Foto: Dario Haeusermann / SBB

Nach ungerechtfertigten Millionen-Subventionen für BLS
Jetzt untersucht der Bund die SBB

Über Jahre erhielt das Bahnunternehmen BLS zu viele Steuergelder. Jetzt hat das Bundesamt für Verkehr auch bei den SBB eine Untersuchung eingeleitet.
Publiziert: 16.03.2019 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2019 um 11:52 Uhr
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Je ein Zug der SBB und der BLS im Bahnhof Luzern.
Foto: Rob Lewis
Moritz Kaufmann und Thomas Schlittler

Die Züge der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn (BLS) fahren durch idyllische Landschaften. Nun stecken sie mitten im Bundesberner Subventionssumpf. Am Freitagmorgen teilten die BLS und das Bundesamt für Verkehr (BAV) mit: Über Jahre hat die BLS zu viele öffentliche Gelder kassiert. Sie muss jetzt rund 30 Millionen 
Franken zurückzahlen. Für 2018 schreibt das Bahnunternehmen deshalb rote Zahlen.

Doch die BLS könnte erst der Anfang sein. Dass zu viel Geld geflossen ist, liegt an einem umstrittenen Subventionsmodell – in Beamtendeutsch «Glättungsmodell» genannt (siehe Box). Mindestens acht ÖV-Betriebe setzen auf Glättungsmodelle – darunter die SBB! Gegenüber SonntagsBlick bestätigt das BAV, dass man bereits eine Voruntersuchung in der Causa SBB eingeleitet habe. Sprecherin Olivia Ebinger: «Mit den SBB bestehen unterschiedliche Glättungsmodelle, nebst Zinsglättungs- zum Beispiel auch Unterhaltskosten-Glättungsmodelle.»

So funktioniert das Glättungsmodell

Beschaffungen – etwa Züge – sind für ÖV-Betriebe oftmals teuer. Deshalb müssen diese Kredite aufnehmen und Zinsen dafür zahlen. In den ersten Jahren ist die Zinsbelastung sehr hoch; mit der jährlichen Amortisierung nimmt sie ab. Damit Bund und Kantone dennoch jedes Jahr mit gleich hohen Subventionen kalkulieren können, errechnet man die gesamten (Zins-)Kosten einer Beschaffung und verteilt sie gleichmässig über die Jahre – «glättet» sie also. Im Fall BLS jedoch erwiesen sich die errechneten Gesamtkosten als viel zu hoch. Der Grund: Man hatte das historisch tiefe Zinsniveau der letzten Jahre nicht erwartet und 
zu hoch kalkuliert.  

Beschaffungen – etwa Züge – sind für ÖV-Betriebe oftmals teuer. Deshalb müssen diese Kredite aufnehmen und Zinsen dafür zahlen. In den ersten Jahren ist die Zinsbelastung sehr hoch; mit der jährlichen Amortisierung nimmt sie ab. Damit Bund und Kantone dennoch jedes Jahr mit gleich hohen Subventionen kalkulieren können, errechnet man die gesamten (Zins-)Kosten einer Beschaffung und verteilt sie gleichmässig über die Jahre – «glättet» sie also. Im Fall BLS jedoch erwiesen sich die errechneten Gesamtkosten als viel zu hoch. Der Grund: Man hatte das historisch tiefe Zinsniveau der letzten Jahre nicht erwartet und 
zu hoch kalkuliert.  

BAV merkte jahrelang nichts

Dazu erklären die SBB: «Im Bereich Rollmaterialunterhalt wenden die SBB seit Jahren ein geglättetes Modell an.» Dies geschehe auf Wunsch von Kantonen und Bund. «Die Abrechnungen werden jährlich dem BAV zur Verfügung gestellt», so Bahn-Sprecher Reto Schärli. Sie seien transparent und nachvollziehbar. «Die SBB bieten im Rahmen einer erneuten Prüfung selbstverständlich vollen Einblick.»

Transparent waren auch die Rechnungen der BLS – und doch hat das BAV erst jetzt gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Jahr für Jahr sah die Aufsichtsbehörde da­rüber hinweg, dass zu viel Geld an die BLS geflossen ist. Weil das allgemeine Zinsniveau viel tiefer lag als bei der Erstellung der Kalkulation angenommen, summierte sich über die Jahre eine mittlere zweistellige Millionensumme! Davon müssen die BLS nun lediglich zwei Drittel zurückzahlen.

