Nach dem grossen Pendler-Frust
Darum machen die SBB bei Frost schlapp

Schnee und Eis führten am Montag zum Chaos im Zürcher S-Bahn-Netz. Ehemalige SBB-Angestellte sagen: Früher gab es diese Probleme nicht. Schuld seien Sparmassnahmen.
Publiziert: 31.12.2014 um 13:49 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:09 Uhr
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Das Eis überforderte die SBB: Anzeige am Montag im Zürcher Bahnhof Stadelhofen.
Foto: alp

Das Eis-Debakel der SBB vom Montag gibt viel zu reden. Dass zahlreiche Züge im Zürcher S-Bahn-Netz ausfielen und bis zu 40 Minuten verspätet waren, provozierte emotionale Kommentare auf News-Portalen und in den sozialen Medien.

Viele sind der Meinung, dass die SBB auf Schneefall und zweistellige Minustemperaturen vorbereitet sein müssten. Andere sind überzeugt, dass viel zu stark gejammert wird. Ein paar Verspätungen nach einem Wintereinbruch seien kein Problem.

Offen bleibt die Frage, ob die SBB früher besser auf Schnee und Eis reagieren konnten, als man noch Personal an den Bahnhöfen beschäftigte. Davon ist René Bolzern überzeugt. Er war 42 Jahre lang Visiteur bei den Staatsbahnen. «Als die Bahnhöfe noch bedient waren, konnte man schneller die Weichen vom Eis befreien», sagt er.

Heute übernehmen Weichen-Heizungen diesen Job. Wenn allerdings ein Eisbrocken die Umstellung blockiert, dauert es laut SBB eine Weile, bis ihn die Heizung weggeschmolzen hat.

Bolzern glaubt, dass das früher ohne Heizung schneller ging: «Man kann nicht Tausende von Mitarbeitern einsparen und meinen, der Computer entferne Eis und Schnee von den Geleisen.» Darum seien die SBB «zur Schönwetter- und Spar-Eisenbahn mutiert».

Heute kommt das Räumungspersonal von auswärts

Jürg Streuli, der 20 Jahre lang als Fahrdienstleiter bei den SBB arbeitete, erklärt den Vorgang von damals: «Dass es früher, bis etwa 1980, nur wenige Weichenheizungen gab, hatte zur Folge, dass jede einzelne Weiche mit speziellen Weichenbesen von Schnee und Eis gereinigt werden musste.» Durch die Einführung von ferngesteuerten Stationen wurde dieses Personal abgebaut. «Wenn die Weichen heute bei starkem Schneefall und herunterfallenden Eisklumpen verstopfen und funktionsunfähig werden, muss das helfende Personal zuerst von auswärts herangeführt werden.»

Früher gab es laut Streuli noch ein Art «Eisenbahnerehre». Sprich: Wenn Verspätungen drohten, setzte man sich noch stärker ein, weil man auf dem Perron in direktem Kundenkontakt stand: «Bei Verspätungen musste sich der Fahrdienstleiter noch Auge in Auge vor den Reisenden rechtfertigen. Der Einsatz für einen reibungslosen Betrieb war hoch.»

Heute, mit den ferngesteuerten Zentralen, sei das anders. Streuli: «Jetzt machen die Verantwortlichen einen lockeren Job hinter den gesicherten und geheizten Mauern der Betriebszentrale am Flughafen Kloten. Eine persönliche Betroffenheit existiert längst nicht mehr.»

«Es bräche das Chaos aus»

SBB-Sprecher Daniele Pallecchi widerspricht vehement: «Der heutige Bahnbetrieb mit tagtäglich 9000 Zügen und einer Million Fahrgästen ist ohne Automatisierung nicht zu bewältigen. Würden Fahrdienstler wie früher die Züge von Bahnhof zu Bahnhof 'weiterreichen', bräche das Chaos aus. Vor allem, wenn Sie noch Weichen räumen müssten.»

Störungen hätten bei der heutigen Zugdichte «massiv stärkere Auswirkungen» im Netz als vor 30 Jahren. Grund: Es sind schlichtweg mehr Züge und Fahrgäste unterwegs.

Und noch ein Faktor kommt hinzu, wie Peter Moor, Sprecher der Gewerkschaft SEV, erklärt: «Wenn heute bei Schnee an jeder Weiche jemand mit Schaufel und Besen stehen würde, wären die Billetpreise sehr viel höher.»

Moor schätzt, dass an den Bahnhöfen weit über 1000 Stellen gestrichen wurden. «Man hat das Personal sicher zu weit heruntergefahren, um eine Situation bei -15 Grad zu meistern. Aber man muss sich auch fragen, wie oft es schon -15 Grad wird.» (alp)

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