Da haben die Wirte für einmal die Rechnung ohne den Vermieter gemacht. Zumindest ohne jene Vermieter, die gnadenlos auf die vollständige Entrichtung der Geschäftsmiete für Restaurants, Hotels, Bars oder Cafés pochen – und das trotz Corona und Lockdown.
Denn auf der Immobilienplattform Immoscout24 schiessen die zum Verkauf und Vermietung angebotenen Gastro-Immobilien gerade durch die Decke – insgesamt waren es 1393 Objekte im Januar. So viele wie noch nie auf der Immoplattform und fast 70 Prozent mehr im Vergleich zum Januar 2020.
Viele können Miete nicht mehr zahlen
Noch etwas fällt auf: Es sind vor allem Mietobjekte, die die Wirte jetzt loshaben wollen. «Die Gastrobranche wurde von den Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie hart getroffen. Sie leidet unter den wirtschaftlichen Auswirkungen», sagt Immoscout24-Chef Martin Waeber (49). Die Miete sei ein wesentlicher Teil der Fixkosten. «Wir gehen davon aus, dass aus diesem Grund zahlreiche Gastronomen gezwungen sind, das gemietete Lokal aufzugeben.»
Das kann beim Branchenverband Gastrosuisse niemanden wirklich überraschen. Im Gegenteil, die Pächter zahlen nun die Zeche dafür, dass die Politik es dem Privaten überlassen hat, sich bei den Geschäftsmieten zu einigen. «Nun findet statt, wovor Gastrosuisse die Vermieterinnen und Vermieter gewarnt hatte. Viele Geschäftsmietende müssen aus dem Mietvertrag aussteigen, wenn ihnen die Vermieterschaft nicht entgegenkommt», sagt Daniel Borner (57), Direktor des Branchenverbandes.
Lokale könnten lange leerstehen
Für den Verband ist klar: Auf das Gastgewerbe rollt eine Schliessungswelle zu. Die Anzeichen häufen sich. Die Mietangebote für Gastro-Immobilien steigen bereits seit November 2020 an. Das deckt sich mit den jüngsten Daten der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich. Demnach sehen sich 59 Prozent der Restaurants und 47 Prozent der Hotels in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Das sind dann eben solche Betriebe, die aus ihrem Mietvertrag aussteigen müssen.
«Angesichts des grossen Angebots an Gastro-Immobilien drohen lang andauernde Leerstände», warnt Borner. Die mehr oder minder direkte Botschaft an die Besitzer von Restaurants, Cafés, Bars oder Hotels: Seid kulant zu euren Pächtern, sonst werdet ihr langfristig die Zeche bezahlen! Was dem Branchenverband besonders sauer aufstösst: Vermieter, die nicht einmal bereit sind, mit den Gastwirten zu verhandeln. Das sei gemäss einer Umfrage in 40 Prozent der Fälle vorgekommen.
Zürcher Gastronomen appellieren an Finanzminister
Es brodelt in der ganzen Branche. In Zürich wenden sich einige prominente Gastronomen in einem offenen Brief direkt an Finanzminister Ueli Maurer (70). Ihre Kritik: Die Härtefallklausel benachteilige grosse Gastro-Gruppen, da die maximale Summe auf 750'000 Franken pro Unternehmen begrenzt sei. Ihre Forderung: Die Maximalsumme solle für jeden einzelnen Betrieb gelten. Ihre Begründung: Wer mehrere Restaurants betreibe, erleide durch die aktuelle Schliessung höhere Verluste als Unternehmen mit nur einem Gastrobetrieb. Etwa die Bindella-Gruppe, Candrian Catering oder die Pumpstation Gastro von Michel Péclard (52) haben den Brief an Maurer unterzeichnet.