Gebäudetechniker aus Ungarn haben in Zürich zu Tiefstlöhnen gearbeitet. Die Gewerkschaft Unia spricht von einem «gravierenden Fall von Lohndumping und mafiösen Zuständen».
Seit dem vergangenen Herbst würden auf der Baustelle 30 bis 40 Gebäudetechniker zu «absoluten Dumpinglöhnen» zwischen 9 und 10 Franken pro Stunde beschäftigt, sagte Roman Burger, Geschäftsleiter der Unia Region Zürich-Schaffhausen, heute vor den Medien. Zustehen würden ihnen gemäss Gesamtarbeitsvertrag das Doppelte bis Dreifache.
Die Unia hat die Bauherrin Helvetia Versicherungen und die Generalunternehmerin Porr Suisse AG aufgefordert, umgehend für korrekte Verhältnisse zu sorgen. Entsprechende Gespräche wurden am Dienstagnachmittag aufgenommen. Für Burger war klar: «Bis die Lohnnachzahlung sichergestellt ist, bleiben die Arbeiten eingestellt.»
Kompromiss gefunden
Die Zwangs-Pause währt jedoch nur kurz. Bereits morgen werde weitergearbeitet, teilte die Unia am Abend mit. Schon wenige Stunden nach der Medienkonferenz konnte man sich mit dem Generalunternehmen einigen.
Die Porr Suisse AG nehme «in vorbildlicher Weise» die Verantwortung für die Verfehlungen ihrer Subunternehmer und stelle sicher, dass die Lohn-Nachzahlungen für die Arbeiter geleistet werden könnten, heisst es in der Mitteilung der Gewerkschaft.
Ein unabhängiges Treuhandbüro werde anhand der Unterlagen, die Porr liefern müsse, korrekte Lohnabrechnungen erstellen und für jede Person genau ausweisen, welche Lohnnachzahlungen fällig seien. Um diese Zahlungen unabhängig vom Verhalten der Subunternehmen sicherzustellen, habe Porr 500'000 Franken auf ein Sperrkonto einbezahlt. Diese Summe diene dazu, die korrekten Löhne zu bezahlen.
Weiter sei zum Schutz der Arbeiter vereinbart worden, dass es aufgrund der Intervention der Unia zu keiner Kündigung kommen dürfe. Alle Arbeiter hätten das Recht, die Arbeiten bis zum Abschluss ihrer Baustellen weiterzuführen.
Dumpinglöhne mit gefälschten Verträgen verschleiert
Laut Unia steht hinter dem jüngsten Lohndumpingfall - wie so oft - eine «lange Kette von Auftragsvergaben». So wurde der Auftrag der Helvetia von der Schweizer Niederlassung der österreichischen Porr Gruppe an das ungarische Subunternehmen Hexatech vergeben. Dieses wiederum gab den Auftrag an das Basler Unternehmen Lavalange GmbH weiter, die wiederum im Besitz der Hexatech ist. Bei Lavalange handle es sich um eine Briefkastenfirma, deren Spur sich bei einem Anwalt in der Basler Innenstadt verliere, führte Burger aus.
Mit dem komplizierten Konstrukt werde versucht, die Zahlung von Entsendezulagen und Spesen zu umgehen, so die Unia. Gegen aussen würden die Dumpinglöhne mit gefälschten Arbeitsverträgen verschleiert. Auf einem der Verträge wurde zwar ein Monatslohn von 4700 Franken ausgewiesen, effektiv ausbezahlt wurden jedoch lediglich 1860 Franken.
Die Unia schätzt, dass den Arbeitern bisher mindestens eine halbe Million Franken vorenthalten wurde. «Hätten wir den Fall nicht aufgedeckt, hätte sich die Summe bis zum Bauende auf rund eine Million Franken summiert, rechnete Burger vor.
Angehörige unter Druck gesetzt
An der Medienkonferenz sollten auch Betroffene zu Wort kommen. Das sei aber nicht möglich gewesen, weil die Arbeiter massive Drohungen erhalten hätten, sagte der Unia-Geschäftsleiter. Um Aussenkontakte zu verhindern, würden die ungarischen Gebäudetechniker in Gruppen in Baracken untergebracht und ständig von Aufpassern kontrolliert.
Die Arbeiter hätten nicht in erster Linie Angst davor, entlassen zu werden, sagte Christa Suter, Baustellenkontrolleurin der Unia. Viel schlimmer für sie sei, dass teilweise auch massiver Druck auf ihre Angehörigen in Ungarn ausgeübt werde, so dass sich die Arbeiter nicht zur Wehr setzen könnten.
«Die Situation auf den Baustellen in Zürich verwildert zunehmend, Lohndumping ist allgegenwärtig geworden», stellte Burger fest. Die Unternehmen unterliefen teilweise mit «krimineller Energie» die geltenden Arbeitsbedingungen. Alle in der Baubranche wüssten genau, wie das Spiel funktioniere. (SDA)