Die SBB kämpfen mit den vielen Passagieren, die durch den Gotthard-Basistunnel wollen. Wie BLICK am Donnerstag geschrieben hat, müssen sie sogar regelmässig Personen in Bellinzona rausschicken, bevor der Zug in die Röhre darf. Grund dafür sind die besonders strengen Sicherheitsauflagen, die sich nicht mit den Passagiermassen vertragen.
Marcel Wamister (65) und seine Frau Helene (55) können von diesem Problem ein Lied singen. Die Berner sind grosse Tessin-Fans. Ende Oktober 2018 wollen sie mit zwei Freunden noch einmal die Sonne geniessen. Mit einer Tageskarte der 2. Klasse fahren sie über Domodossola (I) ins Tessiner Centovalli und machen einen Bummel in Ascona TI. «Wir hatten einen richtig schönen Tag», erinnert sich der pensionierte Maler, der während der
YB-Heimspiele im Stade de Suisse Bier zapft.
«Das Perron war übervoll»
Die Rückreise nach Bern ist dann aber äusserst nervenaufreibend. «Erst im fünften Zug fanden wir Platz!» Um 17.13 Uhr wollen die vier in Bellinzona auf den Zug. «Das Perron war übervoll, der Eurocity hatte nur vereinzelte Plätze frei», erzählt Wamister. Es gibt noch wenige Stehplätze im Gang. 30 Reisende bleiben auf dem Perron zurück. «Wir sind nicht in den überfüllten Zug gestiegen, dachten uns, dass es im nächsten Platz habe.»
Doch dem ist nicht so. «Auch in den nächsten drei Zügen haben wir keinen Platz gefunden. So was darf doch nicht passieren! Bei schönstem Ausflugswetter muss man halt ein paar Wagen mehr anhängen», klagt Wamister. Dann endlich, drei Stunden später, haben die vier Ausflügler Glück. Im Eurocity von 20.13 Uhr finden sie freie Plätze. «Aber selbst da mussten wir uns vordrängeln und um das Abteil kämpfen.» Erst weit nach 23 Uhr kommen sie in Bern an. Müde und enttäuscht.
«Ich kann Ihre Verstimmung gut nachvollziehen»
Wamister schreibt SBB-CEO Andreas Meyer (58) ein E-Mail und macht seinem Ärger Luft. Der entschuldigt sich umgehend in einem Schreiben, das BLICK vorliegt. «Ich bedaure sehr, dass auf Ihrer Rückreise ab Bellinzona nicht alles reibungslos geklappt hat», schreibt er. «Sie sprechen ein Thema an, welches uns selber auch immer wieder stark beschäftigt. Von daher kann ich Ihre Verstimmung gut nachvollziehen.»
Er habe sich die Auslastung der Verbindungen vorlegen lassen. «Viele Bahnreisende haben einen wunderschönen Ausflugstag genossen», so Meyer. Zudem sei ein Zug ab Lugano mit nur einer Formation gefahren. Später habe man ihn nicht doppelt führen können, «wegen des Gleismangels in Bellinzona». Geplant gewesen wäre, dass zwei Züge direkt hintereinander verkehren. Der reguläre und ein Extrazug mit der gleichen Abfahrtszeit.
Meyer schenkt den Bernern «als kleine Wiedergutmachung» je einen 20-Franken-Gutschein. «Ich hoffe, nicht die turbulente Rückreise, sondern der gemeinsame Tag bleibt Ihnen allen in Erinnerung», schliesst der SBB-Chef sein Schreiben.