Bei der Migros weht ein scharfer Wind. Auf den Stellenabbau in der Zentrale und den Regionen folgte gestern ein weiterer Hammer – just vor dem Antritt von Ursula Nold (50), der ersten Frau als Migros-Präsidentin, am kommenden Montag. Der orange Riese will die Globus-Warenhäuser, die Möbelkette Interio, die Gruppe Gries Deco mit der Marke Depot sowie die E-Bike-Firma M-way verkaufen. «Die Töchter passen nicht mehr zur DNA der Migros», sagt Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen (49).
«Es fällt mir persönlich schwer, mich von diesen Firmen zu lösen», führt er aus. Aber mit neuen Besitzern hätten sie eine bessere Zukunft. Betroffen sind 9018 Mitarbeiter – vor allem in der Schweiz, aber auch im Ausland. Für sie hat Zumbrunnen keine Arbeitsplatz-Garantie.
Töchter seien attraktiv
Aber er verspricht, er wolle keinen schnellen Verkauf. Die Käufer müssten gute Voraussetzungen bieten, um die Firmen weiterzuentwickeln. Er erwartet, nächstes Jahr die Namen der Käufer bekannt geben zu können. «Auf meinem Handy habe ich seit heute Morgen vier Anrufe von interessierten Käufern», sagt er im Interview mit BLICK, verrät aber nicht, um wen es sich handelt.
Zumbrunnen und sein Handelschef Beat Zahnd (61) betonten gestern mehrmals, wie attraktiv die Töchter seien. Zahnd ist verantwortlich für Globus. Zuletzt hat er die Marken Schild und Herren-Globus eingestampft und in Globus integriert.
Doch so attraktiv sind die Töchter nun auch wieder nicht. Sogar der Migros-Chef sagt, Globus brauche zusätzliche Investitionen in dreistelliger Millionen-Höhe. So richtig Freude bereiteten die Waren- und Möbelhäuser Interio der Migros seit dem Kauf 1997 für stolze 700 Millionen Franken nie.
Deutsche Gruppe Signa im Fokus
Als potenzielle Globus-Käufer wird unter Detailhandelsexperten an erster Stelle die österreichische Immobilien- und Handelsgruppe Signa herumgereicht. Zugreifen könnte auch Manor. Einerseits, weil die Firma aus der Liegenschaft an der Zürcher Bahnhofstrasse raus muss und Globus in der Nähe einen Flaggschiff-Laden betreibt. Andererseits ist die Besitzerfamilie Maus Frères im Modegeschäft sehr aktiv.
Als Besitzerin der Globus-Immobilien an besten Stadtlagen hat die Migros einen Trumpf. Allerdings betont Zumbrunnen: «Es kommt nicht in Frage, nur die Immobilien zu verkaufen.» Nur wenn der Käufer glaubwürdige Pläne zur Weiterführung der Geschäfte vorlegen könne, rede man auch über den Verkauf der Liegenschaften.
Mehrere Kenner der Migros sind überzeugt, dass Zumbrunnen mit dem Verkauf der vier etablierten Marken nicht nur auf den umkämpften Markt reagiert, sondern seine Position auch innerhalb des Migros Genossenschafts-Bundes (MGB) stärken will. «Die Migros-Zentrale ist unter Druck. Bevor die regionalen Genossenschaften bei sich das Messer ansetzen, wollen sie sehen, dass der MGB auch über die Bücher geht», sagt ein Insider.
Dass Globus mit 3012 Mitarbeitern, 12 Warenhäusern und 49 Filialen keine Synergien zum Kerngeschäft von Migros hat, ist schon lange bekannt. Im März gab Zumbrunnen Globus noch zwei Jahre Gnadenfrist, um auf Erfolgskurs zu kommen. Dies, nachdem die Migros 2018 für Globus 90 Millionen Franken hatte abschreiben müssen.
Jetzt kommen Genossenschaften dran
Die Verwaltung in Zürich und das stark gewachsene Handelsdepartement abzuspecken, ist laut einem weiteren Insider ein schlauer Zug. Damit verschaffe sich Zumbrunnen die nötige Glaubwürdigkeit, um den Sparhammer bei den Genossenschaften ansetzen zu können.
Zuerst will er aber auch noch das kriselnde Möbelhaus Interio mit 380 Angestellten loswerden. Bereits beschlossen wurde, dass von elf Filialen nächstes Jahr jene in Emmen LU zugeht.
In der Zeit der Grossübernahmen mit Denner (2007) und LeShop (2006) kam 2009 auch die Deko-Gruppe Gries Deco mit der Marke Depot hinzu. Sie beschäftigt 5521 Mitarbeiter. Auch für diese Tochter ist Migros auf Brautschau.
Detailhandelsexperte Gotthard F. Wangler (70) meint: «Die Migros kehrt zurück zu ihren Wurzeln.» Zwar spricht Zumbrunnen gerne vom Fokus auf das Kerngeschäft, aber gleichzeitig will er den Ausbau des Convenience-Segments, der digitalen Vertriebskanäle und des Gesundheitsbereichs forcieren. Weiterentwickeln will er auch die Fachmärkte. Gelingen die Verkäufe, steht dafür über eine Milliarde Franken zur Verfügung.