Der Franken befindet sich bereits seit Ende April in einem Aufwärtstrend zum Euro. Im April mussten noch über 1,14 Franken für einen Euro bezahlt werden.
Kurz nach dem Mittag war es soweit: Der Wechselkurs vom Franken zum Euro fiel unter die Marke von 1.10. Zu einem Kurs unter dem Tauschverhältnis 1 zu 1.10 wurden die beiden Währungen zuletzt am 7. Juli 2017.
Damit ist das Thema Frankenstärke plötzlich wieder auf dem Tisch. Noch vor kurzem ging man davon aus, dass es zu einer längerfristigen Normalisierung kommen würde. Grund dafür war die Einschätzung, dass die Zinsen weltweit weiter steigen würden.
Greift jetzt die SNB ein?
Nachdem Boris Johnson das Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May gemacht hat, ist ein harter Brexit nun sehr wahrscheinlich geworden. Experten gehen jedoch davon aus, dass das erst der Anfang ist. Die erwarteten Zinssenkungen in den USA und der Eurozone könnten den Aufwertungsdruck zum Franken weiter erhöhen.
Die Euro-Schwäche geht auch auf eine Dollar-Stärke zurück, ausgelöst durch eine Einigung auf eine Schuldenobergrenze in den USA. Am Montag hatten sich die US-Regierung und Vertreter des US-Kongresses über ein Haushaltspaket mit einer Laufzeit von zwei Jahren verständigt. Darin wurde auch eine Schuldenobergrenze festgelegt.
Die Einigung hat einen möglichen Stillstand der Regierungsgeschäfte abgewendet. In den vergangenen Jahren hatte der Streit um den Staatshaushalt mehrfach die Regierungsgeschäfte in den USA zeitweise lahmgelegt.
Was macht die EZB?
Mit Spannung blicken die Marktteilnehmer daher nach Frankfurt, wo die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag ihre Zinsentscheidung veröffentlicht. Die Erwartungen sind gross. Ökonomen erinnern gerne daran, dass EZB-Chef Mario Draghi manchmal auch gerne die Erwartungen des Marktes «übererfüllt». Somit sind Überraschungen nicht ausgeschlossen.
Sollte der Euro nach dem Zinsbeschluss deutlich unter 1.10 Franken sinken, könnte dies die Schweizerische Nationalbank (SNB) zum Handeln zwingen, heisst es am Markt. In der Vergangenheit war die SNB einer solchen Frankenstärke mit Interventionen am Devisenmarkt entgegengetreten, sie hatte also Euro gegen Franken gekauft.
Psychologisch wichtige Grenze
Die Grenze von 1.10 ist psychologisch äusserst wichtig. Wird nun die Nationalbank wieder aktiv? Analysten gehen davon aus, dass die SNB bald wieder eingreifen wird. Bei der Commerzbank etwa heissst es, dass das Währungspaar damit Niveaus erreichen dürfte, bei denen die SNB wieder stärker gegen ein weiteres Erstarken des Franken intervenieren könnte.
Wenn es nach den Zehntausenden von Schweizern geht, die derzeit grad im Europaraum ihre Ferien verbringen, könnte die SNB damit ruhig noch etwas zuwarten. (pbe/SDA)