarden zur Verfügung, damit diese über das Corona-Kreditprogramm Finanzengpässe von Firmen überbrücken. Doch viel mehr liegt nicht drin, vor allem, wenn sich die Corona-Krise nochmals verschärfen sollte. Das hat auch damit zu tun, dass die SNB schon so viel Geld in die Schwächung des Frankens gepumpt hatte.

Pulver noch nicht verschossen

Ideen, wie die Nationalbank der Wirtschaft noch mehr unter die Arme greifen könnte, gibt es nicht nur in der Politik: Schon im März hatten ETH-Professoren um Jan-Egbert Sturm (51) die Idee, mit SNB-Geld die Milliardenlöcher in der Arbeitslosenversicherung zu stopfen. Das wäre eine direkte Finanzierung von Staatsschulden durch die Notenpresse. Ex-SP-Nationalrat Rudolf Strahm (76) schlägt vor, die Kapitalgewinne der SNB zu verteilen. Ökonomisch und rechtlich bewegt er sich damit auf soliderem Boden, denn gemäss Verfassung gehören die SNB-Gewinne dem Volk. Nur: Anlagegewinne sind noch kein Reingewinn.

Die Frage, ob die Nationalbank ihr Pulver schon verschossen hat, verneint Jordan regelmässig. Tatsächlich lässt er sich ein Hintertürchen offen. «Wir überprüfen die Lage laufend und werden bei Bedarf unsere Geldpolitik anpassen», so Jordan sibyllinisch. Das könnte bedeuten, dass die SNB willens ist, noch tiefer in die geldpolitische Trickkiste zu greifen, wenn es wirklich nötig ist. Mit dem Mindestkurs und den Negativzinsen hat sie ja Erfahrung damit.

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