Mobbing-Vorwürfe
So wehrt sich Nestlé-Bulcke

Paul Bulcke musste gestern vor Gericht antraben. «Bei uns herrscht kein Klima der Angst», sagt der Chef des Lebensmittel-Riesen Nestlé und weist die Mobbing-Vorwürfe zurück.
Publiziert: 16.12.2015 um 19:39 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 18:02 Uhr
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«Mobbing wird bei Nestlé nicht toleriert.» Nestlé-Chef Paul Bulcke
Foto: Peter Gerber
Von Andrea Hohendahl, Lausanne

Auf diesen Auftritt hätte Nestlé-Chef Paul Bulcke (61) gestern wohl gerne verzichtet. Kurz vor 14 Uhr fährt er in einem 7er-BMW mit verdunkelten Scheiben am Bezirksgericht Lausanne vor. Bulcke ist in einem der spektakulärsten Mobbing-Prozesse der Schweiz vorgeladen. Vor der Richterin muss er sich den Vorwürfen von Ex-Kaderfrau Yasmine Motarjemi (60) stellen.

Zwei Dutzend Journalisten warten im Regen auf den Belgier und weitere Konzern-Manager wie Nespresso-Chef Jean-Marc Duvoisin (56). Als Bulcke mit Anwalt aus der Limousine steigt, lächelt er, wirft den Medienvertretern jovial ein paar kurze Sätze zu. Bevor er den Verhandlungssaal betritt, gibt er Klägerin Motarjemi die Hand. Sie wirkt daraufhin gekränkt. Journalisten sagt die gebürtige Iranerin, dass es ihr sehr gut gehe, sie den Verhandlungsbeginn kaum erwarten könne.

Eine Stunde lang nimmt die Richterin Nestlé-Chef Bulcke in die Mangel, stellt ihm Fragen zu seinem Umgang mit den Mitarbeitern. «Bei uns herrscht kein Klima der Angst», sagt Bulcke. Bei Nestlé respektiere man jede Person. Die Mobbing-Vorwürfe Motarjemis weist er zurück: «Mobbing wird bei Nestlé nicht toleriert.» Der Konflikt mit der Ex-Mitarbeiterin wurde «seriös untersucht», sagt Bulcke. Eine externe Firma ist mit der Untersuchung des Falls betraut worden. Sie sei zum Schluss gekommen, dass es in Motarjemis Abteilung keine Probleme gegeben habe.

Rückblende: Im Jahr 2000 warb Lebensmittel-Multi Nestlé Motarjemi von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ab. Als Expertin für Nahrungsmittelsicherheit sollte sie dem Management über Unregelmässigkeiten bei der Herstellung von Lebensmitteln berichten. Die Kaderfrau fühlte sich anfänglich gefordert und sehr gebraucht. Sie übte Kritik, steckte aber auch ein, wie sie sagt. Sie nahm sich heikler Themen engagiert an. Brisant war ein Fall von Kinderbiskuits – von denen offenbar Erstickungsgefahr ausging. Schon bald galt sie als lästig, man hörte sie nicht mehr an.

Je länger Motarjemi zu hohe Vitaminwerte oder durch Chemikalien verunreinigte Packungen anprangerte, desto mehr wurde sie ignoriert. 2006 wurde ihr ein neuer Chef vor die Nase gesetzt. Dieser stellte sie kalt, wie sie sagt. Intern nannte man ihre Abteilung Nestapo – die Qualitätssicherung war nicht sehr beliebt.

Die Liste von Motarjemis Feinden bei Nestlé wuchs. Am Schluss galt die Ex-WHO-Expertin nur noch als Sekretärin. 2010 erhielt sie die Kündigung – wegen «unterschiedlicher Ansichten bezüglich Nahrungsmittelsicherheit».

Den Vorwurf der Klägerin, dass genau diese bei Nestlé keine grosse Rolle gespielt habe, weist Bulcke zurück: «Die Qualität unserer Produkte ist nicht verhandelbar.» Er gibt zu Protokoll, dass er auch deshalb vor Gericht erschienen ist, um das zu betonen. Dann verlässt er den Saal. Seine 7er-BMW wartet mit laufendem Motor vor dem Gericht. Sein Blick geradeaus, das Lachen war ihm sichtlich vergangen. Die Verhandlung ging noch bis spät in den Abend hinein.

Das Urteil wird erst im nächsten Jahr gefällt. Der Prozess geht am 2. Februar weiter.

Das gilt als Mobbing

Zürich – Gerüchte verbreiten, Mitarbeiter blossstellen, unfaire Attacken am Arbeitsplatz: Mobbing hat viele Gesichter. Laut der Mobbingberatungsstelle Zürich und Bern spricht man von Mobbing, wenn eine Person oder eine Gruppe wiederholt und über eine längere Zeitspanne die Würde eines anderen Menschen verletzt – indem der Betroffene schikaniert, übergangen, beleidigt oder schlicht ignoriert wird. Aber nicht hinter jeder Auseinandersetzung verberge sich ein gezieltes Mobbing. Laut einem Urteil des Arbeitsgerichts Zürich muss ein von Mobbing Betroffener dies dem Arbeitgeber frühzeitig anzeigen. Kommen Missstände erst nach einer Kündigung zur Sprache, hat der Kläger vor Gericht kaum eine Chance.

Zürich – Gerüchte verbreiten, Mitarbeiter blossstellen, unfaire Attacken am Arbeitsplatz: Mobbing hat viele Gesichter. Laut der Mobbingberatungsstelle Zürich und Bern spricht man von Mobbing, wenn eine Person oder eine Gruppe wiederholt und über eine längere Zeitspanne die Würde eines anderen Menschen verletzt – indem der Betroffene schikaniert, übergangen, beleidigt oder schlicht ignoriert wird. Aber nicht hinter jeder Auseinandersetzung verberge sich ein gezieltes Mobbing. Laut einem Urteil des Arbeitsgerichts Zürich muss ein von Mobbing Betroffener dies dem Arbeitgeber frühzeitig anzeigen. Kommen Missstände erst nach einer Kündigung zur Sprache, hat der Kläger vor Gericht kaum eine Chance.

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