Luftverkehr
EU genehmigt Überbrückungskredit für insolvente Air Berlin

Air Berlin hat in den letzten zwei Tagen Dutzenden von Flügen ausfallen lassen müssen, weil die insolvente Airline noch nicht auf einen versprochenen Staatskredit zugreifen konnte. Eine Hürde, die dem entgegenstand, hat die EU jetzt am Montag jedoch beiseite geräumt.
Publiziert: 04.09.2017 um 18:23 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:23 Uhr
Am Gate statt in der Luft: Air Berlin musste am Sonntag aus finanziellen Gründen Dutzende von Flügen ausfallen lassen. (Archiv)
Foto: KEYSTONE/EPA/ALEXANDER BECHER

Die EU-Kommission hat dem umstrittenen staatlichen Kredit über 150 Millionen Euro für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin zugestimmt. Die Zahlung stehe im Einklang mit EU-Recht, teilten die Brüsseler Wettbewerbshüter am Montag mit. Die Airline soll damit die kommenden Monate bis zu einem Verkauf überbrücken können.

Staatskredit nur unter Bedingungen

Die EU-Kommission teilte dazu mit, dass durch den Kredit die geordnete Abwicklung von Air Berlin gewährleistet werde, ohne den Wettbewerb übermässig zu verfälschen.

Entscheidend dafür sei, dass der Kredit in Tranchen ausgezahlt werde. Die Fluggesellschaft müsse dabei ihren Finanzbedarf jede Woche nachweisen. Neue Kredittranchen sollen jeweils erst dann frei gegeben werden, wenn alle Mittel aufgebraucht sind. Deutschland müsse zudem sicherstellen, dass der Kredit vollständig zurückgezahlt werde oder einen Abwicklungsplan für Air Berlin vorlegen.

Der Staatskredit der Bundesregierung ist hoch umstritten. Ryanair-Chef Michael O'Leary hatte die Staatshilfe als indirekte illegale Hilfe für die Lufthansa kritisiert, deren Marktanteil bei einer Übernahme auf Inlandsstrecken auf 95 Prozent steigen würde. Air Berlin verhandelt als zweitgrösste deutsche Airline derzeit mit dem Marktführer Lufthansa und weiteren Interessenten über den Verkauf von Unternehmensteilen.

Kürzungen des Air Berlin Angebots

Die verlustreiche Air Berlin hatte mitten in der Ferienzeit Insolvenz beantragt. Seitdem hat die Airline ihr Langstrecken-Angebot gestutzt, am Sonntag und am Montag konnte die Fluggesellschaft Dutzende von Flügen nicht durchführen. Dabei waren vor allem die Flughäfen Berlin-Tegel und Düsseldorf betroffen.

Von diesen zwei Standorten aus annullierte Air Berlin gemäss Flugplan am Sonntag 20 Flüge von insgesamt rund 210, davon auch vier Langstreckenflüge. Am Montag strich die Fluglinie bis 14 Uhr zwei von 130 Flügen.

Davon betroffen war am Rande auch die Schweiz. Am Sonntag fiel von den insgesamt 20 von Air Berlin selbst durchgeführten Flügen ein Flug von Zürich nach Berlin-Tegel und einer von Genf nach Düsseldorf aus. Ein Flug ab Zürich nach Berlin wurde zudem auf den Montag verschoben.

Air Berlin teilte am Montag in dieser Sache mit, dass die Fluggesellschaft gestaffelt ab Mitte September ab Berlin-Tegel alle Langstreckenflüge einstellen werde. Bereits zuvor hatte Air Berlin die Einstellung des Flugbetriebs nach zwei US-Destinationen bekannt gegeben. Ab Düsseldorf will die Airline dagegen weiterhin Langstreckenverbindungen anbieten.

Darum gibts bei Air Berlin kein Grounding

Die Flotte der einst stolzen Swissair blieb am Boden, als der nationalen Airline das Geld ausgegangen war. Auch Air Berlin ist jetzt pleite – aber fliegt weiter. Möglich ist das nur, weil der deutschen Regierung Jobs wichtiger sind als Prinzipien.

Das Bild ist eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Schweiz. 2. Oktober 2001, über siebzig Flieger der einst stolzen Swissair stehen am Boden. Das Grounding der Airline nach über siebzig Jahren Luftfahrt.

Am Schluss kämpfte im Grunde nur noch einer für das Schweizer Kreuz auf der Heckflosse: Mario Corti, der letzte Swissair-Chef, bettelte bei den Banken um die rechtzeitige Überweisung des Geldes für den Kauf der Swissair-Tochter Crossair. Er bettelte beim Bundesrat um eine Bürgschaft, die hätte helfen sollen, den Liquiditätsengpass zu überbrücken. Beim Bund blitzte er ab, die UBS überwies das Bare später als abgemacht. Das bedeutete das Ende der nationalen Luftfahrtgesellschaft, an der vielfältige öffentliche Körperschaften beteiligt waren.

