Manuel Leuthold verwaltet 37 Milliarden Franken
«Die AHV rechnet heuer mit einer Rendite von sechs Prozent»

Der AHV-Fonds dürfte im laufenden Jahr eine stolze Rendite von sechs Prozent erzielen, sofern in den verbleibenden vier Wochen des Jahres keine Turbulenzen auftreten. Das Defizit, verursacht durch stetig höhere Rentenausgaben, wird damit mehr als ausgeglichen. Doch Compenswiss-Präsident Manuel Leuthold kann nicht Entwarnung geben. Das Problem liege darin, dass man wegen der unsicheren Zukunft nicht planen könne.
Publiziert: 02.12.2017 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:50 Uhr
Compenswiss-Präsident Martin Leuthold: «Es darf nicht sein, dass für junge Leute keine AHV mehr übrig bleibt.»
Foto: Philippe Rossier
Interview: Claude Chatelain und Moritz Kaufmann

Herr Leuthold, wann geht der AHV das Geld aus?
Manuel Leuthold:
2030 wird der AHV-Fonds leer sein. Das sind die Prognosen des Bundes. Daran halten wir uns.

Kollege Chatelain, Jahrgang 1953, wird also noch eine Rente erhalten, ich mit Jahrgang 1986 werde leer ausgehen.
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Dem Schweizer Volk ist die AHV viel zu wichtig. Aber das ist Sache der Politik.

Mit der Rentenreform 2020 ist nun schon die vierte AHV-Reform gescheitert. Glauben Sie wirklich daran, dass die Politik das schafft?
Ganz gewiss. Es darf nicht sein, dass für junge Leute wie Sie keine AHV mehr übrig bleibt.

Im laufenden Jahr sind wir aber gut unterwegs, oder?
Ja, Stand heute haben wir in diesem Jahr eine Rendite von knapp sechs Prozent erzielt. Wir können also das Defizit 2017 überkompensieren.

Was heisst das?
Wir müssen mehr Renten zahlen, als wir als Beiträge erhalten. Das Defizit der Umlage betrug schon letztes Jahr über 750 Millionen. Dank der Rendite, die wir auf dem Finanzmarkt erzielten, können wir das Defizit 2017 dieses Jahr, wie schon im letzten, mehr als ausgleichen.

Also können wir doch Entwarnung geben.
Nein! Erstens können wir nicht alle Jahre mit dieser Rendite rechnen. Und zweitens nehmen die Ausgaben wegen der Alterung von Jahr zu Jahr stärker zu als die Einnahmen. Das Defizit wird immer grösser. Schon nächstes Jahr kann es ganz anders aussehen.

Was müsste passieren, damit die AHV wieder ins Lot kommt?
Wenn eine Organisation laufend Defizite macht, muss man die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben kürzen – oder eine Kombination davon.

Welche Massnahmen bevorzugen Sie?
Das muss die Politik entscheiden. Für mich ist die Planungssicherheit am wichtigsten. Denn so können wir eine bessere Rendite erzielen.

Das Volk sagte Nein zur Altersreform 2020. Damit ist Ihre Planungssicherheit dahin.
Jetzt müssen wir halt mit dem bestehenden Szenario weitermachen. Wir sind 2030 bei null. Das war schon vor der Abstimmung so.

Immerhin will nun der Nationalrat die AHV mit einer ausserordentlichen Finanzspritze von 442 Millionen Franken aufpeppen. Was hiesse das für die Planungssicherheit?
Zusätzliche Mittel sind immer willkommen (lacht).

«2030 wird der AHV-Fonds leer sein. Das sind die Prognosen des Bundes», sagt Manuel Leuthold.
Foto: Philippe Rossier

Wollen Sie langfristige Investitionen tätigen, um mehr Risiken eingehen zu können?
Das ist nicht der Punkt. Das Problem besteht vielmehr darin, dass wir ein hohes Mass an flüssigem Geld bereithalten müssen. Und Sie wissen: In Zeiten von Negativzinsen bringt Cash nichts ein. Unser Hauptauftrag besteht darin, die Zahlung der Renten zu sichern. Wird nichts unternommen, nimmt der Fonds von Jahr zu Jahr ab. Dann können wir das Geld nicht mehr so investieren. Dann brauchen wir es für die laufenden Rentenzahlungen.

Die Pensionskassen haben das gleiche Problem. Und doch erzielten sie in der Vergangenheit im Schnitt eine höhere Rendite als Sie mit dem AHV-Fonds!
Tendenziell haben Sie recht. Dafür gibt es drei Gründe. Erstens brauchen wir eine sehr hohe Liquidität. Man muss sich vorstellen: Wir leisten monatlich Zahlungen von 4,5 Milliarden Franken bei einem Vermögen von 37 Milliarden. Zweitens haben wir einen kürzeren Anlagehorizont. Mehr und mehr Babyboomer werden eine Rente erhalten. Damit erhöht sich das Defizit, und wir können nicht langfristig anlegen. Sobald wir wieder stabile Verhältnisse haben und langfristig anlegen können, werden die Renditen wieder höher ausfallen.

