«Es hat vor allem sehr viel Mut gebraucht»
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Trotz Krise Geschäft eröffnet:«Es hat vor allem sehr viel Mut gebraucht»

Mutige Macherinnen
Sie starten trotz Krise ein Geschäft

Mehr Firmen als 2020 sind in der Schweiz nie gegründet worden – ungeachtet der Pandemie. SonntagsBlick sprach mit Menschen, die diesen Schritt wagten.
Publiziert: 11.04.2021 um 13:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2021 um 17:11 Uhr
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Geschäftsfrau Janine Niederhauser (links), ihr Mann und Geschäftspartner Fabian Niederhauser und Floristin Helen Lohm.
Foto: Nathalie Taiana
Dana Liechti

Es sind gute Nachrichten: 2020 gingen die Firmenkonkurse im Vergleich zum Vorjahr schweizweit zurück – trotz Pandemie. Natürlich spielten dabei auch die Hilfspakete des Bundes eine Rolle.

Aber es gibt noch mehr Good News: 2020 gründeten Schweizerinnen und Schweizer so viele Unternehmen wie nie. 46 842 Firmen wurden neu ins Handelsregister eingetragen – fünf Prozent mehr als im Jahr davor. Das zeigt eine Analyse von Startups.ch, einer Online-Gründungsplattform.

Gut möglich, dass der Trend auch 2021 anhält. Denn allein im Februar nahmen die Neugründungen laut Startups.ch gemessen am Vorjahr bereits wieder um mehr als zehn Prozent zu. «Und das, obwohl wir im Vergleich 2020 mitten in der Pandemie steckten», wie Startups.ch-Sprecher Mattia Piccoli betont.

Doch was bewegt Gründerinnen und Gründer dazu, mitten in der Krise ein neues Geschäft zu eröffnen? Wir haben bei einigen von ihnen nachgefragt.

Janine Niederhauser (37), Geschäftsführerin Blumen Butik, Ins BE

Blumen Butik-Geschäftsführerin Janine Niederhauser (links) mit ihrem Mann und Geschäftsführer Fabian Niederhauser und der leitenden Floristin Helen Lohm.
Foto: Nathalie Taiana

«Wir haben uns lange überlegt, ob wir wirklich während der Krise ein Geschäft eröffnen wollen. Aber bei solchen Aufgaben muss man manchmal über sich selbst hinauswachsen – und das Bauchgefühl hat Ja gesagt.

Es hat auch gepasst: Ein traditionelles Blumengeschäft ist hier im Ort zugegangen. Und wir haben ein super Lokal mit grossen Schaufenstern gefunden, davon habe ich schon immer geträumt. Dann hat sich auch unsere leitende Floristin Helen Lohm gemeldet, weil sie auf der Suche nach einer neuen Aufgabe war. Da mussten wir es fast wagen!

Also haben wir den Laden zusammen mit Familie und Freunden umgebaut. Wir sehen das Ganze optimistisch: Die Leute reagieren wegen der Pandemie wieder anders auf lokale Geschäfte. Und sie sehnen sich richtig danach hineinzugehen. Wir dachten schon, dass unser Blumenladen etwas sein könnte, was im Dorf noch fehlt. Aber dass die Leute so darauf gewartet -haben, dass wir eröffnen, hat uns dann doch überrascht.

Am 16. März war es so weit. Eigentlich hatten wir gehofft, etwas ausschenken zu dürfen oder jemanden da zu haben, der Musik macht und für gute Stimmung sorgt. Das war jetzt zwar nicht möglich, aber vielleicht können wir es ja nachholen.»

Joel Ibernini (33), Inhaber und Gastgeber Armando’s pane e vino, Baden AG

Inhaber Joel Ibernini und Geschäftsführerin Nora Fassino vor dem «Armando's – pane e vino» in Baden AG.
Foto: Nathalie Taiana

«Es ist nicht das erste Mal, dass ich an der Eröffnung eines Gastrobetriebs beteiligt bin – so viel Respekt wie jetzt hatte ich aber noch nie. Trotzdem wage ich es. Ich wollte schon lange ein solches Konzept umsetzen – und dann fand ich dieses Lokal, das den Charme hat, den ich suchte. Diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Natürlich ist die Ausgangslage schwierig. Bei uns gibts am Morgen Kaffee, am Mittag haus-gemachte Panini, und abends sind wir eine Weinbar. Ausgerechnet den Barbereich können wir noch nicht eröffnen, obwohl er der grösste Umsatzgeber sein wird. Solange wir die Restriktionen haben, kommen wir auf keinen grünen Zweig. Trotzdem bieten wir unsere Panini seit Anfang April über die Gasse an. Und wir verkaufen unsere Weine auch zu Detailhandelspreisen.

Es kann Vorteile haben, in einer schwächeren Zeit anzulaufen. So können wir uns als Team gut einspielen. Ich hoffe, die Gastronomie profitiert bei der Wiedereröffnung von einem ähnlichen Schub wie jetzt der Detailhandel. Mein ganzes Geld steckt im Armando’s – darum hoffe ich, dass irgendwann mal wieder ein Rappen reinkommt.»

Gabriela Balga (47), Geschäftsführerin Abfüllbar & mehr – unverpackt, Buttikon SZ

Gabriela Balga (rechts) eröffnet in Buttikon SZ mit der Unterstützung ihrer Familie (im Bild ihre Tochter) einen Unverpacktladen.
Foto: zVg

«Anfang Mai wollen wir unseren Unverpackt-Laden eröffnen. Unser Ziel ist es, unnötige Verpackungen zu vermeiden und ein Bewusstsein zu schaffen für hochwertige, regionale und saisonale Lebensmittel. Wir wollen eigentlich einen Schritt retour machen – und ein Einkaufserlebnis wie früher ermöglichen.

Natürlich braucht es immer Mut, um etwas Neues zu wagen. Aber wenn man nichts riskiert, kann man auch nichts bewegen. Mir selbst wurden während der Pandemie bisher nur Türen geöffnet.

Vom Zeitpunkt her könnte die Eröffnung nicht besser liegen. Es findet gerade ein Umdenken statt. Die Menschen hinterfragen ihre Lebensweise, viele leben schon bewusster – und Unverpackt-Läden werden beliebter.

Wir bekamen viele positive Rückmeldungen. Die Anwohner freuen sich, dass es im Dorf auch bald einen Unverpackt-Laden gibt – nicht nur in den Städten.

Ich bekomme täglich Anfragen, wann wir endlich öffnen. Die Leute sagen mir, dass sie ihre Beutel und Gläser bereits parat haben und gerne bei uns einkaufen würden. Sie mögen kaum mehr warten. Und ich selbst auch nicht.»

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