Das Veto kam direkt aus San Francisco. Das oberste Management von Uber hat interveniert, als der Schweizer Online-Händler Amorana Sex-Toys im Taxi liefern wollte. Es war die Zeit, als Uber wegen einer Vergewaltigung in Indien in den Schlagzeilen war. Uber fürchtete ein PR-Desaster.
Alan Frei war der Schöpfer der Idee. Zusammen mit Lukas Speiser hat er vor fünf Jahren den Grundstein für Amorana gelegt. Seither rollt das Duo den Schweizer Markt für Sexspielzeuge auf. Während etablierte Händler pleitegehen, verdoppelt Amorana den Umsatz praktisch im Jahresrhythmus. Das Start-up registrierte im letzten Jahr mehr als 100'000 Bestellungen im Gesamtwert von deutlich über 10 Millionen Franken.
Fast 30 Personen stehen im Sold des Online-Händlers. Die beiden jüngsten Neuzugänge kommen aus der Liquidationsmasse von Siroop, dem gescheiterten Marktplatz von Coop und Swisscom.
Lusthöhle in Glattbrugg
Amorana ist innert Kürze zum Darling einer Branche geworden, die einst in der Schmuddelecke ein Nischendasein fristete. Ein bekannter Jurist und zwei Grössen aus der E-Commerce-Branche schmücken den Verwaltungsrat. Der Wirtschaftsrechtsexperte Balthasar Wicki, Xing-Investor Peter Schüpbach und Brack-Gründer Roland Brack leihen dem Start-up ihr Fachwissen.
Die Zentrale des Online-Händlers ist im zürcherischen Glattbrugg in einem lustlosen Industriebau. Das Büro ist im zweiten Stock. Ein Warenlift – Kapazität: 3200 Kilogramm oder 42 Personen – führt in die Kommandozentrale des Peitschenhändlers. Im Keller ist das 600 Quadratmeter grosse Lager. Warenwert: mehrere Hunderttausend Franken.
Frei und Speiser sitzen mit den anderen Angestellten in einem Grossraumbüro. Ein Damenvelo im Retro-Look, ein paar Geranien und poppige Dildos sorgen für Farbtupfer. Im Lager steht noch immer jenes Regal, mit dem Speiser und Frei einst im Zürcher Seefeld gestartet sind. Ein Bestseller. «Wir waren damals zwei Dudes in einer Wohnung und hatten keine Ahnung von E-Commerce», sagt der 37-jährige Frei.
Man habe viel ausprobiert und sei zuweilen auch gescheitert. So sei etwa die ursprüngliche Idee, Sexspielzeug im Abo zu verkaufen, kein durchschlagender Erfolg gewesen. Die Gehversuche im italienischen Markt verliefen im Nirgendwo. Der Chat-Service «Frag Amor» blieb ein Rohrkrepierer. Und ein Pilotprojekt mit Valora wurde nie weitergeführt.
Kooperation mit der Knie-Dynastie
Andere Projekte dagegen entwickelten sich äusserst lustvoll. Seit einiger Zeit kooperiert Amorana mit dem Zirkus Ohlala von Gregory Knie. Es ist die erste Offline-Präsenz des Online-Händlers. Frei zählt den Zirkus-Sprössling zum Freundeskreis – und findet damit auch Resonanz bei Roland Brack. Frei sei «hervorragend vernetzt», sagt der Unternehmer. «Nahe dran, innovativ und offen für Inputs und neue Dingen.» Er habe ein ausgeprägtes Interesse und Flair für das Thema Marketing, insbesondere in den Bereichen Online und TV. «Die Resultate mit den erzielten Umsatzsteigerungen sprechen für sich», sagt Brack.
Voll des Lobes ist auch Thomas Lang, Gründer und Chef der E-Commerce-Beratungsfirma Carpathia. «Ich habe grossen Respekt vor Lukas und Alan», sagt Lang. «Sie beweisen Mut und gehen Dinge gerne auch mal anders an.» Die beiden Gründer würden das Thema Erotik «sehr gekonnt in der ganzen Breite» spielen – «von Storytelling, Community-Management bis hin zur wertigen Darstellung von Produkten und Kundenprozessen».
Über 10'000 Artikel umfasst das Amorana-Sortiment mittlerweile. Für jedes einzelne Produkt schreiben die Texter des Start-ups einen eigenen Beschrieb – um bei Google aus der Masse herauszustechen. Zahlreiche Artikel werden im eigenen, etwas improvisierten Fotostudio abgelichtet.
Eigenmarken aus China
Der Bestseller ist der Womanizer – ein Klitoris-Massagegerät. Bestellt wird in der Regel auf dem Smartphone, oft an einem Sonntagabend. Noch immer lautet die häufigste Frage, die dem Kundendienst gestellt wird, ob das Päckli diskret verpackt komme. Wichtig ist auch, wann die Ware geliefert wird. Amorana verspricht eine Zustellung am nächsten Tag, wenn die Order vor 17 Uhr eingeht.
Geschwindigkeit, Zuverlässigkeit und Diskretion seien entscheidende Vorteile im Ringen gegen Konkurrenten wie das deutsche Portal Amorelie oder den Giganten Amazon. «Wenn du horny bist, willst du nicht allzu lange auf die Peitsche warten», sagt Frei. Von der Konkurrenz abheben will sich Amorana auch durch den Vertrieb von Eigenmarken. Drei eigene Brands sind es, gefertigt wird in China. Knapp zehn Produkte pro Eigenmarke sind im Angebot. In Zukunft sollen es noch deutlich mehr sein. «Wir wollen weiterwachsen», sagt Frei.
Unterm Strich geht die Mischung auf. Amorana ist seit letztem Jahr profitabel. Entsprechend gelöst war die Stimmung an der jüngsten Party zum fünfjährigen Bestehen. 700 Leute fanden sich im Februar im Zürcher Prime Tower ein, um mit Champagner anzustossen. Zwei Frauen in Spitzenwäsche präsentierten Sexspielzeug auf dem Silbertablett. Frei – ganz stilecht – im Smoking mit Fliege.
Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.
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