Wenn sie die Übernachtungszahlen der ausländischen Gäste betrachten, ist vielen Hoteliers und Tourismusverantwortlichen zum Heulen zumute. Zwar geht es wegen der Pandemie vielen anderen Ländern nicht besser. Doch im Gegensatz zur Schweiz scheuen andere Tourismushochburgen keinen noch so grossen Aufwand, um sich als covidsicher zu verkaufen.
Sie buhlen auch um Schweizerinnen und Schweizer, deren Lust auf Strand und Wärme zwar gross ist, gleichzeitig aber Angst vor einer Corona-Ansteckung haben. Griechenland Tourismus versucht das Vertrauen der Reisenden unter dem Motto «Destination Griechenland – Gesundheit an erster Stelle» zu wecken. Betont prominent macht es auf seine Schutzmassnahmen aufmerksam und schränkt die Bewegung der eigenen Bevölkerung vor der Saisoneröffnung Mitte Mai extra nochmals ein, um die Corona-Fälle zu drücken.
Kroatien wiederum richtet coronafreie Inseln ein und impft alle Tourismus-Angestellten prioritär. Unbeschwert möglich werden Auslandsreisen, wenn die breite Masse den Corona-Piks erhalten hat. Je nachdem, wie schnell es damit vorwärtsgeht, dürfte das hierzulande auf die Sommerferienzeit (Ende Juli, August) fallen.
Neue Reisefreiheiten sind für hiesigen Tourismus ein Risiko
Gibt es nochmals einen Schweizer Märchensommer? Unsicherheit herrscht: Bleiben jene Schweizerinnen und Schweizer, die wegen Corona im letzten Jahr statt Badeferien am Meer im eigenen Land Ferien gemacht haben diesen Sommer wieder in der Schweiz? «Diese Inlandsgäste zu behalten, wird nach den Grenzöffnungen sicher eine Herausforderung», stellt das Forschungszentrum für Tourismus und Verkehr an der Universität St. Gallen (HSG) in seiner jüngsten Lageeinschätzung fest.
Weil sie für diesen Sommer und Herbst mit starkem Fernweh rechnen, malen zwanzig vom Zentrum befragte Touristik-Experten – vom Hotelleriesuisse-Präsidenten über den Schweiz-Tourismus-Chef bis zum Reiseverbandschef – schwarz für die nächsten zwei Quartale.
«Der Sommer 2021 wird wahrscheinlich schlechter als der Sommer 2020», heisst das Fazit. Der Grund: Die steigende Anzahl bei den Reisenden nach Europa werde höher sein als die Touristenbesuche von Europäern in die Schweiz. «Infolge dieser Konstellation ist mit einem Nettoabfluss von Gästen aus der Schweiz zu rechnen», so die Touristiker.
Zudem ist klar, dass die ausländischen Gäste, zum Beispiel die Amerikaner oder Asiaten, ausbleiben dürften. Simona Altwegg von Zermatt Tourismus: «Für diesen Sommer rechnen wir noch nicht mit Gästen aus Übersee.»
Überseetouristen werden noch länger vermisst
Für die Besucherströme von ausserhalb Europas sind die Erwartungen besonders düster. Sie dürfen «in beide Richtungen sehr verhalten sein». Das sind vor allem für Destinationen wie Zermatt VS, Luzern, Titlis oder Interlaken BE schlechte News, sind sie doch stark von Überseetouristen abhängig. Letztes Jahr konnten die Titlis Bergbahnen die Zahl der Schweizer um 50 Prozent klar erhöhen. Trotzdem sagt Bergbahn-Sprecher Urs Egli: «Das vergangene Jahr hat den Beweis geliefert, dass der Schweizer Markt für eine ‹grosse› Bergbahn zu klein ist.»
Auch bei den Jungfraubahnen war die erfreuliche Verdoppelung von Schweizer Gästen nur ein Tropfen auf den heissen Stein. «Der Schweizer Markt wird nie ausreichen, um die Lücke der Auslandsgäste aus Asien, USA und Europa zu füllen», sagt Jungfraubahnen-Sprecherin Kathrin Naegeli. Auslandsbesucher machten 90 Prozent der Gäste aus.
Impftempo bestimmt Attraktivität
HSG-Professor Christian Laesser (57), Mitverfasser des Lageberichts, findet Bemühungen anderer Länder um coronafreie Inseln und Co. gut und recht. Aber er ist überzeugt: «Inseln befinden sich in einer speziellen Situation und diese oder auch ein Land kann Touristen nur relaxed empfangen, wenn die Einheimischen grossmehrheitlich geimpft sind.» Es komme auf die Impfung der Bereisten an, weniger auf die der Reisenden. Diese sollten idealerweise negativ getestet sein.
Die Zunahme der Impfgeschwindigkeit in der Schweiz stimme ihn positiv. Der Juli werde zwar noch kritisch sein, ab August werde es dann besser. Die Zeichen stünden zumindest für den Herbst und Winter gut.
Er glaubt nicht, dass mehr Touristen kämen, würde die Schweiz offensiver als covidsicheres Reiseland beworben. Die Leute bekämen in ihren eigenen Ländern genügend gute Informationen über die Pandemielage von Destinationen, sagt Laesser. Die Reisen würden sowieso kurzfristig aufgrund der aktuellen Lage entschieden.
