Ein Personalengpass rollt in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht nur auf die SBB, sondern auch auf die Chauffeurbranche zu. Vor einem «zunehmenden Chauffeurbedarf» warnt etwa Roger Baumann, Sprecher des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV). Die Lage verschärfe sich, weil viele ältere Angestellte in Pension gingen und gleichzeitig die Angebote der Verkehrsbetriebe stetig ausgebaut würden.
Dabei harze es bei der Stellenbesetzung heute schon, sagen Betriebsverantwortliche. «Die Rekrutierung von ausgebildeten und erfahrenen Mitarbeitenden wird immer schwieriger», sagt Manuela Seeli, Personalchefin der Bus und Service AG, Betreiberin von Chur Bus und Engadin Bus im Kanton Graubünden. Auffallend sei, dass sich vor allem Quereinsteiger mit wenig bis keiner Berufserfahrung bewerben.
Gleiches Bild bei der Postauto AG mit ihren aktuell 1831 Chauffeuren. «Es ist schon heute schwierig, Fahrer zu finden, die bereits im Besitz der nötigen Papiere sind», bestätigt Sprecher Ben Küchler. Derzeit sind 29 Stellen unbesetzt.
Postauto muss sich bei Rekrutierung anstrengen
Laut VöV erwerben Private immer weniger aus eigenen Stücken den Führerausweis für Busse, weil dieser bis zu zehntausend Franken kostet. «Das Reservoir an Personen mit Führerausweis Kategorie D nimmt ab», sagt Sprecher Baumann.
Angesprochen auf die Pensionierungswelle sagt Postauto-Sprecher Küchler: «Wegen Pensionierungen müssen wir dieses Jahr rund 37 Vollzeitstellen an eigenem Fahrpersonal ersetzen.» Diese Zahl bleibe in den kommenden drei Jahren relativ konstant. Heisst: Bis dahin müssen 148 offene Vollzeitstellen aufgrund Pensionierungen wieder besetzt werden.
Damit nicht genug: In den darauffolgenden Jahren wird die Anzahl der Pensionierungen ansteigen. «Postauto wird sich bei der Rekrutierung bemühen müssen, will man nicht in eine schwierige Situation geraten», so Küchler.
Auch im Kanton St. Gallen gibt es Engpässe bei den Chauffeuren. «In Wil ist die Personalknappheit besonders prekär», sagt Felix Birchler, SEV-Gewerkschaftssekretär und Zuständiger für Bus Ostschweiz.
SEV-Umfrage zeichnet düsteres Bild
Eine Umfrage, die die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) im April in ihrer Mitgliederzeitung veröffentlichte, zeichnet ein dunkles Bild für die Busbranche. «Unterbesetzung ist ein klares Zeichen, dass es an Buschauffeuren mangelt», sagt Gilbert d'Alessandro (54). Seit dreissig Jahren ist er Chauffeur bei den Freiburgischen Transportbetrieben und SEV-Gewerkschafter. «Wir riskieren grosse Probleme in den nächsten fünf bis zehn Jahren, wenn meine Generation in Pension geht.»
Alessandro meint: Es sei immer schwieriger, Junge zu finden, die unregelmässige Arbeitszeiten, lange Dienste und unhöfliche Fahrgäste akzeptieren. Viele Arbeitgeber greifen heute schon auf Aushilfen und Pensionierte zurück, um Unterbesetzungen zu überbrücken.
Laut der Gewerkschaft wird der Altersdurchschnitt der Chauffeure immer höher. Ein Viertel ist bereits zwischen 56 und 65 Jahre alt. Der Beruf wird stark von Männern dominiert.
Als Lösung für das künftige Personalproblem fordert die Branche, mehr Frauen in den Chauffeurberuf zu bringen. Dafür müsste aber besonders die Teilzeitarbeit deutlich verbessert werden.