Warum haben Sie im Unterschied zu Pensionskassen keine Immobilien im Portefeuille?
Aus historischen Gründen. Das ist übrigens der dritte Punkt, weshalb wir im Vergleich zu Pensionskassen tendenziell tiefere Renditen erwirtschaften können. Wir haben schon Immobilien im Portefeuille, aber nur indirekt, via Immobilienfonds oder Immobilienaktien, aber keine einzelnen Objekte. Mit solchen Direktanlagen haben Pensionskassen stabile Erträge in Schweizer Franken. Das ist ein grosser Vorteil.

Warum kaufen Sie keine Immobilien?
Der Markt ist zu eng. Zudem sind die Preise derzeit sehr hoch.

Martin Leutholds Hauptauftrag besteht darin, die Zahlung der Renten zu sichern. «Wird nichts unternommen, nimmt der Fonds von Jahr zu Jahr ab.»
Foto: Philippe Rossier

Sie sind seit zwei Jahren Präsident von Compenswiss, die das Vermögen der AHV, IV und EO verwaltet. Was haben Sie seither erreicht?
Ich habe eine intakte Organisation vorgefunden. Aber ich will die Information verbessern. Wir müssen erklären, was der Stand der Reserven ist und wie sie sich entwickeln werden. Und was die Konsequenzen für die Anlagestrategie und für die zu erwartende Performance sind.

Ist es klug, an der Spitze des AHV-Fonds einen UBS-Mann zu haben?
Ich habe die UBS Ende 2011 verlassen ...

... aber beim Debakel, als die UBS von der Eidgenossenschaft gerettet werden musste, waren Sie noch dabei.
Die Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Ich war 27 Jahre bei der UBS, habe sehr viel gelernt und grosse Erfahrungen gesammelt. Auch Fussballspieler wechseln manchmal ihren Klub. Schliesslich braucht es im Verwaltungsrat von Compenswiss Personen mit Fachkompetenz in Finanzfragen. Und diese holt man sich nun mal bei einer Bank.

Kritische Stimmen hörte man auch, als Sie in den Verwaltungsrat der Banque Cramer eintraten.
Auch da sehe ich kein Problem. Es gibt keine Interessenskonflikte. Wir vergeben komplexe Mandate nur an grosse Banken und grosse Vermögensverwaltungskonzerne.

Wie zum Beispiel Blackrock, wo der frühere Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand Vize-Präsident ist. Warum verwaltet ein ausländisches Unternehmen AHV-Geld für Sie?
Ganz einfach: Wir suchen uns die besten heraus.

Sie verdienen bei Compenswiss bei einem Pensum von 30 Prozent 65'000 Franken. Als Banker haben Sie sicher mehr verdient. Warum tun Sie das?
Ich habe in meinen Jahren in der Finanzwelt sehr gut verdient. Deshalb finde ich es richtig, dass man etwas zurückgibt. Wenn man das Geld von vermögenden Leuten verwaltet, ist das interessant. Aber wenn das noch eine soziale Komponente hat, ist das äusserst befriedigend.

Herr über die AHV

Manuel Leuthold ist eine der wichtigsten Personen für uns Schweizerinnen und Schweizer, denn er verantwortet ein Vermögen von 37 Milliarden Franken, das uns allen gehört. Das Vermögen der AHV, IV und EO. Der 57-jährige ehemalige UBS-Banker präsidiert Compenswiss, die für die Verwaltung dieser Milliarden zuständig ist. Der Genfer lebte ein paar Jahre in Zürich, doch Schweizerdeutsch lernte der Panzeroberst ausser Dienst vor allem auch im Militär, sagt er am Rande des Interviews.

Insgesamt 27 Jahre arbeitete der Vater einer Tochter in verschiedenen Funktionen für die UBS. An der Universität Genf holte er sich zwei Master-Titel: in Ökonomie und in Recht.

Manuel Leuthold ist eine der wichtigsten Personen für uns Schweizerinnen und Schweizer, denn er verantwortet ein Vermögen von 37 Milliarden Franken, das uns allen gehört. Das Vermögen der AHV, IV und EO. Der 57-jährige ehemalige UBS-Banker präsidiert Compenswiss, die für die Verwaltung dieser Milliarden zuständig ist. Der Genfer lebte ein paar Jahre in Zürich, doch Schweizerdeutsch lernte der Panzeroberst ausser Dienst vor allem auch im Militär, sagt er am Rande des Interviews.

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Vorsorge jetzt per App

In kaum zehn Minuten ist das Viac-Säule-3a-Konto auf dem Smartphone eingerichtet. Schon kann es losgehen. Es eilt, denn: «Wir wollen Junge animieren, möglichst früh für den Ruhestand vorzusorgen», sagt Daniel Peter (30).

Der Mitgründer von Viac, einem Luzerner Finanztechnologie-Start-up, glaubt nicht, dass seine Generation noch viel Geld aus AHV oder Pensionskasse beziehen wird. Seine Lösung ist komplett digital, die Gebühren tief: Bei einem Anlagehorizont von mehreren Jahrzehnten macht ein Prozent weniger sehr viel Geld aus. In zehn Tagen wurde bereits eine Summe von knapp einer Million Franken über die Viac-App angelegt. Christian Kolbe

In kaum zehn Minuten ist das Viac-Säule-3a-Konto auf dem Smartphone eingerichtet. Schon kann es losgehen. Es eilt, denn: «Wir wollen Junge animieren, möglichst früh für den Ruhestand vorzusorgen», sagt Daniel Peter (30).

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