Lidl-Schweiz-Chef Georg Kröll
Machen Sie eigentlich Gewinn?

Der Deutsche Georg Kröll (47) über Wyberhaken, Discounter in Griechenland und wie Lidl es schafft, in der Schweiz Tiefpreise zu garantieren.
Publiziert: 29.05.2015 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:21 Uhr
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Für einen Spass zu haben: Georg Kröll (47), seit Oktober 2014 Chef von Lidl Schweiz, lässt sich im neuen Verteilzentrum in Sévaz mit dem Stapler herumfahren. Mit Frau und Sohn wohnt er im Thurgau. Bevor er in die Schweiz kam, baute er während sechs Jahren Lidl Griechenland auf.
Foto: Karl-Heinz Hug
Interview von Ulrich Rotzinger

BLICK: Herr Kröll, wissen Sie, was ein Wyberhaken ist?
Georg Kröll
: (lacht) Jetzt haben Sie mich gleich erwischt.

Kleiner Tipp: Topschwinger Christian Stucki steht im Sold von Lidl.
Ach der Stucki Christian. Grad kürzlich war ich auf einem Schwingfest. Dort habe ich unsere neue Markenbotschafterin Anita Buri getroffen. Ich werde mich das nächste Mal mehr auf den Sport konzentrieren. Das verspreche ich!

Ein Wyberhaken ist ein Schwung im Schwingsport. Auch dort wirbt Lidl mit Schweizerkreuz und Bio. Schämen Sie sich Ihrer deutschen Herkunft?
Natürlich schämen wir uns nicht! Es ist doch selbstverständlich, dass wir mit Produkten werben, die wir im Regal haben.

Bevor Sie im Oktober 2014 Ihre Stelle in der Schweiz angetreten haben, waren Sie über sechs Jahre Lidl-Chef in Griechenland. Als Discounter haben Sie dort sicher Kasse gemacht?
Schlag auf Schlag hat sich ein Konkurrent aus dem Land verabschiedet. Erst Plus, dann Dia, Aldi hat nur zwei Jahre durchgehalten. Der These, dass der Discount profitiert, wenn die Bevölkerung leidet, muss ich widersprechen.

Wie erging es Ihnen persönlich?
Meine Frau hat in nur einem halben Jahr sechs Freundinnen verloren, weil deren Fami­lien keine Existenz mehr hatten und wegziehen mussten. Das hat uns sehr beschäftigt.

Dann muss Ihnen die Schweiz wie das gelobte Land vorkommen.
In sozialer und ökonomischer Hinsicht könnten die beiden Länder nicht weiter auseinanderliegen. Kunden erwarten hier viel mehr regionale Produkte und extrem hohe Qualität. Darum ist Lidl hier eigentlich gar kein Discounter.

Was ist Lidl denn dann, ein Globus?
Täglich verkaufen wir frische Backwaren und 110 Obst- und Gemüsesorten. Das finden Sie weder bei Aldi noch bei Denner. Wir haben Mode, Kinderspielzeug und eine Luxuslinie.

Import-Brötchen im 6er-Pack für 79 Rappen, Nespresso-Klon-Kapseln für ein paar Rappen. Irgendjemand wird doch abgezockt, damit Lidl Tiefpreise garantieren kann!
Lidl ist Marktleader in Europa mit 10 000 Filialen. Hohe Volumen und Effizienz verschaffen uns Vorteile. Wir haben keine Bedientheke, verkaufen im Laden aus dem Karton heraus oder auf Paletten. Diese Einsparungen stecken wir in tiefere Preise.

In Deutschland herrscht täglich Preiskrieg. Warum kommt dieser in der Schweiz nicht recht in Gang?
Da muss ich widersprechen. Unser Markteintritt 2009 hat einen Preisrutsch auf breiter Front bei Lebensmitteln ausgelöst. Die Konkurrenten kamen unter Druck – auch Markenartikel wurden günstiger.

Butter ist in der Schweiz viermal teurer als in Deutschland.
Um günstiger anbieten zu können, müssten wir auf Importbutter ausweichen. Doch die Zollschranken sind enorm hoch. Der Schweizer Milchmarkt ist abgeschottet und fest im Griff der bäuerlich beherrschten Milchproduzenten.