Wichtig für die Destination Schweiz derzeit sei, sicherzustellen, dass Gäste flexible Entscheide treffen könnten. Sie sollen frei sein, von der Reise zurückzutreten, ohne Kostenfolgen.
Schweiz soll an coronafreien Korridoren der EU teilnehmen
Schweiz Tourismus (ST) findet, man mache genug. ST sei seit Beginn der Pandemie unvermindert aktiv in den Zielmärkten, um mit attraktiven Angeboten bereit zu sein, sobald die Gäste wieder buchten. Zudem sorge ST in der Kommunikation dafür, dass die Schweiz als Traumdestination in den Köpfen bleibe. «Dabei wird immer auch auf die umfangreichen Schutzkonzepte und die Schweiz als sichere, saubere und risikolose Destination hingewiesen», sagt ST-Sprecher André Aschwanden.
Nicht abseitsstehen solle die Schweiz zudem, wenn Europa coronafreie Korridore für Touristen einrichtee. Laut dem ST-Sprecher würde die EU die Bemühungen um Korridore mit dem ganzen Schengen-Raum, also auch der Schweiz, koordinieren.
Da die internationalen Reiseeinschränkungen weiterhin für Unsicherheit sorgen, fokussieren sich in der Zentralschweiz die Titlis Bergbahnen im Sommer speziell auf Schweizer Gäste, wie Titlis-Sprecher Urs Egli sagt. Zu den neuen Angeboten zählt zum Beispiel der neue Kleinkinder-Spielplatz «Schmuggli’s Bauernhof», der selbst für Kinder im Rollstuhl erlebbar sei.
Auch der Walliser Ferienhotspot Zermatt konzentriert sich vorerst auf heimische Gäste und hat in Familienattraktionen investiert. Beispiele: Die neue Erlebniswelt «Zooom the Matterhorn» am Gornergrat und in das Angebot «Meet the Sheep», wo Gäste mit GPS-getrackte Schwarznasenschafe aufspüren können. «Sobald internationales Reisen besser möglich ist, setzt Zermatt in einem ersten Schritt auf Nahmärkte – neben der Schweiz also auf das nahe Ausland», erklärt eine Zermatt-Tourismus-Sprecherin.
Touristiker fordern Verlängerung der Sonderfinanzierung
Die Vermarktungsorganisation Schweiz Tourismus (ST) geht davon aus, dass der Trend zu Ferien in der Schweiz bei Einheimischen diesen Frühling und vielleicht noch im Sommer anhält. Internationale Gäste würden weiterhin eher die Ausnahme bilden.
«Mittelfristig wird die Schweiz aber wieder deutlich mehr Touristinnen und Touristen aus dem Ausland brauchen», betont ST-Sprecher André Aschwanden. Nicht nur, um die dann wieder stärker über die Grenzen verreisenden Einheimischen zu ersetzen, sondern auch, um dem Schweizer Tourismus eine nachhaltige Gesundung zu ermöglichen.
Diese Erholung werde nicht in diesem und auch nicht im nächsten Jahr stattfinden, sondern wohl erst gegen 2023, so Aschwanden. Deshalb die Forderung: «Es ist wichtig, dass die Sonderfinanzierung für Pandemie-Erholungs-Marketingmassnahmen durch den Bund über das aktuelle Jahr hinaus verlängert wird.» Claudia Gnehm
Da die internationalen Reiseeinschränkungen weiterhin für Unsicherheit sorgen, fokussieren sich in der Zentralschweiz die Titlis Bergbahnen im Sommer speziell auf Schweizer Gäste, wie Titlis-Sprecher Urs Egli sagt. Zu den neuen Angeboten zählt zum Beispiel der neue Kleinkinder-Spielplatz «Schmuggli’s Bauernhof», der selbst für Kinder im Rollstuhl erlebbar sei.
Auch der Walliser Ferienhotspot Zermatt konzentriert sich vorerst auf heimische Gäste und hat in Familienattraktionen investiert. Beispiele: Die neue Erlebniswelt «Zooom the Matterhorn» am Gornergrat und in das Angebot «Meet the Sheep», wo Gäste mit GPS-getrackte Schwarznasenschafe aufspüren können. «Sobald internationales Reisen besser möglich ist, setzt Zermatt in einem ersten Schritt auf Nahmärkte – neben der Schweiz also auf das nahe Ausland», erklärt eine Zermatt-Tourismus-Sprecherin.
Touristiker fordern Verlängerung der Sonderfinanzierung
Die Vermarktungsorganisation Schweiz Tourismus (ST) geht davon aus, dass der Trend zu Ferien in der Schweiz bei Einheimischen diesen Frühling und vielleicht noch im Sommer anhält. Internationale Gäste würden weiterhin eher die Ausnahme bilden.
«Mittelfristig wird die Schweiz aber wieder deutlich mehr Touristinnen und Touristen aus dem Ausland brauchen», betont ST-Sprecher André Aschwanden. Nicht nur, um die dann wieder stärker über die Grenzen verreisenden Einheimischen zu ersetzen, sondern auch, um dem Schweizer Tourismus eine nachhaltige Gesundung zu ermöglichen.
Diese Erholung werde nicht in diesem und auch nicht im nächsten Jahr stattfinden, sondern wohl erst gegen 2023, so Aschwanden. Deshalb die Forderung: «Es ist wichtig, dass die Sonderfinanzierung für Pandemie-Erholungs-Marketingmassnahmen durch den Bund über das aktuelle Jahr hinaus verlängert wird.» Claudia Gnehm