Nachfrage ist grösser als das Angebot
Schweizer essen mehr einheimisches Wild

Selbst in Restaurants sind Schweizer Hirsche oder Rehe selten. Der Preis ist vielen einfach zu hoch. Doch die Nachfrage nach heimischem Wild steigt.
Publiziert: 05.10.2019 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2019 um 10:13 Uhr
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Sabina Graf ist Geschäftsführerin der Schweizerischen Hirschhalter.
Foto: Sabine Graf
Rachel Hämmerli

Von September bis November haben die Schweizer Appetit auf Wild. Im Schnitt verschlingt jeder ein halbes Kilo – insgesamt wandern im Herbst 4107 Tonnen Reh, Hirsch oder Wildschwein auf hiesige Teller. Rund zwei Drittel stammen aus dem Ausland. Wen es nach einheimischer Qualität gelüstet, der muss suchen.

Das Angebot der Grossverteiler Coop und Migros kommt häufig von weiter her, auch der Gastrohändler Transgourmet/Prodega, der die Restaurants versorgt, führt vor allem internationale Ware.

Wie hoch der Anteil an Schweizer Wild ist, teilen die Händler nicht mit, nur dass er «sehr klein» sei. Gross hingegen sind die Kühlbestände aus Österreich, Tschechien und Neuseeland. Um die saisonale Nachfrage zu decken, gibt es schlicht nicht genug einheimisches Wild – obwohl das Angebot, wie aktuelle Zahlen zeigen, stark ansteigt.

Nur Rehe eignen sich für die Zucht

Der Prozentsatz von Schweizer Wild nahm von 30 im Jahr 2016 auf 36,6 Prozent 2018 zu. Nicht in jedem Fall stammt es aus der Jagd: «Wahrscheinlich wurden mehr Tiere erlegt. Zudem gab es eine Zunahme an Wildtieren in landwirtschaftlichen Zuchtbetrieben», sagt Sabina Graf, Geschäftsführerin der Schweizerischen Vereinigung der Hirschhalter. Seit den 80er-Jahren werden Hirsche in Gehegen gezüchtet. Neben Rehen sind sie die meistverzehrten Wildtiere hierzulande – und die einzigen, die sich zur Zucht eignen.

Allerdings seien Züchter nicht daran interessiert, das Fleisch der Hirsche an Grossverteiler zu verkaufen. «Mit den Dumpingpreisen vom Detailhandel kann kein Zuchtbetrieb für Wildtiere rentieren», sagt Sabina Graf. «Es werden auch zu wenige Tiere gezüchtet, um die Nachfrage von Grossverteilern zu decken.» Die Geschäftsführerin der Hirschhalter rät allen, die ins Geschäft mit Hirschen einsteigen wollen: «Verkauft euer Fleisch selbst; in die Gastronomie oder an Private.» Nur so könnten Hersteller den Preis von durchschnittlich 42 Franken pro Kilo Fleisch halten.

Nur zehn Prozent stammen von Schweizer Höfen 

Für die meisten Landwirte bleibt die Wildtierzucht daher ein Nebenerwerb. Nur rund zehn Prozent des Schweizer Wilds stammen von ihren Höfen. «Die Zucht von Hirschen bleibt voraussichtlich eine Nische», prognostiziert Sabina Graf. Die könne nur wachsen, «wenn die Konsumenten noch mehr Wert auf Regionalität und naturnahe Erzeugung von Fleisch legen».

Immerhin: Dieses Bewusstsein nimmt zu, die Hinwendung zu lokalen Erzeugnissen liegt im Trend. David Clavadetscher, Geschäftsführer von Jagd Schweiz und selber Jäger, erhält jede Woche entsprechende Anfragen von Privatpersonen.

Wildbestand steigt in der Schweiz von Jahr zu Jahr

Besonders für Klimabewusste sei das hiesige Wild attraktiv, sagt Clavadetscher: «Wer aus einheimischer Jagd konsumiert, verbessert seinen ökologischen Fussabdruck.» Wildtiere lebten von und in der Natur. Das sei im Vergleich zur Ware aus Massentierhaltung wesentlich umweltschonender.

