Lorenz Heim
«Hausbauer subventionieren die Sparer»

Was bedeutet die Geldpolitik der EZB für die Schweiz? Lorenz Heim vom Hypothekenzentrum erklärt die Handlungsoptionen für die Nationalbank und wie Hypothekarschuldner die Sparer subventionieren.
Publiziert: 14.09.2019 um 10:34 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2019 um 14:06 Uhr
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Lorenz Heim vom Hypothekenzentrum sagt: «Hausbauer subventionieren die Sparer.»
Foto: Christian Kolbe
Interview: Christian Kolbe

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Geldschleusen nochmals weiter geöffnet, Strafzinsen für die Banken auf minus 0,5 Prozent verschärft. Das habe Folgen für die Schweiz, sagt Finanzexperte Lorenz Heim.

BLICK: Herr Heim, wie sehr ist die Schweizerische Nationalbank nach dem Zinsentscheid der EZB in Nöten? 
Lorenz Heim: Die EZB ist weniger weit gegangen als von vielen befürchtet. Die Lage für die SNB hat sich zwar etwas entschärft. Der Druck zu handeln bleibt aber weiterhin hoch.

Wird die SNB nächsten Donnerstag die Negativzinsen weiter senken?
Sie handelt jetzt schon. Der Euro verharrt bei 1.09 Franken, obwohl die Zinssenkung der EZB den Kurs noch mehr nach unten drückt. Aber es stellt sich die Frage, wie lange die SNB das durchhalten kann. Ab November pumpt die EZB jeden Monat wieder 20 Milliarden Euro in den Markt. Eigentlich müsste die SNB diese zusätzlichen Euro gleich wieder aufkaufen.

Das spricht für eine Verschärfung bei den Negativzinsen.
Mehr als ein Prozent Minuszins liegt vermutlich nicht mehr drin, sonst werden die gesamtwirtschaftlichen Schäden zu gross! 

Zeichnet sich ein Ausweg aus dieser Politik des billigen Geldes ab? 
Eher nicht. Der Wirtschaft geht es zwar kurzfristig etwas besser, wenn die EZB die Zinsen noch weiter drückt. Aber das Finanzsystem ist wie auf Drogen, das billige Geld ist zu einer Sucht geworden. Und jeder Politiker, der diese Geldpolitik ändern will, muss mit seiner Abwahl rechnen.

In der Schweiz nützt die Geldpolitik doch der Exportwirtschaft. 
Bisher hat sich die Exportwirtschaft mit dem starken Franken einigermassen arrangieren können. Die Frage ist, ob die Unterstützung der Exportwirtschaft zulasten der künftigen Rentner und Sparer bei noch tieferen Zinsen weiterhin gerechtfertigt ist. 

Wie lange werden die Schweizer dabei noch mitspielen? 
Die Leute sind sich durchaus bewusst, dass wir dem Franken Sorge tragen müssen, deshalb gibt es auch eine gewisse Leidensbereitschaft. Noch subventionieren die Hypothekarschuldner und Hausbauer die Sparer. Aber wenn die Negativzinsen auch auf kleinere Vermögen durchschlagen, dann ist es damit vorbei. 

Das müssen Sie erklären.
Kleinsparer müssen in der Schweiz noch keine Negativzinsen auf ihren Konten bezahlen. Im schlechtesten Fall gibt es einfach keine Zinsen, aber sie legen mit Ausnahmen der Bankgebühren nicht drauf. Solange das so ist, wird es für Hausbesitzer keine Hypothek mit einem negativen Zins geben. Denn das wäre theoretisch durchaus möglich. 

Wie?
Für eine Bank kann sich das durchaus lohnen. Anstatt bei der Nationalbank Negativzinsen von 0,75 Prozent zu zahlen, kann sie das Geld auch einem Hauskäufer ausleihen, zu einem Zins von zum Beispiel minus 0,1 Prozent. Damit macht die Bank immer noch ein gutes Geschäft. 

Wann wird es so weit sein? 
Noch wagt sich niemand an dieses Tabu. Ich gehe davon aus, dass sich dies schleichend entwickeln wird, indem die Limite für negative Zinsen immer mehr reduziert wird. Wenn die Banken dann im grossen Stil von den Sparern negative Zinsen erhalten, können sie diese auch an die Hypothekarnehmer weitergeben.

Das heisst, Hypothekarschuldner können auf noch tiefere Zinsen hoffen, die Mieter aber haben nichts davon? 
Die Hoffnungen der Hypothekarschuldner sind berechtigt, aber auch die Mieter werden nicht leer ausgehen. Weil so viele neue Wohnungen gebaut werden, nehmen die Leerstände laufend zu. Entsprechend sinken in einigen Regionen die Mieten. Oder die Vermieter locken die künftigen Bewohner ihrer Häuser mit Sonderkonditionen. 

Aber das funktioniert nur in Randregionen. 
Nein. Selbst im Zürcher Seefeld-Quartier stehen die Mieter nicht mehr Schlange, wenn eine Wohnung neu vermietet wird. Entsprechend gibt es Wohnungen, die den einen oder anderen Monat leer stehen, weil sich keine Mieter finden. Offenbar ist es für Vermieter an guten Lagen nicht mehr ganz so einfach wie früher, einen zahlungskräftigen Mieter zu finden. Das heisst auch: Die Mieter an besseren Lagen dürften langfristig von den tiefen Zinsen profitieren.

So wenig ist aus 20'000 Franken geworden

Seit längerem lohnt sich Sparen in der Schweiz nicht mehr so richtig. Und seit der Finanzkrise ist es mit dem Geld, das auf dem Bankkonto arbeitet, komplett vorbei. Das zeigt eine Berechnung der Hypothekarbank Lenzburg für BLICK.

Die Kaufkraft von 20'000 Franken, angelegt auf einem normalen Schweizer Sparkonto am 1. September 2008, ist in den letzten elf Jahren gerade um 409 Franken angestiegen. Immerhin: In der Schweiz hat die Kaufkraft im Gegensatz zum Euroraum leicht zugenommen. Dort hat sich das Geld auf den Sparkonten real entwertet.  

Anders sieht es bei den Bargeldbeständen insgesamt aus, die auf Schweizer Bankkonten lagern. Die sind in den letzten Jahren stark angestiegen (siehe Grafik). Der Grund: Nicht nur Ausländer legen ihr Geld gern im starken und sicheren Schweizer Franken an, auch viele Schweizer haben im Zuge der Euro-Schuldenkrise ihr Geld in die Schweiz zurückgebracht. Und haben ihren Anteil daran, dass die Schweizer Währung immer stärker wird.  

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«Das nimmt Druck von der SNB»
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