«Wir haben hier viel erlebt»
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Manor-Angestellte im Interview:«Wir haben hier viel erlebt»

Nach 35 Jahren ist der Manor an der Zürcher Bahnhofstrasse Geschichte
Zuerst flossen die Tränen, dann der Prosecco

Es war ein emotionaler Tag für Filialleiterin Marion Heinzle. Die Chefin von Manor an der Bahnhofstrasse musste viele Angestellte trösten, die ihren letzten Arbeitstag hatten. Die Kunden sicherten sich die letzten Schnäppchen.
Publiziert: 31.01.2020 um 23:12 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2020 um 15:31 Uhr
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Marion Heinzle, Filialleiterin Manor Bahnhofstrasse, schliesst zum letzten Mal ihr Warenhaus ab.
Foto: Siggi Bucher
Patrik Berger und Fabio Giger

Marion Heinzle (53), Filialleiterin von Manor an der Zürcher Bahnhofstrasse, öffnet gestern Punkt 9 Uhr die Türen ihres Warenhauses. Zum letzten Mal. Mehrere Dutzend Kunden warten schon vor den Eingängen. Sie hoffen auf letzte, lukrative Schnäppchen.

Ende September wurde klar, dass Manor den prestigeträchtigen Standort verlassen muss. Nach 35 Jahren. Manor hat einen jahrelangen Rechtsstreit gegen die Swiss Life verloren. Die Versicherung will das Haus sanieren und dann teurer vermieten.

Die Chefin muss immer wieder trösten

Entsprechend hoch gehen gestern die Emotionen. Immer wieder muss Chefin Marion Heinzle bei einem Rundgang durch ihr Warenhaus weinende Verkäuferinnen trösten und ihnen gut zureden. «Die Schliessung löst eine grosse Trauer aus», sagt sie zu BLICK. «Jetzt, wo sich die Gestelle leeren, wird einem bewusst, dass es wirklich fertig ist.» Man habe die ganzen letzten Tage eine grosse Solidarität der Kundschaft gespürt.

«Ich werde das Warenhaus vermissen», sagt Kundin Christa Leeb (53) aus Zürich. «Heute habe ich aus Mitleid noch einmal für 100 Franken eingekauft.» Christoph Meyer (38) aus Zürich hat selber einmal in der Filiale gearbeitet: «Ich kenne deshalb noch einige Mitarbeiter. Für die ist es jetzt echt schwierig.»

Ex-Polizist verschenkt Einräppler

Gut besucht ist das Manora-Restaurant im obersten Stock. Viele Stammgäste nutzen die Chance, noch einmal in «ihrem» Restaurant zu essen. Sie verabschieden sich noch herzlich vom Personal und sagen Danke.

Einer von ihnen ist Armand Bachmann (84) aus Zürich. Er steht an der Bar und nippt an einer Stange Bier. Für den pensionierten Stadtpolizisten wird es die letzte in seinem Lieblingsrestaurant sein. «Seit über 30 Jahren gehe ich schon mit meinen Polizeikollegen hierhin», sagt er.

Bachmann fällt der Abschied nicht leicht. Doch er hat sich etwas überlegt: Er schenkt jedem Angestellten, den er schon lange kennt, einen Einräppler. «Der soll denen Glück bringen, die noch keinen neuen Job gefunden haben», sagt Bachmann und trinkt sein Bier aus, bevor er sich auch vom letzten Manor-Angestellten verabschiedet.

Ein Hauch von Endzeitstimmung

Im dritten Stock läuft der Song «Wind of Change» von den Scorpions über die Lautsprecher. Derweil machen Verkäuferinnen noch ein letztes gemeinsames Selfie. Ware ist praktisch keine mehr vorhanden. Das Untergeschoss ist komplett leer. Ein Hauch von Endzeitstimmung macht sich breit.

Auch in der Kleiderabteilung herrscht gähnende Leere. Nur noch Gestelle und nackte Schaufensterpuppen erinnern daran, dass hier jahrzehntelang Mode verkauft wurde. Hosenträger und Krawatten gibt es noch en masse. Und Hemden in der Übergrösse XXL.

Davon bleiben wohl auch noch ein paar übrig, als Chefin Heinzle zusammen mit dem ganzen Team mit einem symbolischen Schlüssel den Laden für immer dichtmacht. Danach feiern alle zusammen bei einem Gläschen Prosecco. Das dürfte auch die letzten Tränen trocknen.

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