Geht die Menschheit an den Smartphones zugrunde? Man könnte es fast meinen, wenn man Interviews von namhaften Experten liest. So erklärte gestern der deutsch-amerikanische Nobelpreisträger Thomas Südhof in der «FAZ am Sonntag»: «Es kann auf Dauer nicht gut sein, so zu arbeiten, wie viele es heute tun. Wir sind über die Smartphones nie mehr unerreichbar, nie ausser Dienst.»
«Immer hängen wir an den Smartphones, haben sie überall dabei», klagt der in Stanford (USA) tätige Experte für Gehirn- und Burnouts: «Die Dauerbelastung führt zu chronischem Stress, der den Menschen und sein Gehirn verändert. Dauerhaftes Leben auf der Überholspur kann nicht gut gehen.»
Alexander Markowetz, Junior-Professor an der Universität Bonn (D), erforschte, wie lange Mitteleuropäer auf ihrem Handy herumtippen: «Wir schalten den Bildschirm unseres Smartphones 88 Mal am Tag an. 35 Mal davon sind es nur geringfügige Unterbrechungen wie ein Blick auf die Uhr. 53 Mal am Tag entsperren wir es, um E-Mails und Nachrichten zu schreiben oder Apps zu nutzen.»
Der Verfasser des Buchs «Digitaler Burnout» hat errechnet: «Wenn wir von acht Stunden Schlaf am Tag ausgehen, unterbrechen wir somit unsere Tätigkeit alle 18 Minuten, um zum Handy zu greifen.» Es sei unbestritten, dass der Mensch für die ständige Auswahl und Verführung, die das Smartphone biete, evolutionsbiologisch nicht gemacht sei, erklärte Markowetz der «FAZ am Sonntag».
Für den Deutschen steht fest: «Hinter dem unaufhörlichen Blick aufs Handy stehen ähnliche Mechanismen wie bei einer Sucht.» Jedes Entriegeln des Handys ruft schon Glücksgefühle hervor, unabhängig davon, ob es etwas Neues gibt.
Der Nobelpreisträger und der Junior-Professor schlagen ähnliche Rezepte gegen den Handy-Stress vor: Thomas Südhof geht mit dem guten Beispiel voran: «Ich selbst schalte um 20 Uhr alle elektronischen Geräte aus und erst nach dem Frühstück wieder an.»
Alexander Markowetz forderte in der «FAZ am Sonntag»: «Wir müssen digitale Diäten in unseren Alltag einweben.» Und: «Wir müssen uns auf eine Etikette im digitalen Alltag einigen.»
Gegen was? «Heute schreibt man um Mitternacht eine Whatsapp und erwartet, dass man am nächsten Morgen eine Antwort hat», erklärt Markowetz, der überzeugt ist, dass «uns die ständige Erreichbarkeit und Interaktion auslaugen». Er sagt: «Schritt eins haben wir hinter uns: Wir haben diese Geräte geschaffen. Schritt zwei ist nun: Wir müssen uns bewusst werden, wie wir damit umgehen, damit wir möglichst viel Glück dabei verspüren und gesund bleiben.»