Lohndumping bei Coop-Neubau
Grosse Baustelle, grosse Abzocke!

Publiziert: 25.10.2015 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:17 Uhr
Die grösste private Baustelle der Schweiz: In Schafisheim AG baut Coop ein Verteilzentrum mit Grossbäckerei.
Foto: Foto: Niklaus Wächter
Von Philipp Albrecht

Die Ausmasse sind gigantisch. Die Kosten auch: 600 Millionen Franken verschlingt der Bau eines gewaltigen Coop-Verteilzentrums samt Grossbäckerei in Schafisheim AG. Ab 2016 sollen dort jährlich 60 000 Tonnen Brot und Gebäck erzeugt werden. Jeden Morgen rollen dann 150 Lastwagen an, um Frischware in die halbe Schweiz zu bringen. Aber noch ist es die grösste private Baustelle der Schweiz.

Das Projekt ist in vieler Hinsicht vorbildlich. Mehrere Standorte werden hier zusammengelegt. Dadurch spart der Detailhandelsriese pro Jahr 10 000 Tonnen CO2 ein. Die Öfen werden mit Biomasse beheizt.

Saubere Ökobilanz, schmutzige Arbeitsbedingungen: SonntagsBlick stiess in Schafisheim auf einen Lohndumpingskandal. Zwei slowenische Elektromonteure erheben schwere Vorwürfe. Aus Angst vor Racheakten ihres Ex-Arbeitgebers, einer slowenischen Montagefirma, wollen sie anonym bleiben. Sie und ein rundes Dutzend weiterer Kollegen mussten dem Unternehmen einen Teil ihres Lohnes in bar zurückzahlen.

Ihr Arbeitgeber hatte ihnen umgerechnet 13 Franken pro Stunde versprochen. Offiziell ausbezahlt erhielten sie in der Regel den Branchenmindestlohn, wie er nach einem Jahr Berufserfahrung gilt: rund 28 Franken. Die Differenz zahlten sie zurück. Bei einem der zwei Slowenen, der mehrere Monate auf der Coop-Baustelle tätig war, handelte es sich um über 9000 Franken. Dazu kommt: Die Steuern in der Heimat mussten die Ausgebeuteten auf den viel höheren Bruttobetrag zahlen.

Noch ein krasser Verstoss gegen den Gesamtarbeitsvertrag (GAV): Die Angestellten schufteten sechs Tage pro Woche mindestens zehn Stunden lang. Für die Überstunden wurden sie nicht entschädigt. «Wir arbeiteten bis zur völligen Erschöpfung, bis zu 300 Stunden pro Monat», erzählt einer der Betroffenen. Nach GAV erlaubt wären höchstens 175 Stunden. Auch das gesetzlich vorgeschriebene Tagesgeld von 120 Franken mussten sie sich ans Bein streichen. Wer reklamierte, wurde heimgeschickt. Untergebracht waren die Arbeiter in einem alten Haus in Murg (D) gleich an der Schweizer Grenze. Die Verhältnisse seien «katastrophal» gewesen, vier Mann hätten sich ein Zimmer teilen müssen, berichten sie.

Als die Arbeiter ihren vollen Lohn einforderten, wurden sie entlassen. Nun hoffen sie auf Coop. Denn in Schafisheim ist der Grossverteiler Bauherr.

Die Immobilienabteilung von Coop hat auf dem Bau offenbar die Übersicht verloren. Der Auftrag für die riesigen Backstrassen der Grossbäckerei ging an die österreichische TGW Logistics Group. Diese gab einzelne Aufträge an Subunternehmen weiter, die wiederum andere Subunternehmen beauftragten. Um Lohndumping zu verhindern, hat Coop eine Sicherheitsfirma eingestellt, die regelmässig Stichproben auf dem Bau durchführt. Ihr Auftrag: dafür zu sorgen, dass das Entsendegesetz für ausländische Arbeiter eingehalten wird.

Nun hat Coop reagiert, wie Sprecher Ramon Gander schreibt: «Wir tolerieren keine Gesetzesverstösse und haben von der betroffenen Unternehmung eine sofortige lückenlose Aufklärung und die umgehende Begleichung allfälliger Ausstände gegenüber den Mitarbeitenden verlangt.» Das Problem, so Gander: die Lohndumpingfirma berufe sich auf den Datenschutz.

Darum kooperiert der Grossverteiler jetzt auch mit der Gewerkschaft Unia und bezieht die Aussagen der slowenischen Elektromonteure in die Untersuchung mit ein. Unia-Sprecher Lorenz Keller: «Trotz aller bisherigen Bemühungen ist es bei Coop in Schafisheim schon wiederholt zu Lohndumping gekommen. Deshalb ist es aus Sicht der Unia jetzt für Coop als einer der grossen Bauherren der Schweiz angezeigt, sich einmal grundlegendere Gedanken zum Umgang und zur effektiven Prävention von Lohndumping zu machen.»

Es ist tatsächlich nicht der erste Lohndumpingfall in Schafisheim: Vor zwei Jahren steckte ein Subunternehmen 100 000 Franken ein, die einer Gruppe von Eisenlegern zugestanden hätten. Als der Betrug ans Licht kam, zahlte die Firma das Geld zurück.

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