Es war wohl die überraschendste Personalie der vergangenen Woche: Nestlé, der weltgrösste Nahrungsmittelkonzern, gab bekannt, einen Mann namens Pablo Isla (53) in den Verwaltungsrat berufen zu wollen – für jeden Manager ein Aufstieg in den Olymp der globalen Wirtschaftsszene. Bloss, wer ist dieser Spanier, der die Öffentlichkeit ebenso meidet, persönlich aber einen «diskreten Charme» verströmen soll, wie die grösste Tageszeitung Spaniens, «El País», zu berichten weiss? Nun, dieser Pablo Isla ist Präsident und CEO einer Firma namens Inditex mit Hauptsitz in einem Städtchen im Norden Spaniens namens Arteixo – unbekannt die Ortschaft, ein Zungenbrecher der Firmenname. Inditex ist die Kurzform für «Industria de Diseño Textil», was so viel heisst wie Industrie für Designtextilien. Womit zumindest einmal geklärt wäre: Dahinter verbirgt sich ein Kleider-Produzent. Und zwar ein globaler Platzhirsch mit über 160 000 Mitarbeitern, knapp 25 Milliarden Euro Umsatz und weltweit über 6000 Filialen in fünf Kontinenten – jedes Kind kennt wohl die bekannteste Marke des Hauses: Zara.
Nestlé macht dreimal so viel Umsatz und beschäftigt doppelt so viele Mitarbeiter wie Inditex. Was also bringt den 150-jährigen Food-Multi aus Vevey VD dazu, den Chef einer Firma in den Verwaltungsrat zu berufen, die ihren ersten Zara-Laden im spanischen Hinterland anno 1975 eröffnet hatte, dem Jahr als Diktator Franco starb? Gewiss, dieser Pablo Isla ist mit Sicherheit ein tüchtiger Unternehmer. Die «Harvard Business Review», die Bibel der Manager, hat ihn eben zum weltweit besten CEO der Welt gewählt und auch das US-Wirtschaftsblatt «Fortune» listet den Inditex-Chef in ihren Beauty-Contests für Manager längst in den vorderen Rängen. Aber genügt das als Eintrittsticket in den Nestlé-Verwaltungsrat? Oder hat dieser Tausendsassa Pablo Isla etwas erreicht, was die grosse Nestlé einfach nicht hinbekommt?
Inditex mit ihrem Toplabel Zara ist in der Tat ein erstaunliches Unternehmen. Gegründet von Amancio Ortega, einem heute über 80-jährigen Patron alter Schule, der sich in einem Menschenleben zum reichsten Europäer und dem viertreichsten Menschen weltweit mit einem Vermögen von über 70 Milliarden Dollar emporgestemmt hat. Sein Unternehmen ist eine Kopier- und Logistik-Firma in einem. Sie ist eine Marketingfirma, die sich mit Erfolg in die Breite häutet: Zuerst war es nur Zara und mittlerweile gibt es auch Zara Women, Zara Kids oder Zara Home. Und dieses Unternehmen jongliert leichtfüssig mit verschiedenen Marken und Verkaufskanälen. Neben Zara existieren inzwischen auch Marken- und Laden-Konzepte wie Massimo Dutti oder Bershka. Kein Konkurrent kopiert aktuelle Mode schneller. Keiner hält die Distanz zwischen Designer und Verkaufsregal kürzer und keiner bringt Preis und Produktedesign enger zusammen. Was nicht läuft, verschwindet sofort wieder. Wenn aber Nachfrage besteht, kommt in Europa der Nachschub binnen 24 Stunden in die Läden, weltweit innert 48 Stunden.
In der Summe produziert dies eine unglaubliche Dynamik: Inditex ist ein permanent unter Duck stehender Kochtopf, dem es offensichtlich gelingt, diese Energie an der Verkaufsfront fruchtbar zu machen. Seit 2005 steht der Jesuitenzögling Pablo Isla auf der Kommandobrücke und hat seither die Firma auch auf E-Commerce getrimmt und schwierige Märkte wie Russland und China erobert. Die Addition von all dem hat Nestlé wohl zu seiner Nominierung bewogen.