Es sei wichtig, dass die Schweiz nicht nur eine Polizei und nicht nur eine Schule habe, sondern auch mehr als eine Zeitung, sagte der Waadtländer Staatsrat Pascal Broulis am Montag an einer Tagung zum Thema «Medienwandel und Föderalismus» in Bern.
Genauso wichtig sei es, dass es im Schweizer Zeitungsmarkt mehr als nur eine Redaktion in Zürich oder in Lausanne gebe, die die Inhalte produziere. Und dass die Schweiz auch künftig eine Nachrichtenagentur brauche, wüssten intuitiv eigentlich alle.
Der ökonomische Druck, der auf den Medien laste, sei enorm. Umso unverständlicher seien die Forderungen gewisser Verleger nach hoher Rendite. Die Medien sollten Gewinne schreiben dürfen, sagte der FDP-Staatsrat weiter. Aber Spekulationen von zweistelligen Renditen seien fehl am Platze. Wer solche Ansprüche habe, sauge den Sektor aus und säge am wirtschaftlichen Ast, auf dem er sitze.
Das Fazit der Kantone, die seit über 50 Jahren in der ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit verbunden seien, sei einfach. Die Zusammenlegung der Produktionsorte und die Medienmonopole gefährdeten die Pluralität und den Föderalismus, in dem die Meinungsvielfalt gewährleistet sein müsse. Das Allgemeinwohl leide.
Weitgehend Einigkeit herrschte in der Runde darüber, dass die Nachrichtenagentur Keystone-SDA gefördert werden sollte. Als Skandal bezeichnete Peter Wanner, Verleger der CH Media, die Tatsache, dass die Besitzer der Nachrichtenagentur vor der Fusion von Keystone und SDA zweistellige Millionenbeträge aus der Firma herausgenommen hätten. Dieses Geld fehle der Nachrichtenagentur heute, um den digitalen Wandel vollziehen zu können.
Der Schweizer Markt sei schlicht zu klein, um eine Grundversorgung mit Nachrichten zu finanzieren, sagte Jann Jenatsch, stellvertretender Geschäftsleiter der Keystone-SDA. Die Fördergelder von 2 Millionen Franken, die die Nachrichtenagentur heute von der Eidgenossenschaft erhalten, reichten dafür nicht aus.
Um zusätzliche Unterstützung zu erhalten, müsse die Keystone-SDA ihre Strukturen anpassen und den subventionierten Teil aus dem Unternehmen herauslösen Der Verwaltungsrat der Keystone-SDA habe erste Überlegungen in dieser Richtung lanciert. Es gelte nun, rasch vorwärts zu machen, sagte Jenatsch weiter. Peter Wanner nahm diese Aussage mit Genugtuung zur Kenntnis.
Pascal Broulis, Präsident der ch Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit, einer interkantonalen Organisation, die sich für die Förderung des föderalistischen Staatsgedankens engagiert, sieht bei der Medienförderung nicht nur den Bund in der Pflicht, sondern auch die Kantone. Sie seien für Bildung und Ausbildung zuständig.
Broulis äusserte sich besorgt über die Lage bei der Keystone-SDA. «Ich glaube, dass wir über die Zukunft von Keystone-SDA diskutieren müssen, um die Existenz einer Agentur mit gleicher inhaltlicher Qualität in den drei Sprachregionen zu gewährleisten», sagte der Waadtländer Staatsrat in einem Interview mit der Westschweizer Tageszeitung «Le Temps» (Montagausgabe).
Damit das «Schweizer Politik-Modell» funktioniere, müssten die Bürgerinnen und Bürger auch über die anderen Landesteile Bescheid wissen. Hier spiele Keystone-SDA als Informationsanbieterin eine wichtige Rolle.
Die Waadtländer Regierung muss sich im Rahmen eines im Kantonsparlament eingereichten Postulats mit dem Thema Medienförderung befassen. Neben einer möglichen Unterstützung der nationalen Nachrichtenagentur sind auch indirekte Finanzhilfen für Medien im Kanton Teil der Diskussion. Die Schlussfolgerungen sollen Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden, sagte Broulis.
Der Kanton Bern befasst sich derzeit ebenfalls mit dem Thema Medienförderung, namentlich mit Blick auf die Keystone-SDA, die neben anderen Standorten auch in Bern und Biel je ein Büro unterhält.
«Es ist tatsächlich dringend, der Keystone-SDA weiter unter die Arme zu greifen», sagte Stephanie Vonarburg von Syndicom, der Gewerkschaft Medien und Kommunikation. Finanzielle Beiträge der öffentlichen Hand dürften aber nur unter der Bedingung vergeben werden, dass keine Subventionen an die Aktionäre abfliessen. Denn es gehe darum, den ständigen Personalabbau zu stoppen und die Qualität des medialen Service public zu erhalten.
(SDA)