Nationalbank gibt Euro-Mindestkurs auf
Um 10.30 Uhr schickte die SNB die Wirtschaft bachab

Das Ende des Mindestkurses ist ein Schock. Die Nationalbank muss Prügel einstecken.
Publiziert: 15.01.2015 um 20:57 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:58 Uhr
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Euro-Start (1. Januar 2002): Adieu, Franc. Ade, D-Mark: Die Europäische Gemeinschaftswährung, der Euro, wird in zwölf EU-Ländern als Bargeld eingeführt. Sein Wert schwankt 2002 zwischen 1.45 und 1.48 Franken.
Foto: AFP, Keystone, EPA, Ddp, Christian Lanz, AP
Von Guido Schätti und Andreas Schaffner

Futsch und weg: 114 Milliarden Franken haben sich gestern an der Schweizer Börse in Luft aufgelöst. Als Nationalbankpräsident Thomas Jordan (51) um 10.30 Uhr die Aufhebung des Mindestkurses bekannt gab, brach an den Märkten die nackte Panik aus. Auch stocksolide Titel wie Novartis, Roche oder Nestlé gerieten unter die Räder.

Der Swiss Performance Index (SPI) verlor bis am Abend 8,6 Prozent. Das ist deutlich mehr als nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001.

Der Franken schoss durch die Decke: Zum Euro wertete er sich um mehr als 13 Prozent, zum Dollar um gut 12 Prozent auf. Der Eurokurs blieb nur knapp über einem Franken.

Unternehmer reagierten geschockt. Mit dem teureren Franken wird es schwieriger für sie, ihre Produkte im Ausland zu verkaufen. «Die abrupte Aufhebung des Mindestkurses ist eine Katastrophe», sagt Peter Spuhler (56), Chef von Stadler Rail zu BLICK. «Von einem Augenblick auf den anderen werden unsere Produkte um mindestens 20 Prozent teurer. Das kann niemand in so kurzer Zeit verkraften.» Den Unternehmen bleibe nichts anderes übrig, als Stellen ins Ausland zu verlagern, sagt Spuhler.

Ähnlich tönt Swatch-Chef Nick Hayek (60): «Was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami. Sowohl für die Exportindustrie wie auch für den Tourismus und schlussendlich für die ganze Schweiz.»

Welchen Teufel hat Nationalbankchef Jordan geritten? Drei Jahre und vier Monate lang hatte er den Euro-Mindestkurs durch alle Böden verteidigt. Mehr als 200 Milliarden Franken liess sich die SNB den Kampf gegen die Franken-Aufwertung kosten. Warum jetzt der Ausstieg? Hat die SNB vor den Spekulanten kapituliert?

«Das war keine Panikreaktion, wir haben uns den Schritt gut überlegt», verteidigte sich Jordan. Als wichtigsten Grund nannte er die Erstarkung des Dollars. Dadurch sei der Franken nicht mehr so stark überbewertet.

Die Turbulenzen an der Börse seien nur vorübergehend, beruhigte er: «Die Märkte haben die Tendenz, in solchen Situationen zu überschiessen. Das wird sich wieder normalisieren.»

Ganz traut aber auch Jordan der Sache nicht. Die SNB hebt die Negativzinsen auf Frankenanlagen von 0,25 auf 0,75 Prozent an. Dadurch soll die Flucht von ausländischem Kapital in den Franken gestoppt werden.

Schweizer Sparer hätten nichts zu befürchten, sagte Jordan: «Die Banken haben ein Interesse, dass ihre Kunden bei ihnen bleiben. Deshalb werden sie keine Negativzinsen auf Spareinlagen einführen.» Für die Wirtschaft ist das ein schwacher Trost. Die meisten Verbände protestierten gegen die Massnahme. Nie zuvor war die Schweizer Wirtschaft so zerrissen wie gestern.

Ungerührt zeigte sich Ex-Banker Oswald Grübel (71), einer der schärfsten Kritiker des Mindestkurses: «Die SNB musste in den letzten Wochen zu viele Euro kaufen. Die Höhe der Bilanz kam in die Nähe des Bruttoinlandprodukts. Das war die Schmerzgrenze.»

Hinter einem Grossteil der Frankenkäufe in den letzten Wochen steckten Spekulanten, vermutet Grübel. Sie hätten nicht mehr an den Mindestkurs geglaubt und auf eine Ende gewettet. Nun haben sie gewonnen.

Gescheitert sei die SNB aber an ihren eigenen Fehleinschätzungen, so Grübel: «Nicht die Spekulanten haben die SNB in die Knie gezwungen, sondern der zu hoch angesetzte Mindestkurs.»

Auch SVP-Übervater Christoph Blocher (74), der die Einführung des Mindestkurses Anfang September 2011 öffentlich forderte, kann der jetzigen Aufhebung nicht nur Schlechtes abgewinnen: «Der starke Franken ist nicht nur ein Nachteil. Kurzfristig wird es für die Exportindustrie hart. Aber längerfristig können die Unternehmen profitieren. Denn sie können ihre Rohstoffe und Vorprodukte günstiger importieren.»

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