Einst wurde hier Geschichte geschrieben: In den 30er-Jahren trugen die Ärzte des ehemaligen Säuglingsheims in der Elfenau in Bern massgeblich dazu bei, die Säuglingssterblichkeit zu senken. Wo einst Babys gepflegt wurden, wird heute gewohnt und gearbeitet. Aber erst mal nur auf Zeit.
Seit dem 1. September 2017 bis zum 30. Juni 2019 steht das denkmalgeschützte Gebäude zur Zwischennutzung durch «Projekt Interim» zur Verfügung. Danach steht ein Umbau an. Bis auf einige Büroräumlichkeiten sind alle Flächen vermietet. 405 Franken monatlich kostet eine 40-Quadratmeter-Wohnung, für 110 Franken gibt es 10 Quadratmeter.
Mieter werden angelockt
Zwischennutzungen von Liegenschaften sind ideal, um temporär Kosten einzusparen. Vor allem Immobilienbesitzer profitieren, denn statt die Liegenschaft leer stehen zulassen, wird sie für einen geringen Mietzins bewohnt. Das lockt auch Wohnungssuchende. «Die Nachfrage ist in den letzten Jahren gestiegen», sagt Lukas Amacher, Partner beim 2013 gegründeten Projekt Interim.
Rund 15'000 Personen seien auf ihrem Verteiler registriert, die nach Wohn- und Arbeitsraum suchten. Dabei halten sich Büroräume und Wohnungen die Waage: 40 Prozent der vermittelten Liegenschaften seien Arbeitsflächen, 40 Wohnraum, und 20 Prozent gehen an Pop-up-Konzepte, sagt der 30-Jährige. Aktuell seien 40 Zwischennutzungen am Laufen.
Zwischennutzen lässt sich alles
Auftraggeber sind Privatpersonen, KMU, Konzerne und die öffentliche Hand. «Wer mit uns arbeitet, muss sich um nichts zu kümmern», erklärt Amacher. Der Kostenbeitrag hänge immer von der Art des Objekts, dem Zustand und der Nutzungsdauer ab. «Wir sind so günstig, dass wir immer eine viel höhere Nachfrage als Angebot haben», sagt er. Egal, ob Villa oder ehemaliges Altenheim: Zwischennutzen lasse sich praktisch alles.
Wohnungs- und Bürosuchenden eröffnen sich dadurch ganz neue Möglichkeiten: Wer wollte seinen Arbeitsplatz nicht schon einmal in einer historischen Villa direkt am Rhein aufschlagen?
Geschichtsträchtiger Arbeitsort
In Basel ist das bis zum 31. Juli 2020 möglich. 292 Franken kosten 19 Quadratmeter. Wer auf der Suche nach Atelier- und Gewerbeflächen ist, wurde in Wetzikon ZH fündig: Dort stehen bis zum 30. Januar 2019 insgesamt 900 Quadratmeter für Pop-up-Projekte zur Verfügung – beziehungsweise standen, der Platz ist vermietet.
Die Nutzung erfolgt auf Basis der Gebrauchsleihe, was bedeutet, dass kein Mietzins, sondern nur Unterhalts- und Nebenkosten anfallen. Allerdings fällt auch das Mieterrecht weg. Im Zürcher Luxus-Hotel Dolder Waldhaus wohnen schon seit Juli 2017 Mieter auf Zeit. Im Dezember 2019 müssen sie ihre Wohnungen räumen, die je nach Grösse zwischen 190 und 2500 Franken kosten.
Immer mehr Wohnraum-Anbieter
Anbieter von Zwischennutzungen gibt es einige: Novac-Solutions in Zürich kümmert sich seit 2016 zum Beispiel um die Nutzung des Mythenschlosses des Rückversicherers Swiss Re, das im Herbst 2019 abgerissen werden soll, und in Basel ist die private Organisation Unterdessen seit sechs Jahren auf die Zwischennutzung von Büroflächen spezialisiert.
Liegenschaften kommen von der Gemeinde oder privaten Anbietern wie Jacques Herzog & Pierre de Meuron. Gerade ging ein Projekt in Basel zu Ende, das Büros für eine Handvoll Kulturschaffende in einer ihrer Villen beherbergte. «Die Nachfrage nach Objekten und Know-how hat sich massiv gesteigert», sagt Geschäftsführer Pascal Biedermann (48). Die Organisation arbeitet viel im sozialen und kulturellen Rahmen.
Arbeiten in ehemaliger Uhrenfabrik
Einzigartige Arbeitsräume finden sich auch hier: In Waldenburg BL wird die ehemalige Uhrenfabrik von Revue Thommen seit Mai 2017 zwischengenutzt. Die Eigentümerin Thommen Aircraft Equipment LTD sucht einen Käufer für die Hallen des 1853 gegründeten Unternehmens.
Die Fläche wird nach Quadratmeterpreis vermietet: Gewerbeflächen kosten zwischen 55 und 57 Franken pro Quadratmeter und Jahr. Der Bezug ist ab sofort möglich.