Nach Grounding der A220-Flotte
Swiss-Passagiere haben schlechte Chancen auf Entschädigung

Rund 10’000 Swiss-Passagiere waren diese Woche vom temporären Grounding der A220-Flotte betroffen. Normalerweise haben europäische Passagiere bei Flugausfällen Anspruch auf bis zu 600 Euro. Für Schweizer ist es jedoch schwierig, an diese Entschädigung zu gelangen.
Publiziert: 19.10.2019 um 23:29 Uhr
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Rund 10’000 Swiss-Passagiere waren diese Woche vom temporären Grounding der A220-Flotte betroffen.
Foto: Thomas Lüthi
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Die Verantwortlichen der Swiss fällten diese Woche ­einen drastischen Entscheid: Nachdem es bei einem Airbus A220 erneut zum Zwischenfall mit einem Triebwerk gekommen war, liessen sie alle 29 Maschinen des Flugzeugtyps am Boden. An die 100 Flüge mussten annulliert werden. Rund 10'000 Swiss-Passagiere waren von dem temporären Grounding betroffen.

Seit Donnerstag läuft der Flugbetrieb wieder normal. Für die vorübergehend gestrandeten Passagiere aber stellt sich die Frage: Werden sie für die Unannehmlichkeiten entschädigt, die sie durch ausgefallene Flüge erdulden mussten – erhalten sie von der Swiss ein Schmerzensgeld?

Die Passagierrechte bei verspäteten oder ausgefallenen Flügen in Europa sind in der EU-Fluggastrechteverordnung geregelt. Sie gilt auch für die Schweiz. Und besagt unter anderem, dass Passagiere bei stornierten oder über drei Stunden verspäteten Flügen das Recht auf Unterstützungsleistungen am Flughafen haben. Dazu gehören – je nach Situation – die Bezahlung von Hotelübernachtung, Verpflegung, Kommunika­tion und Ersatzbeförderung.

Betreuung, aber wohl kein Geld

Zusätzlich zu diesen Leistungen steht Flugpassagieren aber auch eine Entschädigung von 250 bis 600 Euro zu, je nach Distanz des annullierten Flugs. Um die Unterstützungsleistungen vor Ort scheint sich die Swiss zufriedenstellend gekümmert zu haben. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), in der Schweiz für die Durchsetzung der Passagierrechte verantwortlich, schreibt auf Anfrage von SonntagsBlick: «Die Swiss hat die Passagiere sofort informiert und gemäss den europäischen Fluggastrechten betreut.»

Was Entschädigungszahlungen betrifft, sieht es für die betroffenen Swiss-Passagiere schlecht aus. Bazl-Sprecher Urs Holderegger: «Wir gehen zurzeit von aussergewöhnlichen Umständen aus, die zur Triebwerksüberprüfung geführt haben. Somit wären keine Ausgleichszahlungen gemäss Verordnung 261/2004 vorgesehen.»

Darin ist festgehalten, dass Luftfahrtunternehmen von Ausgleichszahlungen befreit sind, falls die Annullierung auf «aussergewöhnliche Umstände» zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn «alle zumutbaren Massnahmen» ergriffen worden wären. Letztlich geht es um die ­Frage: Wer ist für das temporäre Grounding der A220-Flotte verantwortlich? Technische Defekte fallen grundsätzlich in die Risikosphäre der Airline, also der Swiss. Herstellerschäden dagegen gelten als aussergewöhnlicher Umstand.

Bei Herstellerschaden wenig Chancen

Simon Sommer (29), Fluggastrechtsjurist bei cancelled.ch: «Sollten Swiss und Bazl den Standpunkt vertreten, dass es sich um einen Herstellerschaden handelt, so dürften die pauschalen Ausgleichszahlungen in der Höhe von 250 bis 600 Euro nur sehr schwierig eingefordert werden können.»

Gemäss Stefanie Müller von der deutschen Flightright GmbH ist es in der Schweiz generell schwieriger, EU-Passagierrechte durchzusetzen. «Da die Auslegungen des Europäischen Gerichtshofs für die Schweizer Gerichte nicht bindend sind, wirken viele verbraucherschützende Urteile des EuGH in der Schweiz nicht musterhaft.» Die Rechtslage sei in der Schweiz somit weniger konsumentenfreundlich.

Und was sagt Swiss dazu? Die Airline gibt sich im Hinblick auf Ausgleichszahlungen auffällig zurückhaltend. Sprecherin Karin Müller: «Im Fokus standen diese Woche die Normalisierung des Flugbetriebs und die Betreuung der Fluggäste. Aus diesem Grund konnte die Entschädigungsthematik noch nicht umfassend analysiert werden.»
Grundsätzlich teile man aber die Ansicht des Bazl, dass bei aussergewöhnlichen Umständen keine Ausgleichszahlungen vorgesehen seien.

Die Airline, die stolz das Schweizerkreuz in die Welt hinausträgt, hat offensichtlich kein Interesse daran, dass die Stärkung der Passagierrechte in ihrem Heimatland zum Thema wird.

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