Natalie Imboden (47), Generalsekretärin des Mieterverbands
«Der Mietmarkt ist aus dem Lot»

Wer eine Wohnung braucht, tut dafür viel. Eine gefährliche Entwicklung, vor der Natalie Imboden vom Mieterverband warnt. Für sie ist klar, wo das Problem liegt. Mieter sollen sich gut informieren.
Publiziert: 04.04.2018 um 13:14 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:50 Uhr
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Natalie Imboden (47) setzt sich seit Anfang April als Generalsekretärin des Schweizerischen Mieterverbands für die Belange der Mieter ein.
Foto: Sandra Dietrich
Interview: Julia Fritsche

BLICK: In Zürich verlangt ein Vermieter 27'000 Franken Kaution in bar. Ist das erlaubt?
Natalie Imboden: Das ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Der Vermieter verstösst damit klar gegen geltendes Recht. Erlaubt sind höchstens drei Monatsmieten als Kaution. Dazu kommt, dass dieser Vermieter eine Notlage ausnützt. Das ist skandalös.

Ist das nur die Spitze vom Eisberg? 
Diese überrissene Kaution ist ein Extremfall. Allerdings gibt es viele Leute, die einen extremen Aufwand bei der Wohnungssuche betreiben.

Inwiefern?
Ich weiss von Fällen, da haben Familien eine Videobewerbung gedreht. Das ist für mich ein klares Zeichen, dass der Mietmarkt aus dem Lot ist. Für viele Leute ist es sehr schwierig geworden, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Hat nur Zürich ein Problem mit den überhöhten Mietpreisen?
Es hat in den Ballungszentren zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Es wurde zu sehr für die Topverdiener gebaut. Dieses Problem ist nicht nur auf Zürich beschränkt. Praktisch in allen grossen Städten können sich Normalverdiener Mietwohnungen nicht mehr leisten.

Wer ist besonders betroffen?
Familien trifft die Wohnungsnot besonders. Sie brauchen grössere Wohnungen und haben meist geringere finanzielle Mittel. Das schränkt ein. In Bern etwa sind Wohnungen für Familien äusserst knapp.

Ich weiss von einem Paar, das Ultraschallbilder vom Nachwuchs dem Bewerbungsdossier beigelegt hat, um an die grössere Wohnung zu kommen.
Wie weit die Bewerber gehen, ist sehr individuell. Wer unbedingt in einem gewissen Quartier wohnen will, tut dafür wohl einiges.

«Für viele Leute ist es sehr schwierig geworden, eine bezahlbare Wohnung zu finden.», stellt Natalie Imboden (47) fest.
Foto: GAETAN BALLY

Macht es Sinn, der Bewerbung Fotos beizulegen oder etwas zu basteln?
Man kann zwar versuchen, mit einer persönlichen Note seine Chancen zu verbessern. Aber wenn sich 100 Leute auf eine Wohnung bewerben, werden immer 99 enttäuscht. Ich halte die immer aufwendigeren Bewerbungsdossiers für eine bedenkliche Entwicklung.

Warum?
Das schafft erstens einmal Ungerechtigkeiten. Nicht alle sind gleich kreativ und haben dafür genügend zeitliche und finanzielle Möglichkeiten. Dann ist es auch ein enormer Aufwand. Und wenn es nicht zum Erfolg führt, ist viel Frustration da.

Wo sehen Sie eine Lösung?
Aus Sicht des Mieterverbands muss man das Übel an der Wurzel packen. Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum statt Top-Rendite für Investoren. Überhöhte Renditen verbietet übrigens auch das Mietrecht. 

Wie können Mieter ihre Chancen verbessern?
Ich kann nur raten: Alle Netzwerke nutzen und immer wieder verschiedene Portale abchecken!

Wer ein Musikinstrument spielt oder ein Haustier besitzt hat schon im Vornherein verloren?
Das macht die Wohnungssuche sicher nicht einfacher. Musikinstrumente etwa dürfen nicht generell verboten werden. Auch unproblematische kleine Haustiere wie einzelne Hamster sind erlaubt. Andere Haustiere brauchen aber die Zustimmung des Vermieters und können auch ohne Angabe der Gründe verboten werden.

Und wenn ein Wohnungssuchender eine Betreibung am Hals hat?
Betreibungen sind eine schwierige Sache. Denn einerseits können diese vorkommen, manchmal aber auch gegenstandslos eingeleitet werden.

Natalie Imboden (47) setzt sich seit Anfang April als Generalsekretärin des Schweizerischen Mieterverbands für die Belange der Mieter ein.
Foto: Sandra Dietrich

Wie sieht für Sie die ideale Wohnungsvergabe aus?
Der Idealzustand wären genügend bezahlbare Wohnungen. Dazu ist vom Mieterverband eine Initiative hängig. Beim Verfahren ist sicher die Transparenz das A und O. Keine Kriterien also, die Mieter nicht beeinflussen können. Zentral ist auch ein korrekter Anfangsmietzins.

Was halten Sie von einem Pranger für dubiose Vermieter?
Die vierte Gewalt, im Zürcher Fall also der BLICK, spielt eine wichtige Rolle. Durch die Öffentlichkeit steht der Vermieter nun praktisch am Pranger. Das hat auch abschreckende Wirkung.

Können sich Wohnungssuchende gegen überrissene Kautionen wehren?
Im Fall dieser krassen Kaution in Zürich hätten die Mieter nach Vertragsabschluss gegen das Unrecht vorgehen können. Nur, das bedeutet sehr viel Aufwand.

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