Fünf Jahre ist es her. Marguerite Fawaz (64) aus Brüttisellen ZH kann sich noch daran erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. «Ich bin aus den Herbstferien zurückgekommen und hatte die Kündigung auf dem Pult. Aus heiterem Himmel. Nach sieben Jahren. Wegen einer Umstrukturierung», sagt sie. Das sei hart gewesen, kurz vor dem 60. Geburtstag. «Aber ich war damals überzeugt, sofort wieder etwas zu finden», erinnert sie sich. Ein Trugschluss. Einen festen Job hat sie seither keinen mehr gefunden. Obwohl sie 500 Bewerbungen geschrieben hat, gute Zeugnisse besitzt und mehrere Sprachen spricht.
Aufgeben will Fawaz aber nicht. Die gelernte Telefonistin hat sich im kaufmännischen Bereich weitergebildet und sich über die Jahre dann bis zur Direktionssekretärin hochgearbeitet. «Ich will einfach wieder arbeiten», sagt sie vehement. Von den vielen Absagen lässt sie sich nicht entmutigen. Für Fawaz ist aber klar: «Es liegt an meinem Alter, dass ich keine Chance mehr bekomme. Nicht an meinen Qualifikationen.» Auch wenn ihr das niemand so direkt sage.
«Ich will noch drei, vier Jahre arbeiten»
Inzwischen ist sie pensioniert. Die Jobsuche führt sie aber fort. «Ich will noch drei, vier Jahre arbeiten. Suche eine 50- bis 80-Prozent-Anstellung im kaufmännischen Bereich», sagt sie. «Ich fühle mich viel zu jung, um einfach nichts mehr zu machen.» Zudem wolle sie auch fürs Alter etwas zur Seite legen. Denn das kam in den fünf Jahren ohne Job zu kurz.
Zwei Jahre hat sie Arbeitslosengeld bezogen. Bis vor kurzem lebte sie vom Ersparten. Existenzängste plagen sie. «Es tut weh, wenn das Geld, für das man das ganze Leben lang gearbeitet hat, einfach immer mehr schrumpft. Ich erwache oft in der Nacht, dann fängt es an zu rotieren im Oberstübli.»
«Viele Freunde haben sich abgewandt»
Die lange Arbeitslosigkeit wirkt sich auf ihr gesamtes Leben aus. «Viele Freunde haben sich von mir abgewandt», sagt sie traurig. Nach 33 Jahren musste sie ihre geliebte Wohnung verlassen. Die Siedlung wurde saniert. Die Miete wäre für Fawaz danach unbezahlbar gewesen. «Fast ein Jahr habe ich eine Wohnung gesucht. Als Arbeitslose hat man bei vielen Vermietern schlechte Karten.» Die geliebten Ferien auf Zypern liegen nicht mehr drin. Fawaz hofft, dass ihr 20-jähriger Hyundai noch eine Weile durchhält. Es ist nicht der Moment für eine teure Reparatur.
Zwischenzeitlich hat sie kurz bei verschiedenen Firmen aushelfen können. Etwa in einem Callcenter. «Der Telefonverkauf liegt mir aber nicht. Nach der Probezeit war ich wieder ohne Arbeit», sagt sie. Von April bis Ende Juli hat sie in einer Kurier-Firma gearbeitet. Aus wirtschaftlichen Gründen war aber auch dieses Engagement nur von kurzer Dauer.
«Es ist wichtig, dass man sich nicht gehen lässt»
Die Stelleninserate sucht sie im Internet. Immer dienstags, donnerstags und sonntags durchforstet die 64-Jährige Jobportale. «Es ist wichtig, dass man sich eine Struktur gibt und sich nicht gehen lässt», sagt Fawaz. «So treibe ich zum Beispiel dreimal pro Woche Sport. Das tut mir gut.»
Ihr graut vor den Feiertagen. Da seien all die Probleme und Sorgen noch präsenter als sonst. «Weihnachten ist eine Katastrophe», sagt sie. Das Alleinsein bereitet ihr Mühe. «Zudem hat man über die Festtage noch mehr Zeit, um zu grübeln.»
Sie versucht sich jeweils abzulenken, gönnt sich einen Restaurantbesuch oder lange Spaziergänge. Was sie sich fürs neue Jahr wünsche? «Einen Job und gute Gesundheit.» Auf dass die jahrelange Bewerberei endlich ein Ende habe.