Luxushotel Dolder stellt «Bettlerschilder» aus
«Man ergötzt sich an den Schwächsten»

Das Fünfsternehotel Dolder Grand hoch über Zürich stellt Plakate von Obdachlosen und eine Wachsfigur im entsprechenden Look aus. Wie geht das zusammen?
Publiziert: 24.01.2018 um 19:15 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:18 Uhr
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Luxus-Schloss: Das Zürcher Dolder Grand.
Foto: Keystone
Konrad Staehelin

Die Nacht im Edelhotel The Dolder Grand am Zürichberg kostet zwischen 540 Franken und knapp 15'000 Franken. Was es hier alles zu sehen gibt: Die Aussicht auf den See, die Dächer der Stadt, die anderen reichen Leute.

Oder die teuren Kunstwerke, die sich das Hotel mit Märchenschloss-Architektur leistet.

Für Joan Miros (†1983) «Projet pour un monument», das im Aussenbereich steht, wurden schon knapp 10 Millionen Franken bezahlt. Über der Réception hängt Andy Warhols (†1987) «Big Retrospective Painting», es ist mehr als 50 Millionen Franken schwer.

«Hilfe bitte!»

Die Urheber der Werke, die nur ein paar Meter daneben an der Wand hängen, wären dagegen schon um die 20 Franken froh, die ein Cüpli im Dolder kostet. Es sind Obdachlose, die mit diesen Kartonschildern um Almosen gebettelt haben: 

«Hilfe bitte!», steht auf einem Schild, das mal einem Bettler in der englischen Industriestadt Liverpool gehört hat. Und ein Pariser Clochard hat geschrieben: «Ein kleiner Batzen oder zwei, bitte. Danke Ihnen allen und einen schönen Tag.» 

«Am Reisen, ohne Geld und hungrig», steht auf dem Plakat oben Mitte.
Foto: Leserfoto 8989

«Anything Helps» (dt. alles hilft) heisst diese Kunst. Auf der Dolder-Homepage sind sie als «Bettlerschilder» beschrieben. Der Finne Jani Leinonen (39) hat die Bilder Obdachlosen auf der ganzen Welt abgekauft und in teure Rahmen gesteckt.

Nur ein paar Meter neben den Bettel-Kartons schläft eine Wachsfigur in der Ecke, die Kleider dreckig und zerfetzt. «The Traveller» (dt. der Reisende) heisst das Kunstwerk von Duane Hanson (†1996).

«Abbild der drastischen Ungleichheit»

Ist es dekadent, wenn Multi-Millionäre sich an Armuts-Symbolen erfreuen?

«Solche Kunst im Dolder auszustellen, ist sehr problematisch», sagt Christoph Zingg (55), Geschäftsführer der Sozialwerke Pfarrer Sieber, die in Zürich Obdachlose unterstützt. «Das Dolder macht Tausende Franken Umsatz pro Gast, gleichzeitig ergötzt man sich an den Schwächsten.»

Es sei ein Abbild der drastischen Ungleichheit, die auf der Welt herrsche, empört sich auch das Caritas-Hilfswerk. Ein Sprecher kommentiert: «Die Menschen, deren handbeschriebene Pappkartons mit ihrer Bitte um Hilfe zum Kunstobjekt wurden, könnten sich eine Übernachtung im Hotel Dolder nie im Leben leisten.»

Dolder: Genau darum!

Das Dolder verteidigt sich: «Wirtschaftlich Bessergestellte leisten einen wesentlichen Beitrag an unsere Sozialwerke sowie Organisationen wie die Caritas oder das Hilfswerk von Pfarrer Sieber.»

Man teile die Auffassung, dass die Bettelkartons in drastischer und kritischer Weise den Unterschied zwischen Arm und Reich thematisierten, sagt ein Dolder-Sprecher zu BLICK. «Genau deshalb stellen wir es aus. Es ist uns wichtig, auch jene, die im Leben Glück hatten, daran zu erinnern, dass es sehr viele andere gibt, denen es schlechter geht.»

Bei aller Kritik: Auch die Hilfswerke können dieser Erklärung etwas abgewinnen. Zingg von den Sozialwerken Pfarrer Sieber: «Die Kunstwerke könnten etwas bewegen.»

Aber er sagt auch: «Leider sieht man die Schicksale dahinter nicht. Das Dolder könnte vielleicht wenigstens mal ein paar Obdachlose zu sich einladen, um eine Brücke zwischen Arm und Reich zu schlagen.»

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