Management-Experte zum Tod von Ex-Zurich-Chef Martin Senn (†59)
Schweizer müssen scheitern lernen

Der Suizid des Ex-Zurich-Chefs Martin Senn (†59) schockiert. Schweizer haben einen problematischen Umgang mit Scheitern. Studien zeigen, dass sich die hiesige Kultur etwa von der amerikanischen deutlich unterscheidet.
Publiziert: 31.05.2016 um 14:05 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:06 Uhr
Martin Senn (†59), der ehemalige CEO der Zurich-Versicherung, hat sich vergangenen Freitag das Leben genommen.
Foto: JEAN-CHRISTOPHE BOTT
Onur Ogul

Martin Senn (†59) sah offenbar keinen anderen Ausweg mehr. Vergangenen Freitag hat sich der geschasste CEO der Zurich in seiner Ferienwohnung in Klosters GR erschossen.

Ein Fall von ganz oben schmerzt jeden. Doch tun sich besonders Schweizer schwer mit Scheitern? Der ehemalige Swisscom-Chef Carsten Schloter (†49) und der einstige Finanzchef der Zurich, Pierre Wauthier (†53) sind nur zwei Beispiele von Führungspersonen, die freiwillig aus dem Leben schieden.

Schweizer gehen anders mit Niederlagen um

Claus Schreier (46) ist Dozent für Interkulturelles Management an der Hochschule Luzern. Er sagt, die Schweiz, Japan und Südkorea haben im Vergleich zu anderen Nationen sehr hohe Suizidraten. «Jobverlust kann da oft ein Auslöser dafür sein. Unsere Identität und Selbstverständnis entwickelt sich stark aus dem, was wir beruflich machen. Die Arbeit ist die Basis für soziale Anerkennung.»

In einem Artikel beschreibt er die kulturellen Unterschiede im Umgang mit Scheitern. Demnach strebten Schweizer nach Fehlerfreiheit. Nur Top-Qualität sei erwünscht und die Leistung werde ständig mit derjenigen anderer verglichen. Wir lernen so, dass Scheitern nur etwas Negatives sein kann.

Claus Schreier, Dozent für Interkulturelles Management an der Hochschule Luzern
Foto: Zvg

Schweizer denken langfristiger

Mit Verweis auf eine Studie des holländischen Kulturwissenschaftlers Gert Hofstede beschreibt Schreier einen deutlich anderen Umgang mit Scheitern in der amerikanischen Kultur. Amerikaner haben demnach eine ausgeprägte Kurzzeitorientierung. Der schnelle Erfolg sei wichtiger als der nachhaltige. Wenn Amerikaner scheitern, schauen sie nach vorne und gehen weiter.

Schweizer hingegen würden viel langfristiger denken. Scheitern stelle hier alle vergangenen und auch zukünftigen Einsätze in ein negatives Licht. Schweizer seien zudem viel ängstlicher. Scheitern bedeute nämlich, dass man zu viel Risiko eingegangen sei. Amerikaner hingegen gehen eher Risiken ein, weil das als mutig gilt.

Pingelig, dafür perfekt

Schreier sagt, das alles sei nur eine Seite der Medaille. «Die andere ist, dass uns die kontinuierliche Verbesserung im Blut liegt. Wir stellen ungerne etwas insgesamt infrage. Perfektionierung und Präzision gehören deshalb zur Schweizer Qualitätskultur. Es ist kein Zufall, dass die Schweiz die Uhrmachernation ist.»

Hier findest du Hilfe

Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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