Nach Debatte um unser Gemüse
Wie viel Schweiz steckt im Schweizer Fleisch?

Viehzüchter importieren jedes Jahr über eine Million Tonnen Futtermittel. Damit machen sie Schweizer Fleisch.
Publiziert: 09.03.2013 um 19:49 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:27 Uhr
Von Peter Hossli

Dieser TV-Spot macht hungrig. Zwanzig Sekunden brutzelt ein Hähnchen im Garofen. «Schweizer Fleisch!», sagt danach eine sonore Stimme. «Alles andere ist Beilage.»

Werbung wirkt. Schweizer mögen Fleisch. 53,74 Kilogramm pro Kopf assen sie 2011. Und kauften grösstenteils – 80,1 Prozent – heimische Ware. Einen «hohen Standard bei Tierschutz, Gesundheit und der Ökologie» hätte Schweizer Fleisch, sagt Heinrich Bucher, Direktor beim Branchenverband Proviande.

Doch wie viel Schweiz steckt in der Wurst, im Entrecôte, dem Pouletschenkel? Ist «Suisse Garantie»-Fleisch ein Schweizer Produkt?

Selbstversorgungsgrad bei unter 50 Prozent

Nicht nur. Zur Welt kommen Ferkel, Kälber, Fohlen und Küken hierzulande. Sie wachsen in Schweizer Ställen, auf Schweizer Feldern und Alpen auf. Schweizer Metzger schlachten sie. Heimische Betriebe verarbeiten sie zu leckeren Fleischwaren.

Was Filets aber zart, Schinken fett und Braten feiss macht, ist in vielen Fällen ausländisches Kraftfutter.

Bei Futtergetreide, das vor allem Schweine und Hühner fressen, aber auch Rinder, liegt der Selbstversorgungsgrad bei unter 50 Prozent. Bei eiweisshaltigem Kraftfutter – Rapskuchen, Sojaschrot – rutschte er unter 40 Prozent. Drei Viertel des Futters, das Hühner picken, ist importiert. In hiesige Schweine­tröge gelangen 67 Prozent ausländisches Eiweiss. Nahezu verdreifacht hat sich seit 1996 der Import von Kraftfutter. Gewaltige Mengen schleppen Schiffe heran, karren Lastwagen über die Schweizer Grenze: 2012 waren es insgesamt 1,04 Millionen Tonnen.

267 593 Tonnen brasilianisches Sojaschrot

Die Fracht kommt aus Europa, vor allem aber aus Brasilien. Letztes Jahr importierten Züchter 267'593 Tonnen brasilianisches Sojaschrot. Kein anderes Land pflanzt so viel Soja, das nicht gentechnisch verändert ist. Nur solches darf Schweizer Vieh futtern.

Aus dem Ausland vertilgten heimische Nutztiere 197'432 Tonnen Weizen, 85'685 Tonnen Mais, fast 70'000 Tonnen Reis. Dazu kamen eher exotische Importe wie 2454 Tonnen Paniermehl – und 225 Tonnen Tierblut.

Zugenommen haben die Einfuhren, weil die Anbaufläche für Futtergetreide in der Schweiz seit 1992 um rund 40 Prozent zurückgegangen ist, bei Brotgetreide um 16 Prozent. Die Preise halbierten sich. Zudem trieb das Fütterungsverbot von Schweizer Tiermehl die Eiweisseinfuhr rasant hoch.

Am meisten Schweizer Futter fressen Kühe. Sieben Kilo verschlingen Rinder, um ein Kilo Fleisch zu produzieren. Mehrheitlich schleusen die Wiederkäuer Gras, Heu und Silage durch vier Mägen – gewachsen auf hiesigen Feldern. Viele Rinderzüchter verfüttern aber zusätzlich Kraftfutter. Zwischen 600 und 700 Kilo Soja frisst eine Milchkuh jedes Jahr.

Schweiz weder bei Lebensmitteln noch bei Futter autark

Wer Schweizer Fleisch essen will, das weniger aufwendig produziert worden ist, gart Poulet oder grilliert eine Wurst. Denn ein Huhn muss nur 1,7 Kilo essen, um 1 Kilo zuzunehmen. Beim Schwein beträgt das Verhältnis 2,7 zu 1. Geflügel- wie Schweinezüchter verfüttern mehrheitlich ausländisches Eiweiss. Wem Swissness wichtig ist, legt Rindssteaks in die Pfanne.

Es sei «ökologisch unsinnig», grosse Mengen an Futtermittel einzuführen, sagt Konsumentenschützerin Sara Stalder. «Wie beim Erdöl sind wir beim Fleisch abhängig von Importen.» Sie verlangt: «Bei Schweizer Fleisch muss die Herkunft des Futters offengelegt werden.»

Er sei für Transparenz, entgegnet Proviande-Direktor Bucher. «Niemand will aber einen umfassenden Beipackzettel wie bei Medikamenten.» Die Herkunft der Tiere sei deklariert. «Es ist allgemein bekannt, dass die Schweiz weder bei Lebensmitteln noch bei Futter autark ist.»

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