Warum bieten Sie hier nicht auch Discountpreise wie in Deutschland an?
Dann müssten wir viel mehr ausländische Ware verkaufen. Aber die will der Schweizer nicht. Er legt Wert auf einheimische Produkte, die bereits über 50 Prozent unseres Umsatzes ausmachen. Zudem können wir die von Politik und Gesellschaft gewünschten gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht ändern. Wir passen uns an und fahren bisher gut damit.

Sie schöpfen die Schweizer Kaufkraft ab.
Die Schweizer Preise sind hoch, keine Frage. Das heisst aber in keiner Weise, dass wir höhere Margen haben als in anderen Ländern. Wir machen die Preise mit den Rahmenbedingungen, die wir hier vorfinden.

Macht Lidl in der Schweiz denn Gewinn?
Wir machen das hier nicht zum Hobby. Wir schreiben mehr als eine schwarze Null. Und unser Umsatz steigt trotz Preissenkungen.

Lidl wurde von Konkurrenten als Totengräber und Preis­drücker bezeichnet. Fühlen Sie sich heute akzeptiert in der Schweiz?
Also beerdigt haben wir noch niemanden. Wir sind weder Totengräber noch Preisdrücker, behandeln unsere Mitarbeiter gut und zahlen anständige Löhne. Den beiden Grossverteilern haben wir natürlich Umsätze abziehen können.

Was versprechen Sie sich mit dem zweiten Verteilzentrum in Sévaz, dass gestern nach jahrelanger Verzögerung offiziell an den Vertrieb übergeben wurde?
Lidl betreibt in Sévaz das modernste Warenlager von ganz Europa. Wir können nun weiter expandieren, vor allem in der Westschweiz, und mehr Regionalität in die Läden bringen. Wir haben mit dem Bau 200 Arbeitsplätze in der Region geschaffen. Unsere Mitarbeiter besuchen fleissig Französisch­kurse. Wir informieren intern künftig immer zweisprachig.

Bleibt es bei den 360 LKW-Fahrten pro Tag, davon über 60 nachts?
Aktuell bewilligt sind für den Start am 2. Juni 200 Fahrten pro Tag und zwölf pro Nacht. Es ist aber klar, dass wir noch mehr LKW-Fahrten brauchen für die weitere Expansion. Darüber hat der Kanton zu entscheiden. Die von Ihnen genannte Anzahl Fahrten wurde von uns ersucht, das Verfahren ist hängig beim Kanton. Wir gehen davon aus, dass diese bald bewilligt werden, da wir sämtliche Auflagen einhalten.

Beim Markteintritt 2009 hiess es, Sie wollten 200 Filialen eröffnen. Sie haben aber erst 100 am Netz.
Wir führen jetzt 101 Filialen mit einem Verteilzentrum in Weinfelden im Thurgau. Jetzt haben wir ein zweites. Es geht folglich in diese Richtung. Allein letztes Jahr haben wir neun Läden eröffnet, in diesem Tempo wird es jährlich weitergehen.

Lidl investierte letztes Jahr 110 Millionen in der Schweiz. Hat der Franken-Schock Folgen?
Wir werden auch im laufenden Jahr rund 100 Millionen Franken investieren. Einerseits in neue Filialen, andererseits in die Modernisierung bestehender Läden. Hierfür haben wir kürzlich eine Offensive gestartet. Ein Fünftel der Läden wird in diesem Jahr bereits aufgefrischt und auf Nachhaltigkeit getrimmt.

Lidl exportiert Schweizer Käse, Rösti, Bonbons und Wein nach Europa. Hören Sie damit jetzt wieder auf, weil der Franken so stark ist?
Im Gegenteil. Wir werden die Exporte unserer Schweizer Produkte ins europäische Lidl-Netz noch steigern. Schweizer Produkte haben einen makellosen Ruf. Ob wir die Exporte von bisher 2100 Tonnen verdoppeln können, lässt sich nicht abschätzen.

Fliegt der oberste Lidl-Chef Klaus Gehrig immer noch aus Deutschland per Privathelikopter in die Schweiz, um auf Filialinspek­tionstour zu gehen?
Nein, ich habe ihn bisher hier noch nicht gesehen. In Griechenland dafür umso häufiger. Er ist ein angenehmer Mensch und wird demnächst mal wieder in die Schweiz kommen (lacht).

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