Mietzins zu hoch?
Anfechten kann sich auszahlen

Mieter können bei Wohnungsnot ihren Anfangsmietzins anfechten, ohne eine Zwangslage nachweisen zu müssen. Das hat das Bundesgericht entschieden. Was bedeutet das in der Praxis?
Publiziert: 23.06.2016 um 15:35 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 09:35 Uhr

Der Bundesgerichtsentscheid von Anfang Juni ist inhaltlich nicht überraschend. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass ein Mieter den Anfangsmietzins innert 30 Tagen nach Übernahme der Wohn- oder Geschäftsräume anfechten kann, wenn er sich wegen einer persönlichen oder familiären Notlage oder wegen der Marktverhältnisse zum Vertragsabschluss gezwungen sah.

Die Mieter einer umgebauten 3,5-Zimmer-Wohnung in der Stadt Zürich beriefen sich auf die herrschende Wohnungsnot und beantragten eine Reduktion des Nettomietzinses von 3900 Franken um zunächst 1100 Franken, im weiteren Verlauf des Verfahrens sogar um 1700 Franken.

In der Vorinstanz blitzten sie damit ab: Das Zürcher Obergericht verlangte neben der ausgewiesenen Wohnungsnot eine Zwangslage, die die Mieterschaft jedoch nicht nachgewiesen habe. Das Bundesgericht hat nun aber klargestellt: Die Anfechtungsgründe sind alternativ – vorliegen muss:

  • entweder eine persönliche bzw. familiäre Notlage;
  • oder Wohnungsnot
  • oder eine erhebliche Erhöhung des Mietzinses.

Die Wohnungsnot alleine reicht demnach aus, um den Anfangsmietzins auf Missbräuchlichkeit hin überprüfen zu lassen.

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Foto: Beobachter

Die Rendite als Argument

Das Ergebnis ist an diesem Punkt des Verfahrens noch offen. Jetzt wird geprüft, ob der angefochtene Mietzins tatsächlich höher ist als erlaubt. In der Regel argumentiert die Mieterschaft mit der übersetzten Rendite, die der Vermieter erzielt. Bei bis zu zehnjährigen Gebäuden ist meist die Bruttorendite massgeblich, bei älteren die Nettorendite. Weil die Mieter aber nicht über die Zahlen für diese Berechnung verfügen, muss der Vermieter nachweisen, dass er mit dem angefochtenen Mietzins keinen übermässigen Gewinn erzielt.

Für die Mieterschaft ist es praktisch unmöglich vorwegzunehmen, wie eine Mietzinsanfechtung ausgeht. Immerhin: Eine deutliche Erhöhung gegenüber der Vormiete ist oft ein Indiz dafür, dass sich das Anfechten lohnen kann. Denn es ist kaum anzunehmen, dass ein Eigentümer sein Objekt bis anhin mit Verlust vermietet hat.

So ficht man den Anfangsmietzins an

  • Innert 30 Tagen ab Übernahme der Wohnung kann der Mieter mit einem Begehren um Reduktion des Anfangsmietzinses an die Schlichtungsbehörde gelangen. Die zuständige Adresse findet man auf www.mietrecht.ch.
  • Gilt in einem Kanton die Formularpflicht und händigt der Vermieter trotzdem kein Formular zur Mitteilung des Anfangsmietzinses aus, ist der Vertrag hinsichtlich des Mietzinses nichtig, weshalb der Mieter auch später noch jederzeit an die Schlichtungsbehörde gelangen kann. Eine Formularpflicht gilt derzeit in den Kantonen Freiburg, Genf, Neuenburg, Nidwalden, Waadt, Zug und Zürich. Eine bundesrätliche Vorlage für eine gesamtschweizerische Formularpflicht hat der Nationalrat am 8. Juni abgelehnt.
  • Hat der Vermieter mit dem amtlichen Formular mitgeteilt, dass und warum der Mietzins höher ist als derjenige des bisherigen Mieters, bleibt er auch im Anfechtungsverfahren an diese Begründung gebunden.

Das sind Gründe für eine Anfechtung

  • Eine persönliche oder familiäre Notlage kann vorliegen, wenn eine Mieterin wegen einer Trennung, einer Geburt, wegen eines neuen Arbeitsorts oder aus finanziellen Gründen auf eine neue Bleibe angewiesen ist. Oder schlicht, wenn ihre bisherige Wohnung gekündigt wurde und sie trotz aller Bemühungen keinen Ersatz findet.
  • Wohnungsnot liegt vor, wenn eine amtliche Statistik nachweist, dass der Leerwohnungsbestand eine relevante Einschränkung der Wahl- und Verhandlungsmöglichkeiten von Mietern bedeutet. Davon wird in der Regel bei einem Bestand von unter 1,5 Prozent ausgegangen.
  • Der Mietzins (inkl. Nebenkosten) gilt als erheblich erhöht, wenn der neue Mieter mindestens 10 Prozent mehr bezahlt als sein Vorgänger. Jeder Mieter hat ein Recht auf Auskunft über die Mietzinshöhe des Vormieters, auch dort, wo keine Formularpflicht besteht.


Mitglieder von Guider können mit dem Musterbrief «Anfechtung des Anfangsmietzinses» Beschwerde bei der zuständigen Schlichtungsbehörde einlegen, wenn einer der Anfechtungsgründe erfüllt ist. Einfach ausfüllen, ausdrucken und unter Umständen mehrere hundert Franken sparen.

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