Seit knapp zwei Wochen wird die Teppichetage der Postauto AG durchgeschüttelt. Selbstverschuldet!
Mit faulen Tricks sicherte sich das Staatsunternehmen Dutzende Millionen Franken Subventionen – wie viele genau, ist immer noch unklar. CEO Daniel Landolf (58) und sein Finanzchef mussten gehen. Den übrigen Geschäftsleitungsmitgliedern wurden die Boni eingefroren. Jederzeit können Strafermittler am Postauto-Sitz im Berner Monbijou-Quartier auftauchen.
Nun rumort es nicht nur in der Verwaltung, sondern auch bei den Chauffeuren, die täglich zig Tausend Streckenkilometer zurücklegen. Derzeit sammeln sie Unterschriften für eine Petition mit dem Titel: «Keine Gratisarbeit bei Postauto!». Laut Gesamtarbeitsvertrag (GAV) arbeiten Postautochauffeure 42 Stunden in der Woche. Doch die Zeit, die für Arbeiten vor oder nach der Fahrzeit eingerechnet wird, ist zu knapp bemessen. Unvorhergesehenes muss in der Freizeit erledigt werden.
SonntagsBlick hat mit mehreren Postautochauffeuren geredet. Einer von ihnen ist Erich Bucher*. Seinen richtigen Namen will er nicht bekannt geben. «Dann wäre ich morgen meinen Job los.»
Nettolohn unter 5000
Bucher fährt Postauto in der Region Ostschweiz. Angestellt ist er beim privaten Busunternehmen Eurobus, das im Auftrag von Postauto operiert. Seine Arbeitsbedingungen orientieren sich am Postauto-GAV, der grundsätzlich eine Fünftage-Woche vorsieht. Bucher und seine Kollegen arbeiten aber sechs Tage die Woche. Der Nettolohn liegt deutlich unter 5000 Franken (SonntagsBlick liegen Lohn- und Zeitabrechnungen vor).
Vor allem aber ist Bucher frustriert, weil er sich von Postauto im Stich gelassen fühlt. So etwa, als in Steinach SG gebaut wurde: «Bei der Baustelle war die Strasse so eng, dass die Postautos nicht mehr durchkamen. Regelmässig wurde das Baustellen-Schild runtergerissen und der Bus beschädigt.»
Reklamationen bei Postauto hätten nichts gebracht. «Erst, als die Chauffeure in ihrer Freizeit bei der Polizei reklamierten, hat sich die Situation gebessert.» Aber dies ist nur eines von vielen Beispielen, die Bucher die Freude am Job verderben.
Ein anderes: Seit der Bahnhof St. Gallen umgebaut wurde, gibt es für Postautochauffeure keinen Aufenthaltsraum mehr. Müssen sie aufs WC, bleiben ihnen nur öffentliche Toiletten. Die aber sind so weit weg, dass die Zeit zwischen den Fahrten nicht reicht.
Den Aufenthaltsraum der Verkehrsbetriebe St. Gallen dürfen die Postautochauffeure nicht mitbenutzen. Auf Anfrage erklärt Postauto, man habe in Kontakt mit dem Bauamt in Steinach gestanden. «Die Fahrer wandten sich selbständig ans Bauamt, bevor das Thema mit der Leitung Postauto Ostschweiz ausdiskutiert war.» Und dass am Bahnhof St. Gallen keine WCs für Postautofahrer gebaut wurden, habe damit zu tun, dass es dort keine «offiziellen Standzeiten oder Pausen» gebe.
Berichte über Gratisarbeit kommen auch aus anderen Regionen. In Bern müssen die Chauffeure die Einnahmen in ihrer Freizeit einzahlen. Weil es immer weniger Poststellen gibt, wird dies zeitlich aufwendiger. Postauto argumentiert: «Wenn immer möglich wird darauf geschaut, dass die Fahrer solche Einzahlungen während einer bezahlten Pause erledigen können.»
Je nach Dienst könne es jedoch zu Situationen kommen, «in welchen die Fahrer diese Einzahlung in der Freizeit vornehmen».
Niedrige Löhne wegen Gewinnvorgaben
Vergangene Woche wurde bekannt, dass Postauto auch auf subventionierten Linien einen Gewinn von drei Prozent anstrebte. Das ist ausdrücklich nicht erlaubt. Diese Gewinnvorgabe wurde nicht nur dazu benutzt, dem Steuerzahler Geld abzuknöpfen, sondern auch, um die Chauffeure abzuspeisen. «Mit Verweis auf die Gewinnvorgaben des Konzerns wurden Lohnforderungen vor allem für langjährige Mitarbeiter regelmässig abgelehnt», sagt David Roth, Sprecher der Gewerkschaft Syndicom.
Postautofahrer bestätigen dies. Löhne sind überhaupt ein leidiges Thema. Laut GAV sind sie eigentlich nicht schlecht. Doch Fahrer und Gewerkschafter berichten, dass Postautochauffeure bei der Anstellung häufig sehr tief eingestuft werden und die Löhne danach nicht mehr steigen. Chauffeure aus der Region Ostschweiz und Zürich betonen gegenüber SonntagsBlick, dass ihre Kollegen bei städtischen Betrieben spürbar besser verdienten. Postauto entgegnet: «Die Löhne und Einstiegslöhne sind marktüblich und werden jährlich überprüft.»
Nächstes Jahr beginnen die Verhandlungen über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag. Die Gewerkschaften freuen sich auf einen Neuanfang: «Wir hoffen, dass es mit der neuen Führung lösungsorientierter wird. Unter Daniel Landolf waren die Verhandlungen schwierig.»
Chauffeur Erich Bucher sieht keinen Grund zur Hoffnung: «Niemand fühlt sich zuständig. Zwar ist man bei Eurobus angestellt, doch Postauto gibt die Arbeitsbedingungen vor. Wenn man etwas zu besprechen hat, wird man von Postauto zu Eurobus und von Eurobus zu Postauto geschickt.» Bucher glaubt deshalb nicht, dass er noch viel länger Postauto fährt. «Ich bin dabei, mich zu bewerben.»