In der EU eigentlich verboten

Jetzt hat Air Berlin Insolvenz angemeldet. Zu den grössten Aktionären gehört die Golf-Airline Etihad Airways sowie die ESAS Holding, eine türkische Beteiligungsgesellschaft im Besitz einer Industriellenfamilie vom Bosporus. Dennoch sprach die deutsche Bundesregierung ohne Zögern einen Überbrückungskredit über 150 Millionen Euro, um die Flieger in der Luft zu halten. Sie wollte das Grounding der seit Jahren hochdefizitären privaten Fluggesellschaft verhindern, obwohl zumindest vordergründig keine deutschen Interessen im Spiel sind. Und sie nahm damit in Kauf, mit dem Scheckbuch in der Hand Strukturpolitik zu betreiben – was die EU eigentlich verbietet.

Steuergelder liefern Sauerstoff

Warum geht bei Air Berlin, was bei der Swissair nicht ging? Es geht um einige tausend Arbeitsplätze – und geht es um Jobs, stehen in Deutschland die Gebote der freien Marktwirtschaft gewöhnlich nicht mehr zuoberst auf der politischen Agenda. Zum anderen wird die Lufthansa wohl Flieger und Strecken der Air Berlin übernehmen können, gleichzeitig wird die Offensive der Konkurrenz aus den Vereinigten Arabischen Emiraten elegant gestoppt. In Deutschland genügt dies, um wirtschaftsliberale Grundsätze über Bord zu werfen. In der Schweiz scheinen diese in Stein gemeisselt. Deshalb musste die Swissair sterben. Air Berlin bekommt Sauerstoff in Form von Steuergeldern. 

Die Flotte der einst stolzen Swissair blieb am Boden, als der nationalen Airline das Geld ausgegangen war. Auch Air Berlin ist jetzt pleite – aber fliegt weiter. Möglich ist das nur, weil der deutschen Regierung Jobs wichtiger sind als Prinzipien.

Das Bild ist eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Schweiz. 2. Oktober 2001, über siebzig Flieger der einst stolzen Swissair stehen am Boden. Das Grounding der Airline nach über siebzig Jahren Luftfahrt.

Am Schluss kämpfte im Grunde nur noch einer für das Schweizer Kreuz auf der Heckflosse: Mario Corti, der letzte Swissair-Chef, bettelte bei den Banken um die rechtzeitige Überweisung des Geldes für den Kauf der Swissair-Tochter Crossair. Er bettelte beim Bundesrat um eine Bürgschaft, die hätte helfen sollen, den Liquiditätsengpass zu überbrücken. Beim Bund blitzte er ab, die UBS überwies das Bare später als abgemacht. Das bedeutete das Ende der nationalen Luftfahrtgesellschaft, an der vielfältige öffentliche Körperschaften beteiligt waren.

In der EU eigentlich verboten

Jetzt hat Air Berlin Insolvenz angemeldet. Zu den grössten Aktionären gehört die Golf-Airline Etihad Airways sowie die ESAS Holding, eine türkische Beteiligungsgesellschaft im Besitz einer Industriellenfamilie vom Bosporus. Dennoch sprach die deutsche Bundesregierung ohne Zögern einen Überbrückungskredit über 150 Millionen Euro, um die Flieger in der Luft zu halten. Sie wollte das Grounding der seit Jahren hochdefizitären privaten Fluggesellschaft verhindern, obwohl zumindest vordergründig keine deutschen Interessen im Spiel sind. Und sie nahm damit in Kauf, mit dem Scheckbuch in der Hand Strukturpolitik zu betreiben – was die EU eigentlich verbietet.

Steuergelder liefern Sauerstoff

Warum geht bei Air Berlin, was bei der Swissair nicht ging? Es geht um einige tausend Arbeitsplätze – und geht es um Jobs, stehen in Deutschland die Gebote der freien Marktwirtschaft gewöhnlich nicht mehr zuoberst auf der politischen Agenda. Zum anderen wird die Lufthansa wohl Flieger und Strecken der Air Berlin übernehmen können, gleichzeitig wird die Offensive der Konkurrenz aus den Vereinigten Arabischen Emiraten elegant gestoppt. In Deutschland genügt dies, um wirtschaftsliberale Grundsätze über Bord zu werfen. In der Schweiz scheinen diese in Stein gemeisselt. Deshalb musste die Swissair sterben. Air Berlin bekommt Sauerstoff in Form von Steuergeldern. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.