Bio ist eine Goldgrube für die Detailhändler. Denn Bio-Kunden schielen nicht in erster Linie nach möglichst tiefen Preisen, sondern sind bereit, für Tierwohl und Nachhaltigkeit tiefer in die Tasche zu greifen. Und sie fahren am Samstag auch weniger nach Deutschland, um sich den Kombi mit Food aus ökologisch zweifelhafter Produktion zu füllen.
Kein Wunder, sind alle Händler scharf auf biologisch sensible Kunden. Den Braten zuerst gerochen hat Coop. Mit einem Umsatz von 1,1 Milliarden Franken sind die Basler klarer Marktführer. Die Knospen- und Naturaplan-Produkte von Coop wachsen seit Jahren weit schneller als der Markt.
Zwei Drittel des Wachstums fliesst in Migros-Kassen
Doch jetzt holt Erzrivale Migros mächtig auf: Letztes Jahr betrug das Wachstum im Bio-Bereich sagenhafte 15 Prozent. Mit 681 Millionen Franken setzt Migros zwar noch immer fast 40 Prozent weniger um als Coop. Doch Migros wuchs im Bio-Markt fünf Mal so schnell als Coop. Unter dem Strich landeten zwei Drittel des gesamten Wachstums im Schweizer Bio-Markt in den Migros-Kassen.
Mit den Gründen für den plötzlichen Boom rückte Migros an der heutigen Medienkonferenz zwar nicht direkt hinaus. Die Migros habe «Bio attraktiver gemacht», sagte Marketingchef Hansueli Siber nur. Doch die Antwort liegt auf der Hand: Das Erfolgsgeheimnis ist deutsches Billig-Bio. Migros hat letztes Jahr Alnatura-Produkte auf breiter Front in den Supermärkten ausgerollt. Diese haben offenbar Anklang bei der Kundschaft gefunden.
Knospe hat strengere Auflagen als EU-Bio
Damit ist die Preisschlacht auch im Bio-Segment eröffnet. Denn die aus Deutschland stammenden Alnatura-Produkte sind im Schnitt günstiger als Bio aus Schweizer Produktion. Zudem gelten für sie auch nur die Bio-Richtlinie der EU, die weniger streng sind als die Auflagen für Knospe-Produkte. Knospe-Produzenten müssen ihre Betriebe beispielsweise zu 100 Prozent biologisch bewirtschaften. EU-Bauern dürfen auf ihren Höfen hingegen gleichzeitig konventionelle und biologische Produkte anbauen.
Die Produzenten-Vereinigung Bio-Suisse reagiert skeptisch auf die Migros-Offensive mit Alnatura. Grundsätzlich sei es zwar positiv, wenn der Bio-Markt wachse, weil dies den Bauern zusätzliche Möglichkeiten verschaffe, sagt Bio-Suisse-Sprecher Lukas Inderfurth. «Viele verarbeitete Alnatura-Produkte stammen aber aus dem Ausland. Wir würden es begrüssen, wenn die Migros ihre Bio-Produkte vermehrt in der Schweiz produzieren würde», sagt Inderfurth.
Trotz der Migros-Aufholjagd: Coop will an der bisherigen Strategie festhalten und keine Konzessionen machen. «Billig-Bio kommt bei uns nicht ins Regal», sagte Coop-Chef Joos Sutter letztes Jahr im «SonntagsBlick». «Wir würden nie unsere Werte verwässern, nur um das Wachstum anzukurbeln. Euro-Bio ist eben nur halbes Bio, dahinter können wir nicht stehen.»