Clavadetscher wiederholt die frohe Botschaft an alle Gourmets: «Der Wildbestand in der Schweiz steigt von Jahr zu Jahr leicht.» Allerdings werde die Ausbeute einer Wildsaison nie hoch genug sein, um die Nachfrage komplett zu decken. Zudem dürfen Jäger nur so viele Wildtiere erlegen, dass sich der Bestand im folgenden Jahr wieder erholt.

Deshalb verkaufen Jäger das erlegte Wild am liebsten an Private. «Nur so wird für die Exklusivität entsprechend bezahlt», sagt Clavadetscher. Und wenn dies ausnahmsweise einmal nicht gelingt, geniesst Clavadetscher sein Wild, wie er sagt, «lieber selbst».

Es wird also auch künftig nicht ganz ohne Importware gehen.

Zeit für eine Metzgete

Im Herbst schlachtete der Bauer stets ein Schwein. Einerseits aus Tradition, andererseits, um Vorrat für den Winter anzulegen.

Aufgabe der Bauernbuben und -meitschi war es, im Bottich mit dem Schweineblut zu rühren, damit es nicht klumpte. Die Därme wurden direkt auf dem Hof befüllt und als Blutwürste zum Znacht serviert, ebenso wie die Leberwürste.

Für die Jungen war das ein Festschmaus. Denn vom Schwein wurde alles gegessen. Und der grosse Rest war Voressen – mit der immer gleichen Sauce nach Bäuerinnenart.

Heute sind nicht nur Metzgen, Ausnehmen und Verarbeiten von eigener Hand aus der Mode gekommen, auch mehr als zweimal in Folge dasselbe Abendessen aufzutischen, ist unvorstellbar – weil wir jederzeit essen wollen und können, was uns schmeckt.

Zum Beispiel in der Wildsaison: Da schmecken den meisten Rehrücken, Hirsch-Entrecôtes und Rehschnitzel. In Restaurants und Detailhandel werden solche Edelstücke am häufigsten nachgefragt. Obwohl auch aus den zähen Stücken ebenso zarter Wildsau- oder Rehpfeffer entsteht. Und auch Nieren und Leber auf der Zunge zergehen.

Zwei Drittel des dafür nötigen Wildfleisches aber muss die Schweiz importieren. Weil wir unsere heimischen Wildtiere nicht wie Schweine schlachten dürfen. Vor allem aber, weil wir gierig nach den Edelstücken sind – mit demselben Verlangen, wie Bauernkinder einst die Würste verschlangen.

Also stürmen wir jedes Jahr im Herbst die Restaurants und bestellen Wild, als gäbe es danach nur noch Voressen nach Bäuerinnenart. - Rachel Hämmerli

Im Herbst schlachtete der Bauer stets ein Schwein. Einerseits aus Tradition, andererseits, um Vorrat für den Winter anzulegen.

Aufgabe der Bauernbuben und -meitschi war es, im Bottich mit dem Schweineblut zu rühren, damit es nicht klumpte. Die Därme wurden direkt auf dem Hof befüllt und als Blutwürste zum Znacht serviert, ebenso wie die Leberwürste.

Für die Jungen war das ein Festschmaus. Denn vom Schwein wurde alles gegessen. Und der grosse Rest war Voressen – mit der immer gleichen Sauce nach Bäuerinnenart.

Heute sind nicht nur Metzgen, Ausnehmen und Verarbeiten von eigener Hand aus der Mode gekommen, auch mehr als zweimal in Folge dasselbe Abendessen aufzutischen, ist unvorstellbar – weil wir jederzeit essen wollen und können, was uns schmeckt.

Zum Beispiel in der Wildsaison: Da schmecken den meisten Rehrücken, Hirsch-Entrecôtes und Rehschnitzel. In Restaurants und Detailhandel werden solche Edelstücke am häufigsten nachgefragt. Obwohl auch aus den zähen Stücken ebenso zarter Wildsau- oder Rehpfeffer entsteht. Und auch Nieren und Leber auf der Zunge zergehen.

Zwei Drittel des dafür nötigen Wildfleisches aber muss die Schweiz importieren. Weil wir unsere heimischen Wildtiere nicht wie Schweine schlachten dürfen. Vor allem aber, weil wir gierig nach den Edelstücken sind – mit demselben Verlangen, wie Bauernkinder einst die Würste verschlangen.

Also stürmen wir jedes Jahr im Herbst die Restaurants und bestellen Wild, als gäbe es danach nur noch Voressen nach Bäuerinnenart. - Rachel Hämmerli

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