Das BAV hat weniger als eine Handvoll Beamte, um die Abrechnungen von 130 Schweizer ÖV-Unternehmen zu überprüfen. Eine echte Kontrolle sieht anders aus. Die BLS wiederum hielt es offenbar nicht für nötig, von sich aus auf zu hoch ausgefallene Zahlungen hinzuweisen.

Sind die SBB ebenfalls betroffen?

Vor anderthalb Jahren überführte das BAV die Postauto AG des ­Mega-Subventionsbetrugs. Mehr als 200 Millionen Franken Steuergeld wurde zurückgezahlt. Als man auch bei der BLS genauer hinschaute, kamen schon wieder ungerechtfertigte Millionen-Subventionen zum Vorschein.

Postauto wie BLS gehören zu den grössten Dienstleistern im öffentlichen Verkehr. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch bei anderen, kleineren Unternehmen nicht alles korrekt gelaufen ist, erscheint hoch. Sollten gar die SBB betroffen sein, wären die Dimensionen noch viel grösser als bei der BLS, sagt ein ­Insider zu SonntagsBlick.

Am Anfang war der Fall Postauto

2017 stiessen Kontrolleure des Bundesamts für Verkehr auf Ungereimtheiten bei Postauto. Aus dem anfänglichen Verdacht wurde schnell traurige Gewissheit: Das ÖV-Unternehmen der Post hatte über Jahre mit Scheinbuchungen Millionen ertrogen. Wie Berichte der Blick-Gruppe zeigten, wussten Kader bis weit oben Bescheid. Diese Schock-Erkenntnis hat beim Bund zu einem Umdenken geführt. Die Rechnungen der grossen ÖV-Unternehmen werden nun kritischer geprüft. 
Zudem wurden weitere acht Kontrolleurstellen beantragt.  

2017 stiessen Kontrolleure des Bundesamts für Verkehr auf Ungereimtheiten bei Postauto. Aus dem anfänglichen Verdacht wurde schnell traurige Gewissheit: Das ÖV-Unternehmen der Post hatte über Jahre mit Scheinbuchungen Millionen ertrogen. Wie Berichte der Blick-Gruppe zeigten, wussten Kader bis weit oben Bescheid. Diese Schock-Erkenntnis hat beim Bund zu einem Umdenken geführt. Die Rechnungen der grossen ÖV-Unternehmen werden nun kritischer geprüft. 
Zudem wurden weitere acht Kontrolleurstellen beantragt.  

Der interne Revisionsbericht des BAV stellt der Behörde ein miserables Zeugnis aus. Die Mängel bei der Kontrolltätigkeit seien «systematisch und gravierend». BAV-Direktor Peter Füglistaler – der im Fall Postauto noch die Moralkeule schwang – klang am Freitag gegenüber den Medien schon deutlich kleinlauter. Die Pressestelle schreibt: «Der Direktor hat die Verantwortung übernommen, indem er Anpassungen sowohl bei der Kontrolle wie auch bei der generellen Verwendung von Glättungsmodellen initiiert hat.»

Keine Reue bei der BLS

Die BLS wiederum hat zwar eingewilligt, rund 30 Millionen Franken zurückzuerstatten – doch sie tut so, als fühle sie sich nicht wirklich schuldig. Es handle sich um die «freiwillige Korrektur» eines nachträglich als nicht angemessen empfundenen Zinskostenmodells. Reue klingt anders. Die BLS-Medien­stelle teilt mit: «Es war nie unsere Absicht, zu hohe Abgeltungen zu erwirken – das bestätigt der Revi­sionsbericht.»

Pikant: Der Gewinn ist für das Kader bonusrelevant. Das bestätigt die BLS auf Anfrage. «Der ­variable Lohnteil der Kadermitarbeiter ist von mehreren Zielgrössen abhängig. Das Ergebnis auf Stufe des Konzerns ist ein kleiner Teil ­davon.» Lohnrückzahlungen seien dennoch kein Thema.

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